Strenge Anforderungen bei Abberufung und Kündigung von Datenschutzbeauftragten

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veröffentlicht am 27. März 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Zu den Aufgaben des Datenschutzbeauftragten (nachfolgend: DSB) gehört nach Maß­gabe von Artikel 39 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) exemplarisch, den Arbeitgeber in Bezug auf dessen datenschutzrechtliche Pflichten zu unterrichten und zu beraten. Überdies überwacht der DSB die Einhaltung des Datenschutzrechts und sensibilisiert oder schult Mitarbeiter. Was aber machen Arbeitgeber, wenn der zu­nächst für ideal erachtete DSB im Nachhinein primär durch fehlende Leistungs­bereit­schaft oder unqualifizierte Einschätzungen auffällt? 


 

Dieser Frage haben sich bereits mehrere Gerichte und zuletzt auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in zweierlei Entscheidungen gewidmet. Einerseits hat sich der EuGH nunmehr in seiner am 9. Februar 2023 ergangenen Entscheidung in Sachen X-FAB Dresden GmbH & Co. KG (C‑453/21) befasst. Andererseits bereits in seiner „Leistritz AG“-Entscheidung vom 22. Juni 2022 (C-534/20). 
 

Die Entscheidungen Leistritz und X-FAB Dresden GmbH & Co. KG

Beiden Entscheidungen liegt die Frage zugrunde, ob die Abberufung und Kündigung gemäß §§ 6 Abs. 4, 38 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) gegen Art. 38 Abs. 3 DSGVO verstößt. Konkret definiert Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO nämlich, dass der Datenschutzbeauftragte nicht wegen der Erfüllung seiner Aufgaben abberufen oder benachteiligt werden darf. Dieses Schutzniveau überschreitet § 6 Abs. 4 BDSG dahingehend, dass die Abberufung des DSB öffentlicher Stellen nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetz­buchs (BGB) zulässig sei. Auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist gemäß § 6 Abs. 4 BDSG ausschließlich dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, welche zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Dasselbe gilt über den Verweis des § 38 Abs. 2 BDSG für den DSB nichtöffentlicher Stellen immer dann, wenn die Bestellung des DSB verpflichtend ist. 
 
Der EuGH sieht indes keinen Verstoß und konstatiert, dass Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO dahingehend auszulegen sei, dass er strengere nationale Regelungen ermögliche, die eine Abberufung oder Kündigung ausschließlich aus wichtigem Grund zulassen. Das gelte unabhängig davon, ob die Gründe für die Kündigung oder Abberufung mit der Erfüllung der Aufgaben des DSB zusammenhängen. Die §§ 6 Abs. 4, 38 Abs. 2  BDSG sind mithin nach Ansicht des EuGH wirksam. 

In der Entscheidung „X-FAB Dresden GmbH & Co. KG“ thematisierte der EuGH ebenfalls die Frage, wann ein Interessenkonflikt gemäß Art. 38 Abs. 6 DSGVO vorliegt. Der Interessenkonflikt sei jedenfalls dann gegeben, wenn dem DSB – neben seiner Tätigkeit als DSB – Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, im Rahmen derer er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten festlegt. Ob das der Fall sei, das müsse das jeweilige nationale Gericht im Einzelfall auf der Grundlage einer Würdigung aller relevanten Um­stände, insbesondere der Organisationsstruktur des Verantwortlichen oder seines Auftragsverarbeiters, und im Licht aller anwendbaren Rechtsvorschriften, einschließlich etwaiger interner Vorschriften des Verantwort­lichen oder des Auftragsverarbeiters, feststellen. 

 

Differenzierte Betrachtung von Abberufung und Kündigung notwendig 

Unter anderem aus diesen Entscheidungen resultiert, dass die Anwendbarkeit der §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG die deutschen Arbeitsgerichte nunmehr konsequent zwischen der Abberufung des DSB und der Been­digung dessen Arbeitsvertrages differenzieren müssen. Diese Differenzierung findet in der Praxis sogar bereits statt. Konkret existieren etwa gerichtliche Entscheidungen, die besagen, dass ein rein pflichtwidriges Verhalten des DSB nur dann arbeitsrechtlich sanktioniert werden kann, wenn die konkrete Pflichtverletzung auch mit einem Fehlverhalten im Arbeitsverhältnis korreliert (ArbG Heilbronn, Urteil vom 29. September 2022 - 8 Ca 135/22).

 

Für Arbeitgeber bedeutet es indessen, dass sie die Abberufung und Kündigung des DSB sorgfältig vorbereiten müssen. Diese Einschätzung gilt ebenfalls für die Abberufung eines Externen Datenschutzbeauftragten. Hin­ter­grund ist, dass auch für sie keine gesetzlich statuierten Einschränkungen vorgesehen sind. Etwas anderes dürfte allerdings für den der Bestellung als externen DSB zugrunde liegenden Dienstleistungs- oder Beratungs­vertrag gelten. Dieser ist aufgrund des expliziten Wortlauts des § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG ohne wichtigen Grund kündbar. 

 

Der „wichtige Grund“ in der arbeitsrechtlichen Praxis 

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt vor: „wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen bei­der Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann“.

 

Für die betriebliche Praxis übersetzt bedeutet es zunächst, dass ausweislich der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) keine „absoluten“ Kündigungsgründe existieren (BAG, Urteil vom 10. 6. 2010 - 2 AZR 541/09). Vielmehr ist nach Maßgabe dieser Rechtsprechung jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Ob ein Kündigungsgrund einschlägig ist, das wird zunächst danach beurteilt, ob der Sachverhalt abstrakt („an sich“), also typischerweise als wichtiger Grund den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigt. Ist das der Fall, so bedarf es der weiteren Prüfung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertrags­teile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

 

Wie bereits beschrieben, müssen Arbeitgeber diese Prüfung sowohl für die Abberufung als auch die Kündigung des DSB durchführen, wobei der Fokus jeweils auf der Unzumutbarkeit der Fortführung der jeweiligen Tätigkeit beruht. Nach dem Ende seiner Tätigkeit als DSB genießt der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres überdies einen nachwirkenden Kündigungsschutz. 

 

Weitere Voraussetzungen für Abberufung und Kündigung 

Aus aktueller Perspektive nicht final geklärt ist die Frage, ob auch die Übrigen Voraussetzungen des § 626 BGB anzuwenden sind. Das legt der Wortlaut des § 626 Abs. 4 S. 1 BDSG allerdings durch Anordnung der entsprech­en­den Anwendung nahe.

Für die Praxis bedeutet es zunächst, dass Arbeitgeber im Kontext der Abberufung und Kündigung die Erklär­ungs­frist des § 626 BGB beachten müssen. Überdies genügt es selbstredend nicht, dass ein wichtiger Grund objektiv vorgelegen hat, aber nur eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Vielmehr muss eine außer­ordentliche Kündigung auch tatsächlich ausgesprochen worden sein (BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 2 AZR 225/20).

Ferner kann der DSB nach dieser Rechtsprechung die Möglichkeit verwirken, die Unzulässigkeit der Abbe­ruf­ung geltend zu machen. Voraussetzung für die Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist einerseits, dass der Arbeitnehmer seine Rechte für einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt hat (Zeitmoment). Andererseits muss der Arbeitnehmer den Eindruck er­weckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle. Der Arbeitgeber durfte sich in diesem Fall darauf einstellen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Im Ergebnis muss also das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Arbeitgebers dem Interesse des Arbeitnehmers über­wiegen, sodass die Berufung auf die unzulässige Abberufung unzumutbar ist (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7. Dezember 2021 – 5 Sa 113/21).

Im Hinblick auf die ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses müssen Arbeitgeber sich weniger lange gedulden. Hier normiert § 4 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), dass Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage erheben müssen. 

Interessenkonflikt bei gleichzeitiger Bestellung als DSB und Betriebsratstätigkeit

Abschließend stellt sich noch die künftig durch das BAG zu beantwortende Frage, ob die Mitgliedschaft des DSB im Betriebsrat zu einer Interessenkollision führt. Jedenfalls unter Berücksichtigung der früheren Rechts­lage hat das BAG nicht per se eine Interessenkollision angenommen (BAG, Urt. v. 23. 3. 2011 − 10 AZR 562/09).

In der Literatur ist die Frage, ob die Benennung eines Mitglieds des Betriebsrates automatisch eine Interessen­kollision auslöst, umstritten. Es ist insbesondere deshalb fraglich, weil § 79a Satz 2 des Betriebsverfassungs­gesetzes (BetrVG) normiert, dass der Arbeitgeber verantwortlich im Sinne des Art. 4 Abs. 7 DSGVO bleibt, so­weit der Betriebsrat personenbezogene Daten zur Erfüllung seiner Aufgaben verarbeitet.

Aus Sicht der Verfasser besteht dennoch ein Interessenkonflikt. Dies resultiert insbesondere daraus, dass der Betriebsrat die Verarbeitung im Kontext seiner Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte maßgeblich mitde­finieren kann, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Er steht daher einem Verantwortlichen im Sinne des Datenschutzrechts zumindest sehr nahe. 


Handlungsoptionen und Fazit

Die zuvor konturierten Aspekte stellen Arbeitgeber in der betrieblichen Praxis vor erhebliche Herausfor­der­ung­en. Als praktikabelste Lösung dürfte sich insoweit die befristete Bestellung des Datenschutzbeauftragen dar­stellen. Bei externen Bestellungen ist diese unproblematisch möglich. Bei internen Bestellungen muss diese – im Gegensatz zu einem befristeten Arbeitsverhältnis – nicht den Anforderungen des Teilzeit- und Befristungs­gesetzes (TzBfG) genügen. Zwischen der Bestellung und dem zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis kann im Einzelfall sogar zu trennen sein. Der Arbeitgeber ist bei der Befristung in der komfortablen Situation, die Tätigkeit des DSB regelmäßig relativ risikolos evaluieren zu können. Genügt der DSB nicht dem Qualitäts­anspruch des Arbeitgebers, so kann dieser von einer erneuten Berufung nach Fristablauf absehen und ent­weder (intern) auf seine ursprüngliche Position beordern oder (extern) das Vertragsverhältnis beenden. Hat die Bestellung hingegen unbefristet stattgefunden, so muss der Arbeitgeber die zuvor beschriebenen Anforder­ung­en erfüllen.


Besteht dennoch Bedarf eine Kündigung auszusprechen oder den DSB abzuberufen, so sind Arbeitgeber gut beraten, diese sorgfältig und gegebenenfalls mit anwaltlicher Begleitung vorzubereiten.

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