Transaktionsmanagement in der Immobilienwirtschaft mit SAP S/4HANA RE-FX – Die Eigentümerabrechnung

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Von der Nebenkostenabrechnung zur Eigentümerabrechnung

Im Jahr 2023 gab es in Deutschland ca. 43,6 Mio. Wohnungen mit insgesamt ca. 4,025 Mrd. m².  Diese Wohnungen verursachen im Schnitt Neben-/Betriebskosten i. H. v. 2,51 Euro brutto pro m² , was wiederum zu laufenden Kosten i. H. v. 10,1 Mrd. Euro führt. Nach Angaben des Zensus aus dem Jahr 2022 wurden rund 23,06 Millionen Mietwohnungen (vermietete Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum) in Deutschland von verschiedenen Eigentümertypen vermietet.  Demnach teilen ca. 53 % aller Wohnungen das Schicksal, dass diese Kosten i. H. v. 5,4 Mrd. Euro kraft gesetzlicher und / oder privatrechtlicher Regelungen ganz und / oder teilweise auf den Mieter und / oder Pächter umgelegt werden können. Da 43 % der Wohnungen – das entspricht 9,9 Millionen Einheiten –im Besitz privater Eigentümer sind, welche in der Regel nur eine Wohnung vermieten, sind 57 % der Wohnungen, also rund 13,14 Mio., für eine Massenverarbeitung mittels einer geeigneten Softwarelösung prädestiniert. Wenn man dabei bedenkt, dass jede zweite Abrechnung nicht korrekt ist , bedeutet dies, dass bis zu 19,716 Mio. Abrechnungen pro Jahr, inkl. Korrekturen, erstellt werden können bzw. müssen. Ausgenommen hiervon sind dazu noch die Sonderfälle, soweit es sich um Gewerbeimmobilien / -liegenschaften oder andere Spezialimmobilien handelt. 


Wunsch und Wirklichkeit
Dass diese Kosten anschließend 1:1 an den Mieter / Pächter weitergegeben werden können und die Abrechnung nur ein „Knöpfchen drücken“ ist, denken viele. Jedoch stellt in der Realität jede Neben- / Betriebskostenabrechnung eine „wissenschaftliche“ Arbeit für sich selbst dar. Hintergrund dieser Aussage ist die Tatsache, dass jedes Vertragsverhältnis zwischen Mieter / Pächter und Vermieter / Verpächter zwar inhaltlich gleich, jedoch im Zweifel aufgrund eines individuellen Vertrages bestehen kann. Dies führt wiederum dazu, dass bestimmte Kosten vertraglich, gesetzlich und / oder aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH nicht mehr umlegbar sind und / oder werden. 
Demnach kann eine Abrechnung, welche bisher nicht moniert wurde, bis zu 12 Monate (vgl. § 556 BGB) nach Zugang dieser gerügt werden. Kosten aus dem Jahr 2024, die aufgrund einer Abrechnung im Dezember 2025 erhoben wurden, können demnach bis Dezember 2026 gerügt werden. Dies gepaart mit der Tatsache, dass für jede steuerpflichtige Lieferung und Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück jedoch bis zu sechs Monate nach Ausführung der Leistung erst eine Rechnung im Sinne der §§ 14,14a UStG erteilt werden muss, kann zu einem massiven organisatorischen Aufwand bei der Erfassung und Abrechnung von Kosten führen.
Diese Verpflichtung existiert zwar steuerrechtlich, jedoch wird die Regelverjährungsfrist von drei Jahren (beginnend ab dem Jahr der Anspruchsbegründung, daher i. d. R. der Leistungsausführung) davon privatrechtlich nicht tangiert.  Im Worst-Case-Fall bedeutet dies, dass eine Leistung aus dem Jahr 2024 bei einer verspäteten Rechnungsstellung einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand von bis zu 5 Jahren bedeuten kann. Wenn dann noch Abrechnungsfehler durch den Leistungserbringer und / oder Zuordnungsfehler durch den Leistungsempfänger (Vermieter / Verpächter) und dessen Erfüllungsgehilfen dazu kommen, ist Chaos vorprogrammiert. 

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Jahr

​2024
​2025
​2026
​Rechnungsstellung
​X
​Abrechnung
​X
​Einspruchsmöglichkeit
​X

Verzögerung der Rechnungsstellung
​Jahr
​2024
​2025
​2026
​2027
​2028
​2029
​Leistungsausführung  
​X
​Rechnungsstellung
​X
​Abrechnung

​X
​Einspruchsmöglichkeit
​X
Abbildung 1: schematische Darstellung der Laufzeiten

Sollte eine Immobilie bzw. Liegenschaft zwischenzeitlich noch verkauft worden sein, so wird der o. g. Regelprozess zusätzlich durch den im Kaufvertrag individuell geregelten zum Besitz-Nutzen-Lasten-Übergang beeinflusst. Der BNL ist der Zeitpunkt, zu dem das Eigentum wirtschaftlich auf den Käufer übergeht. Dies wird oft mit dem Closing gleichgesetzt. In der Regel ist im Kaufvertrag vereinbart, dass der Besitz-Nutzen-Lasten Wechsel am Tag der Kaufpreiszahlung stattfindet, jedoch ist dies nicht gesetzlich geregelt und daher frei definierbar. 

Flächen- und Vertragsmanagement als Grundlage aller Abrechnung 
Diesem „Wirrwarr“ an Abrechnungsfristen und Modalitäten kann man unseres Erachtens nach nur Herr der Lage werden, wenn die architektonische Sicht und Nutzungssicht den tatsächlichen Gegebenheiten, gemäß den individuellen vertraglichen Vereinbarungen, im System abgebildet wurden. Daher ist es von essenzieller Grundlage, dass die gültigen Zeitscheiben der Mietobjekte und Verträge und deren Bestandteile den rechtlichen Gegebenheiten entsprechen. Jede Änderung der Abrechnungsgrundlage (Dimension Zeit und / oder Fläche) wirkt sich unmittelbar auf das Ergebnis der Neben-/Eigentümerabrechnung aus, vgl. folgendes Beispiel. 

Quelle: eigene Abbildung


Funktionsvielfalt – Chancen im Standard 
An diesen Punkten setzt SAP S/4HANA RE-FX an und bietet bedingt durch ein granulares und stammdatenorientiertes System die benötigte Flexibilität. Dies gepaart mit dem Know-how und der Erfahrung der Abrechner bildet u. E. n. einen strategischen „Erfolgsfaktor“ in Zeiten steigender Kosten und sinkender Erträge. Vorausgesetzt, die Organisation kann die Potenziale der Software ausnutzen, die Aufbau- / Ablauforganisation ist entsprechend ausgestaltet und die rudimentärsten Grundlagen eines internen Kontrollsystems sind etabliert. 
Im SAP werden hierzu z. B. Stammdatenobjekte angelegt, die i. d. R. ein definiertes Zeitscheibenintervall mit einer oder mehreren Mengenbemessungen aufweisen. Durch diese granulare Abbildung von Stamm- und Bewegungsdaten sowie der prozessorientierten Bearbeitung von Tätigkeiten, z. B. Sollstellung, Konditionsanpassung, Abgrenzung, Nebenkostenabrechnung, Optionssatzermittlung, Vorsteueraufteilung und -berichtigung (vgl. § 15 a UStG), ist ein massenhaftes Bearbeiten von Daten über Simulations-, Echt- und Stornierungsläufe erst möglich. 



Unterstützt wird das System dabei durch ca. 130 Standardberichte, 592 Transkationen und die leistungsfähige ALV (SAP List Viewer) Grid Control. ​


Unsere Erfahrungswerte in der Praxis  
Wir raten unseren Kunden aufgrund der Komplexität und der Möglichkeiten des Systems stets einen einfachen Ansatz zu verwenden, damit die Komplexität im stressigen Alltag besser zu händeln ist. So empfehlen wir ihnen so weit wie möglich im Standard zu bleiben, Stammdatenobjekte nach dem Verwendungszweck anzulegen und Objektzuordnungen und Regeln einheitlich abzubilden. Getreu dem Motto: Strukturen schaffen, Qualitätsmanagementsysteme etablieren und Quantitätsergebnisse im Bruchteil der Zeit realisieren. Im Rahmen der Abrechnung lassen sich die Tipps und Tricks wie folgt subsummieren. Aufgrund der Tatsache, dass jede Abrechnung abhängig vom Eigentümer, der Verträge und der Abrechnungsmodalitäten ist, bildet folgende Liste nur eine grobe Zusammenfassung auf Basis der SAP-Abrechnungsschritte. Alle Angaben daher ohne Gewähr. 

1) Ermittlung der Abrechnungshierarchie 
a.Sind alle Stammdatenobjekte gemäß den tatsächlichen Gegebenheiten und den vertraglichen Regelungen gepflegt?
i. Wurden Aufmaße in den Mietverträgen mittels Nachträge mietvertraglich fixiert? 
ii. Wurden alle Nachträge, Insolvenzen, Übergaben, gesetzliche Vertragswechsel, usw. korrekt erfasst? 
b. usw.

2) Ermittlung der Bezugsgröße 
a. Sind alle Stammdatenobjekte mit den richtigen Größen gepflegt und wurden die korrekten Größen in allen Elementen der Abrechnungshierarchien (z. B. Wirtschaftseinheiten, Gebäude, Mietobjekte, Verträge, Abrechnungseinheiten, Teilnahmegruppen, usw.) gepflegt? 
b. usw.

3) Kosten auf Abrechnungseinheit 
a. Sind alle in Rechnung gestellten Kosten gemäß den tatsächlichen Gegebenheiten, erfasst und bezahlt worden? 
b. Fehlt ein Skonto oder Bonus, welcher die tatsächlichen umlegbaren Kosten reduziert? 
c.Sind Kosten falsch dimensioniert, da falsche Masse (z. B. Flächenangaben, Zählerstände, usw.) zur Berechnung herangezogen wurden? 
d.Entspricht das Datum der Lieferung und Leistung dem Abrechnungsjahr? 
e. usw.

4) Ermittlung Vorauszahlungen 
a. Sind alle Vorauszahlungen/Pauschalen korrekt erfasst und in den Stammdaten des Vertrages hinterlegt? 
b. Wurden Pauschalen vereinbart und müssen diese ggf. erhöht werden? 
c. usw.

5) Externe Abrechnung 
a. Sind alle Heizkostenverteiler/Wärmemengenzähler, usw. korrekt abgelesen und entsprechen die ermittelten Werte den Vorjahren und/oder den tatsächlichen Gegebenheiten?
b. Ist die Heizfläche korrekt erfasst, oder sind Balkonflächen, usw. enthalten? 
c. usw.

6) Verteilung der Kosten
a. Werden in Summe pro Nebenkostenschlüssel und Abrechnungseinheit tatsächlich 100 % der Kosten verrechnet oder ggf. sogar mehr oder weniger Kosten? 
b. Entsprechen die Kosten ggf. einer Vergleichsgrundlage, z. B. durchschnittliche Kosten pro m² pro Kostenart, lt. deutschem Mieterbund, usw.? 
c. usw.

7) Guthaben/Forderungen berechnen 
a.Entsprechen die Guthaben/Forderungen den tatsächlichen Gegebenheiten und/oder kann es nicht sein, dass Leerstände und/oder vertragliche Anpassungen durch den Gesetzgeber und/oder einen Nachtrag nicht berücksichtigt wurden? 
b. ​​Sind Nachforderungen aus anderen Jahren nachträglich umlegbar? 
c.usw.

8) Simulation des Buchens der Kosten
a. Entsprechen die Gesamtkosten pro Nutzungseinheit den Kosten der Vorjahre? 
b. Sind Abweichungen bei den Kosten erklärbar?
c. Sind alle nicht gezahlten Kosten gemäß den vertraglichen Regelungen auf die Nutzereinheiten gebucht worden, z. B. Verwaltungskosten bei Gewerberaummietverträgen gemäß den tatsächlich gezahlten Ist-Mieten? 
d. Usw. 

Fazit
Aufgrund der Vielfalt der Anforderungen fiel im Jahr 2000 die Entscheidung eine komplett neue funktional umfassende Lösung aufzusetzen, die technisch auf dem neuesten Stand der Softwarearchitektur basiert. Wegen der für das Produkt angestrebten Flexibilität wurde die Software RE-FX genannt. Hierbei steht FX für flexibel. Das Vorgängerprodukt wurde RE Classic genannt. 
Jedoch ist jede Software nur so gut wie die verwendeten Stamm-/Bewegungsdaten. Daher ist neben einem bedarfsgerechten Customizing eine entsprechende Aufbau-/Ablauforganisation mit Prüfung-/Korrekturinstanzen notwendig. Denn jede Änderung am kleinen Zahnrad im Maschinenraum der Daten führt zu einer Veränderung der Taktung/Zusammenspiel im Maschinenraum.






Kontakt

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Marcel Schuchardt

Senior Consultant SAP Finance

+49 6864 8906 659 65

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