Kann ein Arbeitgeber von einer Wettbewerbsklausel zurücktreten?

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​Zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer kann ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden, das den Arbeitnehmer daran hindert, nach seinem (künftigen) Ausscheiden beim aktuellen Arbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum eine konkurrierende Erwerbstätigkeit auszuüben. Die gesetzliche Regelung wirft viele Fragen auf. Eine davon, nämlich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein Arbeitgeber von einer vereinbarten Wettbewerbsklausel zurücktreten kann, wird durch ein kürzlich ergangenes Urteil des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik beantwortet.


Exkurs – Was bedeutet eine Wettbewerbsklausel im Arbeitsrecht?

Wird eine Wettbewerbsklausel vereinbart, darf der Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraums nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, jedoch nicht länger als ein Jahr, keine Erwerbstätigkeit ausüben, die mit dem Unternehmensgegenstand des Arbeitgebers identisch ist oder zu diesem in Konkurrenz steht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer für jeden Monat der Einhaltung des Wettbewerbsverbots eine finanzielle Entschädigung in Höhe von mindestens der Hälfte des durchschnittlichen Monatsverdienstes zu zahlen. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots kann durch eine Vertragsstrafe abgesichert werden. 

Rücktritt von einer Wettbewerbsklausel – bisherige Rechtsprechung

 „Ein Arbeitgeber kann nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses von einer Wettbewerbsklausel zurücktreten“ (§ 314 Abs. 4 Arbeitsgesetzbuch der Tschechischen Republik). Das Oberste Gericht der Tschechischen Republik hat in den letzten Jahren wiederholt entschieden, dass ein Arbeitgeber von einer Wettbewerbsklausel nur aus einem im Gesetz oder in einer Vereinbarung der Parteien festgelegten Grund zurücktreten kann, und dies auch nur während der Dauer des Arbeitsverhältnisses. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 kam das Oberste Gericht sogar zu dem Schluss, dass eine Regelung ungültig ist, die den Arbeitgeber während der Dauer des Arbeitsverhältnisses berechtigt, von einem Wettbewerbsverbot zurückzutreten, wenn er nach freiem Ermessen zu dem Schluss kommt, dass die Durchsetzung des Wettbewerbsverbots angesichts des Wertes der Informationen, der Erkenntnisse und der Kenntnisse der Arbeitsprozesse und technologischen Verfahren, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber oder anderweitig erworben hat, unangemessen und/oder nicht zweckdienlich wäre.

Standpunkt des Verfassungsgerichts zum Rücktritt von einer Wettbewerbsklausel

Die letztgenannte Entscheidung des Obersten Gerichts focht der Arbeitgeber mit einer Verfassungsbeschwerde an. Das Verfassungsgericht entschied am 21. Mai 2021 unter Aktenzeichen II. ÚS 1889/19, der Verfassungsbeschwerde stattzugeben und den Fall zur erneuten Verhandlung an die allgemeinen Gerichte zurückzuweisen. Mit dieser Entscheidung hat das Verfassungsgericht die bisherige Rechtsprechung erheblich geändert.

Ein pauschales Verbot vertraglicher Regelungen, die es dem Arbeitgeber ausdrücklich gestatten, sich während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers von einer Wettbewerbsklausel ohne Angabe eines Grundes zu lösen, welches nur durch gerichtliche Entscheidungen und nicht durch das Gesetz verankert wird, stellt nach Auffassung des Verfassungsgerichts eine verfassungsrechtlich unzulässige richterliche Rechtsfortbildung dar und verstößt gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, den Grundsatz der Willens- und Vertragsfreiheit des Einzelnen sowie die Grundrechte des Arbeitgebers. Das Recht des Arbeitgebers, von einer Wettbewerbsklausel auch ohne Angabe von Gründen zurückzutreten, wenn diese Möglichkeit von den Parteien ausdrücklich vereinbart wurde, bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitnehmer als typischerweise schwächere Partei im Arbeitsverhältnis nicht vor möglicher Willkür oder Missbrauch dieses Rechts durch den Arbeitgeber geschützt werden sollte. Die Gerichte müssen also in jedem Einzelfall prüfen, ob der Rücktritt von einer Wettbewerbsklausel eine Willkür oder einen Rechtsmissbrauch des Arbeitgebers darstellt, dürfen aber nicht ohne Weiteres von einer solchen Willkür oder einem solchen Missbrauch ausgehen.

Das Gericht hat dabei insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:

  • den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber von der Wettbewerbsklausel zurückgetreten ist;
  • wenn der Arbeitgeber kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Wettbewerbsklausel zurückgetreten ist, gilt es zu prüfen, warum er dies nicht schon früher hätten tun können;
  • wenn der Arbeitgeber von der Wettbewerbsklausel ohne Angabe von Gründen zurückgetreten ist, den Grund, aus dem der Arbeitgeber die Verpflichtung der Parteien aus der Wettbewerbsklausel für unerwünscht, unangemessen, unhaltbar oder ungerecht erachtete;
  • Tatsachen, die darauf hindeuten, dass der Arbeitnehmer seine künftige Beschäftigung oder seine künftige berufliche Laufbahn gerade aufgrund der Verpflichtung aus der Wettbewerbsklausel gewählt hat (z.B. weil er einen Beruf gefunden hat, der den Anforderungen des Wettbewerbsverbots entspricht, oder er hingegen ein Arbeitsplatzangebot abgelehnt hat, da es diesen Anforderungen nicht entsprach);
  • Tatsachen, die darauf hindeuten, dass der Arbeitgeber willkürlich handelte oder er sein Recht, von der Wettbewerbsklausel zurückzutreten, missbraucht hat (weil er sich z.B. von der Verpflichtung befreien wollte, dem Arbeitnehmer eine finanzielle Entschädigung zu einem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem er wusste oder hätte wissen können und müssen, dass der Arbeitnehmer seine künftige Beschäftigung oder Laufbahn gerade aufgrund seiner Verpflichtung aus der Wettbewerbsklausel gewählt hat).

Das Verfassungsgericht stellte sich damit auf die Seite der Arbeitgeber, als es ihnen gestattete, die Möglichkeit eines Rücktritts von der Wettbewerbsklausel auch ohne Angabe von Gründen zu vereinbaren. Gleichzeitig wurde damit jedoch auch eine gewisse Unsicherheit geschaffen. Der Arbeitgeber kann nie sicher sein, zu welchem Ergebnis das Gericht in einem möglichen Streit nach Bewertung der oben genannten Kriterien kommen wird. Daher werden Streitigkeiten, die sich (nicht nur) aus Wettbewerbsklauseln ergeben, auch in Zukunft nicht von der Tagesordnung tschechischer Gerichte verschwinden.

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Mgr. Václav Vlk

Attorney at Law (Tschechische Rep.)

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