Employer of Record: Chancen und Grenzen im Zeitalter des Fachkräfte­mangels

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veröffentlicht am 26. Februar 2024 | Lesedauer ca. 7 Minuten

 

Eines der größten Probleme, dem viele Unternehmen gegenwärtig gegenüberstehen, ist der Fachkräftemangel. Ein Ausweg von Unternehmen ist, Mitarbeiter auf dem internationalen Markt zu suchen und anzustellen. Aus verschiedenen Gründen ist es für diese Unternehmen keine Option, eine Niederlassung zu gründen, sondern sich zum Beispiel der zahlreichen Angebote von sogenannten „Employer of Record“ (EoR) zu bedienen. Die Anzahl der Anbieter dieses Beschäftigungsmodells und die Angebote sind zahlreich, obwohl die rechtlichen Aspekte noch nicht endgültig geklärt sind. Nachfolgend erläutern wir, wie das Modell EoR funktioniert, in welchen Grenzen es für Unternehmen attraktiv sein kann und auf welche rechtlichen und steuerlichen Aspekte zu achten ist.

 


Wie funktioniert das Modell „Employer of Record“?

Als EoR wird eine Organisation bezeichnet, die als Arbeitgeber die offizielle Einstellung der Arbeitnehmer (im Ausland) übernimmt und diese Arbeitnehmer an die jeweiligen Unternehmen überlässt. Der EoR übernimmt dabei sämtliche Compliance-Verpflichtungen in Zusammenhang mit den Arbeitnehmern im Ausland.

Im internationalen Kontext funktioniert dieses Modell folgendermaßen: Ein in Deutschland ansässiges Unter­nehmen (Entleiher), das beabsichtigt, einen Arbeitnehmer im Ausland zu beschäftigen und schließt einen Dienstleistungsvertrag mit einem EoR (Verleiher) mit Sitz im jeweiligen Ausland ab. Gemäß diesem Vertrag übernimmt der EoR die zivilrechtliche Einstellung des Arbeitnehmers im Ausland über eine eigene Gesellschaft.

Dies beinhaltet die Abwicklung von sämtlichen mit der Anstellung verbundenen Aufgaben und Verpflichtungen wie z.B. die Lohnabrechnung, die Meldung der Beschäftigung bei den örtlichen Behörden und die Überwachung der Einhaltung lokaler Arbeitsschutzvorschriften. Gleichzeitig überträgt der EoR das Weisungsrecht an das deutsche Unternehmen, behält jedoch die Verantwortung für die Umsetzung disziplinarischer Maßnahmen auf Anweisung des deutschen Unternehmens.

Der EoR stellt einen Vertragsarbeitgeber dar, während das deutsche Unternehmen als faktischer oder tatsächlicher Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer auftritt und berechtigt ist, Anweisungen an den ausländischen Arbeitnehmer zu erteilen. Die Kosten, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Arbeit­nehmers anfallen, zuzüglich eines Entgeltes für den EoR, werden von dem deutschen Unternehmen getragen.

Wichtige rechtliche und steuerliche Aspekte des Models „Employer of Record“

Die Vorteile dieses Modells bei einem grenzüberschreitenden Personaleinsatz sind offensichtlich: Der EoR verspricht eine rechtskonforme Beschäftigung der Arbeitnehmer im Ausland und entlastet deutsche Unter­nehmen von bestimmten Aufgaben, wie beispielsweise der lokalen Lohnabrechnung, deren Abwicklung im Kontext grenzüberschreitender Tätigkeiten oft als problematisch angesehen wird. Darüber hinaus behält das deutsche Unternehmen die Autonomie bei der Auswahl seiner Mitarbeiter und hat Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitsverträge.

Der Weg über einen EoR wirft zahlreiche Fragestellungen auf. Das Einbeziehen eines EoR begründet ein Dreiparteienverhältnis. Es liegt auf der Hand, dass dem deutschen Arbeitgeber zusätzliche Kosten entstehen, denn der EoR lässt sich seine Dienstleitung vergüten. Des Weiteren führt die Anstellung des Arbeitnehmers über den EoR dazu, dass der tatsächliche Arbeitgeber bei diesem Modell weniger Einfluss auf den Arbeit­nehmer ausüben kann, da disziplinarische Anweisungen in der Regel vom EoR ausgehen. Das Zugehörig­keits­gefühl des Arbeitnehmers zu seinem tatsächlichen Arbeitgeber dürfte dadurch auch weniger stark ausgeprägt sein. 

In der Praxis ergeben sich zahlreiche rechtliche Fragestellungen, wie zum Beispiel die Einordnung als Arbeit­nehmerüberlassung. Das Modell EoR kommt einer Arbeitnehmerüberlassung sehr nahe. Eine Arbeit­nehmer­­über­­lassung unterliegt in Deutschland strengen regulatorischen Vorschriften. 

Grundsätzlich gilt, dass eine Arbeitnehmerüberlassung nur zeitlich befristet erlaubt ist. Auch ausländische Regelungen können eine Befristung vorsehen. Daher ist immer eine Prüfung der Anwendbarkeit des jeweiligen Rechts vorzunehmen. 

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten fragt sich, ob das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) Anwendung findet. Gemäß dem Grundsatz des Territorialitätsprinzips fällt jede Form der Arbeit­nehmer­über­lassung, die in, nach oder aus Deutschland erfolgt, unter die Zuständigkeit des deutschen Rechts. Dabei ist zu beachten, dass der Verleiher im Ausland ansässig ist, und der überlassene Arbeitnehmer seine Tätigkeit ebenfalls im Ausland ausübt. Da beide Personen außerhalb des deutschen Staatsgebiets tätig sind, finden die Bestimmungen des AÜG auf sie grundsätzlich keine Anwendung.

Eine andere Situation ergibt sich hingegen beim Entleiher, da sich dieser in Deutschland befindet. Gemäß den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ist das deutsche AÜG nicht auf den Entleiher anwendbar. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es unterschiedliche Positionen zu diesem Thema, wobei einige vertreten, dass das deutsche AÜG auch auf den Entleiher in Deutschland zutrifft. Allerdings ist dieser Streit­punkt in der Praxis irrelevant, da das AÜG für den Entleiher nur wenige Verpflichtungen vorsieht. Es ist jedoch zu beachten, dass ausländisches Recht berücksichtigt werden muss. Es ist möglich, dass das Modell EoR eine Form der Arbeitnehmerüberlassung gemäß dem jeweiligen ausländischen Recht darstellt und dieses Recht spezifische Pflichten für den (deutschen) Entleiher vorsieht.

Die Situation ändert sich, wenn der ausländische Arbeitnehmer Aufenthalte in Deutschland hat, z.B. eine kurzzeitige Dienstreise nach Deutschland unternimmt. Selbst wenn der Leiharbeitnehmer die deutsche Staatsgrenze nur kurzzeitig überschreitet, um Arbeitsleistungen in Deutschland zu erbringen, ist das AÜG nach dem Territorialitätsprinzip grundsätzlich anwendbar. Dies kann folgende Konsequenzen haben: Gemäß § 9 AÜG würde der Arbeitsvertrag zwischen dem EoR und dem Arbeitnehmer unwirksam, sofern der EoR in seiner Eigenschaft als Verleiher nicht im Besitz einer Erlaubnis gemäß AÜG ist. Ebenfalls gemäß § 9 AÜG tritt die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags ein, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich im Arbeits­vertrag benannt wurde, die zulässige Überlassungshöchstdauer überschritten wurde oder gegen den Grundsatz der Gleichstellung verstoßen wurde. Sobald einer der in § 9 AÜG genannten Unwirksamkeitsgründe vorliegt, gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zustande gekommen.

Darüber hinaus birgt eine illegale Arbeitnehmerüberlassung das Risiko der Begehung einer Ordnungswidrigkeit. Konkret erfüllt beispielsweise der Entleiher, der einen ihm von einem Verleiher ohne Erlaubnis der Bundes­agentur für Arbeit überlassenen Leiharbeitnehmer tätig werden lässt, den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 16 AÜG. Die Verwirklichung dieser Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

In diesem Zusammenhang ergeben sich gleichfalls vielfältige Fragestellungen bezüglich des Aufenthaltsrechts. Es ist zu beachten, dass für Drittstaatsangehörige, die Deutschland im Rahmen einer Dienstreise besuchen, ein Visum erforderlich ist. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu versagen, wenn der Ausländer als Leiharbeitnehmer tätig werden will. Daher erfordert es eine detaillierte Einzelfallprüfung, um festzustellen, ob ein Drittstaatsangehöriger, der durch den EoR angestellt wurde, nach Deutschland einreisen darf.

Im Bereich des Sozialversicherungsrechts ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Beantragung einer A1-Be­scheinigung als auch die Ausstellung einer Bescheinigung bei Dienstreisen aus nicht-EU-Ländern im Falle einer (illegalen) Arbeitnehmerüberlassung problematisch sein können. Daher ist eine gründliche Einzelprüfung erforderlich.

Steuerrechtlich sind folgende Aspekte zu beachten: EoR schließt das Betriebsstättenrisiko im Ausland nicht aus. In Abhängigkeit von der lokalen Steuergesetzgebung sowie des einschlägigen Doppelbesteuerungs­ab­kommens (DBA) kann durch das Modell EoR eine Betriebsstätte im Ausland begründet werden. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Entleiher im Ausland etwaige Pflichten als potenzieller (wirtschaftlicher) Arbeitgeber hat.

Sofern der Arbeitnehmer Arbeitstage in Deutschland vollbringt, ist der Verleiher gemäß § 38 EStG zum Lohn­steuer­einbehalt in Deutschland verpflichtet. Unter bestimmten Bedingungen kann ein Antrag auf Freistellung von der Lohnsteuereinbehaltungspflicht gestellt werden, sofern das jeweilige DBA das Besteuerungsrecht dem Ausland zuweist. Bei Arbeitstagen außerhalb Deutschlands besteht keine Lohnsteuereinbehaltungspflicht gemäß § 38 EStG.

In Bezug auf die Arbeitnehmerebene ist zu beachten, dass bei Arbeitstagen des Arbeitsnehmers in Deutschland die Gefahr der Doppelbesteuerung droht, da der Ansässigkeitsstaat (Ausland) und der Tätigkeitsstaat (Deutschland) auseinanderfallen. In diesem Fall sollten die Regelungen des einschlägigen DBAs herangezogen werden. Es ist ebenfalls zu prüfen, ob das jeweilige DBA eine Sonderregelung zur Arbeitnehmerüberlassung enthält. Falls dies der Fall ist, unterliegen die Arbeitstage in der Regel auch in Deutschland der Steuerpflicht. Sofern keine Sonderregelung besteht, gelten die allgemeinen Grundsätze für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß dem einschlägigen DBA. Arbeitstage, die außerhalb von Deutschland vollbracht werden, sind nicht in Deutschland steuerpflichtig, da der Ansässigkeitsstaat und der Tätigkeitsstaat im Ausland liegen.

Wie können Risiken minimiert werden?

Das hängt zum einen an der Frage, ob das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zur Anwendung kommt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 26. April 2022 (Az. 9 AZR 228/21) festgestellt, dass, wenn ein Leiharbeitnehmer aus dem Ausland unerlaubt gemäß § 1 AÜG ins Inland überlassen wird, die Verletzung der Erlaubnispflicht nicht zur Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags nach § 9 Nr. 1 AÜG führt, sofern das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. Das AÜG kann auch nicht als international zwingend anwendbare Norm angewendet werden. Nach der Rechtsprechung des BAG stellt § 9 Nr. 1 AÜG aF keine Eingriffsnorm im Sinne von Art. 9 I Rom I-VO dar. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die ausländische Rechtsordnung eine Rechtsfolge vorsieht, die mit den Bestimmungen der §§ 9 und 10 des AÜG vergleichbar ist. Daher ist es wichtig, die Vorschriften der ausländischen Rechtsordnung zu kennen und zu beachten. Es ist ebenfalls zu empfehlen, sich über besondere Bestimmungen bezüglich der Arbeitnehmerschutzrechte im Einsatzland im Klaren zu sein. Der deutsche Arbeitgeber ist verpflichtet, insbesondere bei der Erteilung von grenzüberschreitenden Weisungen, die Gesetze zu beachten, die im Ausland zum Schutz der Arbeitnehmer gelten.

Bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit sollte ebenfalls beachtet werden, dass auch bei vorübergehender Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers in Deutschland bestimmte Vorschriften des deutschen Rechts zur Anwendung kommen. Da eine Dienstreise nach Deutschland wahrscheinlich als Entsendung im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) betrachtet wird, sind beispielweise gemäß § 2 AEntG die Regelungen über Arbeitsbedingungen, insbesondere über die Entlohnung, den bezahlten Mindestjahresurlaub, die Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Ruhepausenzeiten zwingend anzuwenden. Daher ist ein Monitoring über die Einsatzorte eines Arbeitnehmers, der über einen EoR beschäftigt ist, empfehlenswert, etwa durch Führen eines Reisekalenders.

Fazit

Das „Employer of Record“-Konstrukt ist ein neues Beschäftigungsmodell, das in Deutschland noch nicht explizit geregelt ist. Es ähnelt der Arbeitnehmerüberlassung, weshalb dessen Regelungsgrundsätze Anwendung finden sollten. Dieses Model scheint Vorteile zu bieten, regelmäßig wenn es um eine auf Zeit angelegte Tätig­keit im Ausland geht. Jedoch empfiehlt sich in jedem Fall eine Prüfung, bevor ein Mitarbeiter im Ausland über einen EoR eingestellt wird. Insbesondere sollte überprüft werden, ob die Einstellung des Mitarbeiters über das Modell „Employer of Record“ im Einsatzland erlaubt ist und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist. In den meisten Fällen ist diese Form der Arbeitnehmerüberlassung nur befristet möglich, weshalb eine dauerhafte Beschäftigung im Rahmen eines EoR-Modells grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Es kann sich allerdings für eine zeitliche Überbrückung eignen, zum Beispiel zur Erkundung des lokalen Marktes, bis eine Entscheidung über einen Markteintritt mit einem entsprechenden (gesellschafts-)rechtlichen Setup getroffen worden ist. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn absehbar ist, dass ein ausländischer Arbeitnehmer voraussichtlich Arbeitstage in Deutschland haben wird. Es ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass bestimmte Vorschriften des deutschen Rechts auch bei einer kurzzeitigen Tätigkeit des ausländischen Arbeitnehmers in Deutschland anwendbar sind. Bei Drittstaatsangehörigen ist auf die Besonderheiten des Aufenthaltsrechts zu achten. Hinsichtlich des Steuerrechts sollte beachtet werden, dass das Model „Employer of Record“ das Betriebsstättenrisiko nicht grundsätzlich ausschließt. Die lokale Steuergesetzgebung und das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sind relevant und müssen geprüft werden.
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