Steuerung und Überwachung einer digitalisierten Pflegeeinrichtung: Continuous Auditing

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Digitalisierte Prozesse führen dazu, dass wichtige Daten in Echtzeit vorhanden sind. Die interne Überwachung erfolgt durch Continuous Monitoring. Die externe Überwachung durch den Wirtschaftsprüfer wird sich durch Continuous Auditing ebenfalls deutlich verändern.







Digitalisierung in der Pflege steht erst am Beginn

Bislang hat die Digitalisierung in Pflegeein­richtungen noch nicht richtig Fuß gefasst. Es gibt vereinzelte Ansätze wie die digitale Bewohnerakte in der stationären Pflege oder Tablets beim Einsatz in der ambulanten Pflege. Eine einheitliche und voll digitalisierte Prozesskette von der Bewohner­aufnahme bis zum Zahlungseingang ist in der Praxis nicht anzutreffen. Es gibt etliche Schnittstellen und Medienbrüche auf dem Weg der Daten zwischen Verwaltung, Pflege, Dokumentation der pflegerischen Tätigkeiten, Qualitätssicherung, Abrechnung und Zahlungs­eingang. Oft werden Daten mehrfach erfasst und vorgehalten, Prozesse sind umständlich, zudem ist die IT-Affinität bei den Pflegekräften unterschiedlich ausgeprägt.


Die Digitalisierung der Pflegebranche wird aber von zwei Seiten vorangetrieben:
  • Vom Wettbewerbsdruck: Voll digitalisierte Prozesse bieten immense Chancen auf schlanke, effiziente Verwaltungs­strukturen. Pflegekräfte können von der oft als lästig empfundenen Dokumentation weitgehend durch elektronische Unterstützung entlastet werden, es bleibt wieder mehr Zeit für die originäre Leistung am Pflegebedürftigen.
  • Von der Gesetzgebung: Die gesetzliche Verankerung der vollelektronischen Abrechnung in der Pflegeversicherung im Rahmen des zweiten Bürokratieentlastungsgesetzes zeigt klar, welche Bedeutung der Gesetzgeber der Digitalisierung der Pflegebranche beimisst.

 

Gesetzgeber „zwingt” das Gesundheitssystem in die Digitalisierung – Beispiel E-Health-Gesetz

Das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz)” ist zum 29. Dezember 2015 in Kraft getreten. Das Gesetz enthält einen Fahrplan für die Einführung einer digitalen Infrastruktur mit höchsten Sicherheits­standards und die Einführung nutzbringender Anwendungen auf der elektronischen Gesundheitskarte. Ziel ist es, die Chancen der Digitalisierung für die Gesundheitsversorgung wahrzunehmen und schneller nutzbringende Anwendungen einzusetzen. Die Organe der Selbstverwaltung erhalten darin klare Vorgaben und Fristen, die bei Nichteinhaltung zu Sanktionen führen werden. Die Schwerpunkte der Regelungen sind unter anderem die zügige Einführung und Nutzung medizinischer Anwen­dungen (modernes Versicherten­stamm­daten­management, Notfalldaten, elektronischer Arztbrief und einheitlicher Medikationsplan), Erstellung eines Interoperabilitäts­verzeichnisses zur Verbesserung der Kommunikation verschiedener IT-Systeme im Gesundheitswesen sowie Förderung telemedizinischer Leistungen (Online-Videosprechstunde, telekonsiliarische Befund­beurteilung von Röntgenaufnahmen usw.).

 

Pflegebedürftige und Pfleger als Gewinner der Digitalisierung

Aktuell geht ein großer Teil der produktiven Arbeitszeit der Pflegekräfte für Dokumentation verloren. Durch einen strukturierten digitalen Prozess wird es den Pflegekräften ermöglicht, die Dokumentation mit modernen Hilfsmitteln durchzuführen. So kann mit einem Tablet und einer entsprechenden App aus verschiedenen Textbausteinen ausgewählt werden. Abhängig von der Pflegestufe werden nur zulässige Pflegeleistungen durch die App vorgeschlagen. Daten sind bereits aus der einheitlichen Datenhaltung und der elektronischen Bewohnerakte vorhanden, eine Mehrfacheingabe entfällt. Denkbar ist auch eine Art „Siri” für die Datenerfassung, also Diktieren der durchgeführten Pflegehandlungen im Dialog mit einem digitalen System.


Dadurch, dass die Pflegekräfte von überbordender Bürokratie und Dokumentation entlastet werden, bleibt wieder wesentlich mehr Zeit für die originäre Pflegeleistung. Dies erhöht die Bewohnerzufriedenheit und sorgt damit auch mittelbar für bessere Belegung. Die Mitarbeiter­zufriedenheit dürfte ebenfalls steigen, die derzeit hohe Fluktuation und der Fachkräftemangel könnten reduziert werden.

 

Was bedeutet Digitalisierung für Steuerung und Überwachung einer Pflegeein­richtung?

Durch die Digitalisierung sind alle Daten immer in Echtzeit vorhanden und auswertbar.

Für die Steuerung einer Pflegeeinrichtung bedeutet dies, dass wichtige Leistungsindikatoren wie z.B. Belegung, Krankheitsquote und Fachkraftschlüssel taggleich vorhanden sind. Dadurch ist äußerst schnelles Steuern und Eingreifen möglich, wenn bestimmte Zielgrößen nicht erreicht sind.


Aber nicht nur wirtschaftliche Kennzahlen sind permanent abrufbar, auch medizinische und pflegerische Daten stehen in Echtzeit zur Verfügung. Abweichungen vom Sollzustand in Qualität, Hygiene oder Dokumentation werden sofort erkannt, es kann zeitnah gesteuert werden.

 

Gefahr der Datenmanipulation steigt

Wenn Daten nur noch digital vorliegen, so steigt dadurch auch die Gefahr der internen und externen Daten­manipulation.


Systeme, Prozesse und Daten müssen deshalb so strukturiert werden, dass dolose Handlungen und Cyber­kriminalität verhindert oder zumindest erschwert werden. In diesem Zusammenhang entstehen derzeit gerade mehrere neue Formen der internen und externen Überwachung von Prozessen und Daten:
  • Continuous Monitoring
  • Continuous Auditing

 

Beide Verfahren sind geeignet, um kontinuierlich und systemübergreifend die Datenbasis eines Unternehmens zu durchleuchten und stichhaltige Hinweise zu Fraud- und Compliance-Risiken zu geben. Oft werden die beiden Methoden miteinander verwechselt, da beide IT-gestützte Lösungsansätze zur kontinuierlichen Prozess­analyse liefern: Continuous Monitoring beschreibt die kontinuierliche Überwachung von Prozessen, Continuous Auditing hingegen die kontinuierliche Prüfung.


Continuous Monitoring

Interessant ist ein Continuous Monitoring System für alle Pflegeeinrichtungen, unabhängig, ob die Pflege ambulant, stationär oder teilstationär erfolgt. Continuous Monitoring-Systeme eignen sich für repetitive Prozesse mit hoher Risiko­an­fälligkeit. Die Grundlage bildet das Zusammenspiel aus technischer und fachlicher Expertise.


Technisch betrachtet handelt es sich bei Continuous Monitoring um eine automatisierte Echtzeit-Überwachung von Daten und Systemen. Aufgrund einer weitgehend automatisierten und strukturierten Analyse der Daten erhält die Unternehmens­steuerung / Heimleitung / Pflegedienst­leitung zeitnah die Gewissheit, ob sich die relevanten Prozesse innerhalb der gesetzten (Risiko-)Leitplanken bewegen. Die fachlichen Vorgaben für diese Leitplanken setzen sich zusammen aus den definierten operativen Risiken, den zugehörigen Kontrollen sowie ausgewählten Leistungskennzahlen. Prozessab­weichungen werden identifiziert; anschließend erfolgt die Bewertung und Bearbeitung der Prozessabweichung innerhalb der Organisation nach einem festgelegten Vorgehen. Die verursachende Fachabteilung wird aufgefordert, eine Einschätzung des Sachverhalts abzugeben, um die Fehlerherkunft zu identifizieren und eventuelle Schwächen im Prozess zu korrigieren.


Die verfolgten Ziele eines Continuous Monitoring Systems sind:
  • die kontinuierliche Verbesserung der operativen Performance der Kern- und Unterstützungsprozesse (angefangen bei den Kernprozessen wie der Bewohner(daten)aufnahme, der Leistungserbringung und deren Dokumentation sowie der anschließenden Fakturierung der erbrachten Leistungen, aber auch bei Unterstützungs­prozessen wie beispielsweise der Personalverwaltung und der Materialbeschaffung)
  • die kontinuierliche Entlastung des Managements in der Linie, da diese Aufgaben weitgehend automatisiert werden

 

Continuous Auditing durch den Wirtschaftsprüfer

Viele Pflegeeinrichtungen lassen ihren Jahresabschluss entweder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder auch freiwillig durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen.


Die Abschlussprüfung erfolgt dabei regelmäßig in einem oft nicht unerheblichen zeitlichen Abstand zum Bilanzstichtag. Ein sog. „Fast Close”, also ein Jahresabschluss, der in sehr enger zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag steht, ist bei Pflegeeinrichtungen bislang eher wenig ausgeprägt.


Gleichzeitig entspricht die Abschlussprüfung und damit auch die Verifizierung der (digitalen) Daten eine geraume Zeit nach dem Bilanzstichtag nicht mehr den (heutigen) Erwartungen des Adressatenkreises eines Jahresabschlusses. Ein Ansatz, der sowohl der Forderung nach kontinuierlichen Prüfungshandlungen als auch den Forderungen nach einem Fast Close gerecht wird, ist das Continuous Auditing. Durch ständige Überprüfung des Internen Kontrollsystems der Pflegeeinrichtung bzw. des Trägers erfolgt eine sehr hohe und taggleiche Prüfungssicherheit.


Wie auch beim Continuous Monitoring werden Leitplanken für das Continuous Auditing festgelegt, mit dem Unterschied, dass die kritischen Größen diesmal durch den Abschlussprüfer definiert werden; bei Abweichungen wird ebenfalls der Abschlussprüfer informiert.


Continuous Auditing kommt sowohl präventiv bei der Vergabe von Berechtigungen und der Durchführung von Kontrollen als auch detektiv bei der Analyse von Geschäftsvorfällen zum Einsatz. Für den Wirtschaftsprüfer liegt das Ziel des Continuous Auditing in einer effizienteren Prüfung des Internen Kontrollsystems und mittelbar in einer höheren Verlässlichkeit desselben.


Dadurch wird die Abschlussprüfung dem steigenden Bedarf nach einer noch stärker systemorientierten und zudem kontinuierlichen Prüfungshandlung bei wachsender IT-Unterstützung der Unternehmens­prozesse gerecht. Neben einer stetigen Verbesserung des Kontrollniveaus durch automatisierte Kontrollen soll auch die Prüffrequenz erhöht werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Continuous Monitoring ist die Verhinderung von dolosen Handlungen, sofern das System zu einem integrierten Fraud Prevention Management System weiterentwickelt wird.


zuletzt aktualisiert am 15.02.2017

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Bernd Vogel

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

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