Ende des Punktesystems bei der Entschädigung von Arbeitsunfällen?

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Gleicher Schaden, gleiche gesundheitliche Folgen, unverhältnismäßig geringerer Sachschadenersatz für Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Personen: Das Verfassungsgericht will die Ungleichheit zwischen arbeitsrechtlichem und allgemeinem zivilrechtlichem Schadenersatz beseitigen. 
Grundsätzlich gilt das Arbeitsgesetzbuch als eine Rechtsvorschrift, die eine umfassende Regelung der Entschädigung für materielle und immaterielle Schäden enthält, die bei der Ausübung von Arbeitsaufgaben oder in unmittelbarem Zusammenhang damit entstehen, wobei die Entschädigung eines Arbeitnehmers im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit nicht ausgeschlossen ist. 

Das Verfassungsgericht hat den Weg für höhere Entschädigungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten geebnet

So findet das Bürgerliche Gesetzbuch keine Anwendung auf die Entschädigung für einen durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit erlittenen Schaden, und die Verletzung in einer zivilrechtlichen Beziehung unterliegt anderen rechtlichen Regeln. Die unterschiedlichen Regelungen, einschließlich der Methode zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung für immaterielle Schäden, führen jedoch nach wie vor zu Ungleichheiten zwischen Personen in vergleichbaren Situationen.  

Bis Ende 2013 galt die Verordnung des Gesundheitsministeriums über die Entschädigung für Schmerzen und soziale Nachteile (Entschädigungserlass), der die Höhe der Entschädigung für Nicht-Vermögensschäden regelte, ohne zu unterscheiden, ob der Schaden oder die Krankheit im Zusammenhang mit der Ausübung von Arbeitsaufgaben auftrat. Mit dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch wurde dieser Erlass jedoch aufgehoben, und die Berechnungsmethode der Entschädigung im Arbeitsrecht wich von der Regelung im Zivilrecht ab. Als Reaktion auf die Aufhebung der Verordnung verabschiedete das Kollegium für Zivil- und Handelsrecht des Obersten Gerichtshofs die Methodik des Obersten Gerichtshofs zur Entschädigung für immaterielle Körperschäden, die vom Obersten Gerichtshof gemeinsam mit der Gesellschaft für Medizinrecht und Vertretern von Versicherern und anderen juristischen und medizinischen Berufen entwickelt wurde. Obwohl es sich nicht um eine verbindliche Rechtsvorschrift handelt, empfiehlt der Oberste Gerichtshof den Richtern dringend, die Methodik zu befolgen, da sie eine umfassende und ausreichend detaillierte Grundlage darstellt, die versucht, alle Faktoren widerzuspiegeln, die bei der Festlegung der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden sollten, und auch die aktuelle wirtschaftliche Situation widerspiegelt, indem sie die monatlichen Bruttomindestgehälter in den sich ergebenden Betrag einbezieht. 

Im Bereich des Arbeitsrechts und damit unter anderem bei der Entschädigung für Schäden durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten hat das Ministerium für Arbeit und Soziales die Methodik des Obersten Gerichtshofs abgelehnt. Stattdessen erließ die Regierung die Verordnung Nr. 276/2015 Slg. über die Entschädigung von Schmerzen und Unannehmlichkeiten, die durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht werden, die begrifflich auf die aufgehobene Entschädigungsverordnung zurückgreift. In der Verordnung wird die Methode zur Berechnung der Entschädigung für den Schaden in Form von Punkten festgelegt. Für jede durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachte Verletzung wird eine Punktzahl festgelegt, die den Schweregrad des Schadens widerspiegelt. Der Wert eines Punktes ist ein fester Betrag von 250 CZK. Es handelt sich um eine verbindliche Rechtsvorschrift, und der nach der Verordnung berechnete Entschädigungsbetrag ist der Mindestbetrag, der dem Geschädigten zuerkannt wird. 

In seinem Urteil aus dem Jahr 2021, Az. II ÚS 2925/20, befasste sich das Verfassungsgericht mit der Klage eines Arbeitnehmers, der vor den ordentlichen Gerichten eine Entschädigung für die Härte seiner sozialen Beschäftigung einklagte. Obwohl sich die Verletzung bei der Ausübung von Arbeitsaufgaben ereignet hatte, machte der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entschädigung nach § 2958 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltend. Die Höhe der Entschädigung wurde in einem auf der Grundlage der Methodik des Obersten Gerichtshofs erstellten medizinischen Gutachten auf über 700 000 CZK beziffert. Die Gerichte kamen jedoch zu dem Schluss, dass es sich in diesem Fall um einen Arbeitsunfall handelte und der Entschädigungsbetrag daher nicht nach der Methodik des Obersten Gerichtshofs berechnet werden konnte, sondern dass die Verordnung und Punktesystem anzuwenden waren. Dabei sprachen die Berufungsgerichte dem Arbeitnehmer eine Entschädigung für die Beeinträchtigung seiner gesellschaftlichen Entfaltung in Höhe von nur 175 000 CZK zu. 

Das Verfassungsgericht hält das erhebliche Missverhältnis zwischen der Höhe des Schadenersatzes, das sich aus der Anwendung unterschiedlicher Berechnungsmethoden ergibt, für verfassungswidrig. Im vorliegenden Fall wurde der Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 1 Absatz 1 der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten verletzt. Es gibt keinen legitimen Grund, der es rechtfertigt, einen Arbeitnehmer anders zu behandeln als Personen, die eine vergleichbare Verletzung erlitten haben, die aber nicht als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit eingestuft wird. 

Auf der Grundlage des oben genannten Urteils des Verfassungsgerichtshofs sind die ordentlichen Gerichte verpflichtet, dem geschädigten Arbeitnehmer eine Entschädigung für den immateriellen Schaden mindestens in der Höhe zuzusprechen, die er unter den gegebenen Umständen in einem zivilrechtlichen Verhältnis erhalten hätte. Diese Schlussfolgerung bedeutet eine deutlich höhere finanzielle Belastung für den Arbeitgeber. Dies könnte dazu führen, dass die Arbeitgeber größere Anstrengungen im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz unternehmen, um Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu vermeiden.

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JUDr. Thomas Britz

Attorney at Law (Tschechische Rep.)

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