Der Umwelt- und Klimaschutz in aktuellen gerichtlichen Entscheidungen – Was erwartet Unternehmen in Deutschland?

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veröffentlicht am 15. Juni 2021

 

Mit seinem Urteil vom 3. Juni 2021, Rs. C-635/18, hat die siebte Kammer des Europäischen Gerichtshofs entschieden, dass Deutschland im Zeitraum von 2010 bis 2016 die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) aus der Richtlinie für Luftqualität in 26 der 89 beurteilten Gebiete und Ballungsräume „systematisch und anhaltend überschritten” habe. Im Übrigen stellten die Luxemburger Richter fest, Deutschland habe gegen seine Verpflichtung verstoßen, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung in den 26 betroffenen Gebieten so kurz wie möglich zu halten. Der Gerichtshof hat der Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission gegen Deutschland aus dem Jahr 2018 damit für die vorgenannten Zeiträume in vollem Umfang stattgegeben.

 

Dem Vorwurf der Kommission liegen die Vorgaben der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa zugrunde, wonach für Stickstoffdioxid (NO2) ab dem 1. Januar 2010 Grenzwerte von 40 µg/m³ im Jahresmittel und von 200 μg/m³ im Stundenmittel vorgeschrieben wurden. Neben der Bestimmung der einzuhaltenden Grenzwerte sieht die Richtlinie eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, bei drohender Überschreitung einer oder mehrerer einschlägiger Alarmschwellen, Aktionspläne aufzustellen, in denen die Maßnahmen angegeben werden, die kurzfristig zur Gefahreneindämmung und Begrenzung der Dauer der Überschreitung zu ergreifen sind.

 

Mit dem Urteil sind zunächst keine unmittelbaren Sanktionen verbunden. Allerdings kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof erneut anrufen, sollte Deutschland dem Urteil des Gerichtshofes nicht Folge leisten und im Zuge der erneuten Befassung die Verhängung finanzieller Sanktionen vorschlagen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs verschärft damit deutlich den Druck auf die nächste Bundesregierung, wirksamere Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxidemissionen zu ergreifen.

 

Stickstoffoxide entstehen als Produkte unerwünschter Nebenreaktionen bei Verbrennungsprozessen. Zu den Hauptemittenten von Stickoxiden zählen neben Verbrennungsmotoren auch Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr die bedeutendste Schadstoffquelle. Damit ist nicht nur im Verkehrssektor mit einschneidenden Maßnahmen zu rechnen. Auch für die Industrie und den Energiesektor dürfte die Entscheidung weitreichende Folgen haben.

Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz (wir berichteten) und dem viel diskutierten Klimaschutz-Urteil gegen Shell in Den Haag zeigt sich eine deutliche Zeitenwende in der Rechtsprechung.

 

Immer mehr Gerichte treffen weitreichende Entscheidungen zur Bewältigung des Klimawandels. Während der Klimaschutz-Beschluss der Karlsruher Richter darauf abzielte, in der Klimaschutzpolitik nachzuschärfen und die entsprechenden gesetzlichen Regelungen durch den Gesetzgeber überarbeiten zu lassen, wurde mit der Entscheidung gegen Shell in Den Haag ein Unternehmen dazu verpflichtet, seine hohen Emissionen zu verringern und so seiner Sorgfaltspflicht aus der eigenen Gefahrschaffung nachzukommen.

 

Ob auch deutsche Unternehmen mit entsprechenden Klagen rechnen müssen, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen. In jedem Falle dürfte die veränderte Beurteilung der einzuhaltenden  Verkehrssicherungspflichten durch Unternehmen im Hinblick auf die von ihnen geschaffenen Gefahrenquellen für Klima und Umwelt auch bei deutschen Gerichten Beachtung finden.

 

Die Entwicklungen in der Rechtsprechung, den Schutz von Umwelt und Klima stärker  in den Fokus der gerichtlichen Praxis zu nehmen, stellt nicht nur die Politik vor neue Herausforderungen, sondern lässt für die Industrie und den Energiesektor erhebliche Konsequenzen erwarten. Unternehmen werden mehr denn je gehalten sein, ihre Emissionen auch einer betriebswirtschaftlichen Risikoanalyse zu unterziehen.

 

 

Die interdisziplinären Expertenteams bei Rödl & Partner unterstützen Unternehmen und Energieversorger bei Energie-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Kommen Sie gerne auf uns zu.

 

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