Droht den Geschäftsführern eine Haftung für die von der Gesellschaft schuldhaft nicht abgeführte Umsatzsteuer?

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Der Europäische Gerichtshof (nachfolgend nur „EuGH“) hat sich kürzlich mit der Frage befasst, ob das EU-Mehrwertsteuerrecht den Mitgliedstaaten ermöglicht, Haftung eines Organmitglieds (z. B. eines Geschäftsführers) für die von der Gesellschaft schuldhaft nicht abge¬führte Mehrwertsteuer einzuführen, wenn das Organmitglied einer Gesellschaft, deren Finanzlage sich nachteilig entwickelt, wiederholend über Erhöhung seiner Bezüge entschieden hat und die Gewährung dieser erhöhten Bezüge gegen gesetzliche Vorschriften verstößt.

Zu der oben genannten Frage stellte der EuGH zunächst fest, dass eine ge¬samtschuldnerische Haftung von Organmitgliedern nach dem EU-Recht zwar generell zulässig ist, das EU-Recht jedoch keine spezifischen Vorschriften dafür vorsieht. Die rechtliche Regelung der Haftung liege somit im Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten. Dennoch hat der EuGH einen gesetzlichen Rahmen für die Einführung der Haftung für die schuldhaft nicht abgeführte Steuer festgesetzt, vermutlich um Willkür der Mitgliedstaaten zu verhindern.

In seinem Urteil hat der EuGH somit ein Konzept der gesamtschuldnerischen Haftung skizziert, das voll mit dem EU-Recht in Einklang steht und nach den Worten des EuGH nicht über Maßnahmen hinausgeht, die zur ordnungsgemäßen Steuererhebung und zur Verhinderung einer Steuerhinterziehung erforderlich sind. Mit anderen Worten: Der EuGH gibt den Mitgliedstaaten nun eindeutig grünes Licht für die Einführung der in folgenden Absätzen beschriebenen Haftung der Organmitglieder für die schuldhaft nicht abgeführte Mehrwertsteuer.

Nach Beurteilung des EuGHs muss eine Person, die als gesamtschuldnerischer Bürge gilt, in erster Linie als Organmitglied (Geschäftsführer, Vorstandsmitglied usw.) einer Gesellschaft tätig sein, welche die Mehr¬wertsteuer nicht abgeführt hat, und es muss erkennbar sein, dass dieses Organmitglied an Entscheidungen der Gesellschaft mitwirkt.

Zweitens muss die als gesamtschuldnerischer Bürge bezeichnete Person bösgläubig Zahlungen aus dem Betriebsvermögen der juristischen Person leisten, die als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren sind, oder sie muss dieses Vermögen voll oder teilweise unentgeltlich oder zu einem deutlich unter dem Marktpreis liegenden Preis abtreten.

Drittens muss ein Kausalzusammenhang zwischen den bösgläubigen Handlungen der als Gesamtschuldner bezeichneten Person und der Unfähigkeit der juristischen Person, die von ihr geschuldete Mehrwertsteuer zu entrichten, bestehen.

Viertens ist der Umfang der gesamtschuldnerischen Haftung auf den Betrag begrenzt, um den das Betriebsver¬mö¬gen der juristischen Person durch bösgläubige Handlungen des Gesamtschuldners vermindert wird.

Fünftens wird die Haftung nur hilfsweise übernommen, wenn es sich erweist, dass die geschuldete Mehrwertsteuer von der juristischen Person nicht zu entrichten ist.
Der EuGH kommt in dem jetzt kommentierten Urteil auch zu dem Schluss, dass die gesamtschuldnerische Haftung von Organmitgliedern nicht nur auf die nicht abgeführte Mehrwertsteuer zu beschränkten ist, sondern auch eine Haftung für Zinsen umfassen kann, mit denen die juristische Person, einfach ausgedrückt, wegen der Nichtzahlung der Mehrwertsteuer und gleichzeitig wegen der bösgläubigen Handlungen des gesamtschuldnerischen Bürgen geahndet wird.

Abschließend stellt der EuGH fest, dass die Person, die als gesamtschuldnerischer Bürge gilt, durch die gesamtschuldnerische Haftung für die nicht abgeführte Mehrwertsteuer für bestimmte steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen nicht zu einem Unternehmer wird, sondern nur gesamtschuldnerisch für die nicht abgeführte Mehrwertsteuer der juristischen Person (oder die nicht angeführte Mehrwertsteuer für bestimmte Lieferungen dieser juristischen Person), unabhängig von den betreffenden steuerpflichtigen Lieferungen oder sonstigen Leistungen, haftet.

Obwohl die Tschechische Republik eine gesamtschuldnerische Haftung der Organmitglieder für die nicht abgeführten Mehrwertsteuer von Gesellschaften (unter den oben beschriebenen Umständen) derzeit nicht ausdrücklich vorsieht, bedeutet für uns das oben beschriebene Urteil des EuGH, dass die Umsetzung dieser Haftung ins tschechische Steuerrecht in Zukunft nicht ausgeschlossen sei.


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Mgr. Jakub Šotník

Attorney at Law (Tschechische Rep.)

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