BGH: Kein Zuschlag bei erheblichem Kalkulationsirrtum des Bieters

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veröffentlicht am 13. Januar 2015

 

Ein Angebot, das wegen eines Kalkulationsirrtums des Bieters außerordentlich günstig ist, darf nicht bezuschlagt werden.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem der Bestbieter zu einem Preis von rd. 455.000 Euro angeboten, während sich das nächstgünstigste Angebot auf ca. 621.000 Euro belaufen hatte. Der Bestbieter erklärte daraufhin gegenüber der Vergabestelle, in einer Angebotsposition einen fehlerhaften Mengenansatz gewählt zu haben, und bat um Ausschluss seines Angebotes von der Wertung. Die Vergabestelle kam dem nicht nach, sondern erteilte dem vermeintlichen Bestbieter den Zuschlag. Zu Unrecht, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 11. November 2014 (Az.: X ZR 32/14) geurteilt hat: Bieter genießen den Schutz aus § 241 Absatz 2 BGB, der das gesamte vorvertragliche Verhalten im Vergabeverfahren einschließt. Die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Absatz 2 BGB verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber zwar nicht, bei jeglichem noch so geringen Kalkulationsirrtum von der Annahme (Zuschlag) des Angebotes abzusehen. Steht ein Kalkulationsirrtum aber außer Streit, so hängt die Entscheidung nur noch davon ab, ob der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des betroffenen Bieters von der Zuschlagserteilung absehen muss. Verhält es sich so und führt die Vergabestelle den Vertragsschluss herbei, so kann ein Bieter vertraglichen Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüchen ein Leistungsverweigerungsrecht entgegensetzen.

 

Wichtige Aspekte für die Beschaffungspraxis sind:

  • Öffentliche Auftraggeber trifft eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Bieters (vgl. § 241 Absatz 2 BGB).
  • Diese Rücksichtnahmepflicht verletzt die Vergabestelle, wenn sie den Zuschlag auf ein Angebot erteilt, obwohl ihr (1.) bekannt ist, dass es an einem (2.) erheblichen Kalkulationsirrtum leidet.
  • Ein erheblicher Kalkulationsirrtum liegt vor, wenn dem Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr angesonnen werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen.
  • Hat der öffentliche Auftraggeber keine Kenntnis der einen Kalkulationsirrtum und eine Unzumutbarkeit der Vertragsdurchführung begründenden Tatsachen, so ist entscheidend, ob sich die Vergabestelle nach den gesamten Umständen treuwidrig der Kenntnis vom Kalkulationsirrtum verschließt.
  • Auf einen Kalkulationsirrtum kann hindeuten, wenn allein der Abstand zum nächsthöheren Angebotspreis besonders groß ist. Der indizielle Wert der Angebotsstruktur kann aber anders zu bewerten sein, wenn die Angebotssummen ohne signifikanten Abstand zwischen dem günstigsten und den folgenden Angeboten breit gestreut sind.

 

 

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Holger Schröder

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

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