Das neue Messstellenbetriebsgesetz – Ein erster Überblick

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Am 21.09.2015 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende” vorgelegt. Das zentrale Element dieses Gesetzes ist das Gesetz über den Messstellenbetrieb und die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen (Messstellenbetriebsgesetz – MsbG), das – so das Bundesministerium – den Einsatz intelligenter Messsysteme sicher und kosteneffizient vorantreiben soll. Im Folgenden soll ein erster Überblick über die rechtlichen, regulatorischen und operativen Anforderungen gegeben werden, die sich aus den neuen gesetzlichen Vorgaben ergeben.

Wesentliche Inhalte des Messstellenbetriebsgesetzes

Der Messstellenbetrieb ist Aufgabe des grundzuständigen Messstellenbetreibers, soweit nicht eine anderweitige Vereinbarung mit dem Anschlussnutzer oder dem Anschlussnehmer getroffen wurde, und wird aufgrund von Verträgen zwischen dem Messstellenbetreiber und dem Anschlussnutzer bzw. -nehmer durchgeführt. Allerdings gewähren § 5 und § 6 MsbG-E Anschlussnutzern und Anschlussnehmern Auswahlrechte bezüglich des Messstellenbetreibers. Danach sind z.B. Anschlussnutzer nach § 5 berechtigt, den Messstellenbetrieb durch einen Dritten durchführen zu lassen, sofern der Dritte einen einwandfreien Messstellenbetrieb sicherstellt. Liegen die Voraussetzungen eines einwandfreien Messstellenbetriebs jedoch nicht vor, kann der grundzuständige Messstellenbetreiber den Messstellenbetrieb durch den Dritten ablehnen. In dem Fall, dass der Messstellenbetrieb durch den Dritten endet, ohne dass ein anderer dritter Messstellenbetreiber den Messstellenbetrieb übernommen hat, hat der grundzuständige Messstellenbetreiber den Messstellenbetrieb gemäß § 18 Abs. 1 MsbG-E zu übernehmen, ohne dass dem Anschlussnutzer hierfür gesonderte Entgelte in Rechnung gestellt werden dürfen.
 
Die Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb kann bzw. muss unter bestimmten Voraussetzungen auf ein anderes Unternehmen übertragen werden, das über eine Genehmigung nach § 4 MsbG-E und ein Zertifikat nach § 25 MsbG-E verfügt. Für diese Übertragung soll nach der Gesetzesbegründung des Messstellenbetriebsgesetzes das Vergaberecht Anwendung finden. Im Rahmen von Kooperationen im Bereich des Messstellenbetriebs und bei der Verlagerung der Grundzuständigkeit auf Tochtergesellschaften spielt insbesondere die Anwendbarkeit des sogenannten Inhouse-Privilegs eine entscheidende Rolle.
 
Auch die Sicherheit der Messwerte und Daten ist Gegenstand des Gesetzesentwurfs. Nach § 19 Abs. 3 MsbG-E dürfen Messstellen nur mit solchen intelligenten Messsystemen ausgestattet werden, die die Sicherheit der Messwerte gewährleisten. Ob dies der Fall ist, wird mittels eines Zertifizierungsverfahrens festgestellt. Darüber hinaus dürfen bspw. personenbezogene Daten ausschließlich von berechtigten Stellen erhoben, verarbeitet und genutzt werden.
 

Rollout um jeden Preis?

Einen generellen Rollout – das stellt der Entwurf klar – wird es vorerst nicht geben. § 29 MsbG-E sieht zum einen verbrauchsabhängige Ausstattungs-Pflichtfälle (Abs. 1) und zum anderen optionale Ausstattungsfälle (Abs. 2) vor. Für die Verbraucherseite wird die Einbauverpflichtung ab einem jährlichen Verbrauch von 6.000 Kilowattstunden, für Erzeugerseite bei einer installierten Leistung von sieben Kilowatt bei Anlagen nach dem EEG und KWKG festgelegt. Nach Abs. 2 kann in den übrigen Fällen ein Einbau freiwillig erfolgen.
 
Insgesamt ist ein Einbau nur dann vorgesehen, wenn dessen wirtschaftliche Vertretbarkeit gegeben ist. Ob diese vorliegt, regelt § 31 MsbG-E mit konkreten Preisobergrenzen. Wer den vom Gesetz geforderten Rollout nicht zu den in § 31 MsbG-E geregelten Kostenobergrenzen durchführen kann, muss die Grundzuständigkeit für den Einbau und Betrieb intelligenter Messsysteme ausschreiben; sofern sich auch hier kein Marktteilnehmer findet, der den Rollout innerhalb der Vorgaben des § 31 MsbG-E durchführen kann, unterbleibt dieser (vorerst). Hierdurch wird ein strikter Kostenschutz für die Anschlussnutzer gewährleistet.
 
Über die konkret geschilderten Einbaufälle hinaus sieht der Entwurf im Sinne einer nachhaltigen Komplettmodernisierung der Zählerinfrastruktur in Deutschland einen verpflichtenden Einbau von modernen Messeinrichtungen bis 2032 vor.
 

Die regulatorische Zukunft des Mess- und Zählerwesens

Neben den rechtlichen und technischen Anforderungen bringt das MsbG-E auch erhebliche Änderungen im bilanziellen wie regulatorischen Bereich mit sich. Für grundzuständige Netzbetreiber, die mit einem vertikal integrierten Versorgungsunternehmen (§ 3 Nr. 38 EnWG) verbunden sind, wird sowohl die informationelle wie auch die buchhalterische Entflechtung verpflichtend. Durch die geforderte Trennung des (neuen) Messstellenbetriebs aus dem regulierten Bereich (im Sinne der ARegV) wird die bisherige Zwitterstellung des Mess- und Zählerwesens zumindest sukzessive (bis sämtliche Messstellen modernisiert sind) abgelöst. Interpretationsspielraum besteht bisher allerdings im Hinblick auf die Frage, ob für die modernen Messeinrichtungen und die intelligenten Messsysteme eine „getrennte Kontenführung” innerhalb der Tätigkeit „Elektrizitätsverteilung” ausreichend ist, oder ob vielmehr entsprechend § 6b Abs. 3 EnWG eine neue Katalog-Tätigkeit „Mess- und Zählerwesen” zu implementieren ist. Darüber hinaus ist bisher nicht klar erkennbar, ob auf die Netzbetreiber schon für den Jahresabschluss 2015 Änderungen zukommen.
 
In regulatorischer Sicht haben grundzuständige Messstellenbetreiber zukünftig zwischen den bisherigen Kosten für den Messstellenbetrieb und den neu entstehenden Kosten, die mit der Umsetzung von modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen verbunden sind, zu unterscheiden. Für Neuinvestitionen dürfte die Trennung transparent darstellbar sein. Mit einem nicht unerheblichen Umsetzungsaufwand dürfte jedoch die Kostenaufteilung von bestehenden Infrastrukturen verbunden sein, die sowohl für das bisherige wie auch das neue Mess- und Zählerwesen notwendig sind.
 
Die Entgelte für den Messstellenbetrieb sollen nunmehr gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 MsbG-E der sogenannten „besonderen Kostenregulierung” unterliegen. Diese sieht in Abhängigkeit von Verbrauch und Umsetzungsjahr definierte Preisobergrenzen für den Messstellenbetrieb vor (§ 31 MsbG-E).
 

Operative Umsetzung

Im Zuge des Rollouts werden sich Netzbetreiber vor allem mit der Frage der Refinanzierung der Kosten auseinandersetzen müssen. Dabei sollte unter anderem geklärt werden, ob der Rollout vom Netzbetreiber zu den nun festgelegten Kostenobergrenzen erbracht werden kann.
 
Die im Referentenentwurf vorgesehene Einführung von Kostenobergrenzen dürfte vor allem kleinere Netzbetreiber mit einer geringen Anzahl von Zählpunkten und hohen Fixkosten pro Zähler dazu veranlassen, den Rollout nicht eigenständig durchzuführen. Neben der Vergabe der Grundzuständigkeit an einen externen Dritten sollten in jedem Falle auch Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Verteilernetzbetreibern unter Einbezug daraus resultierender Synergieeffekte geprüft werden. Welche Beschränkungen hierbei das Vergaberecht mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten.
 

Fazit

Der Referentenentwurf zum Messstellenbetriebsgesetz bringt rechtliche, regulatorische und operative Komplexität in das Zähler- und Messwesen. Auch wenn der Rollout erst im Jahre 2017 beginnen soll, müssen sich die Netzbetreiber frühzeitig mit den Anforderungen beschäftigen. Insbesondere die operative Umsetzung, das heißt die Entscheidung „make or buy?” muss vor dem Hintergrund der geplanten (vergaberechtlichen) Anforderungen an die Übertragung der Grundzuständigkeit detailliert analysiert und vorbereitet sein.
 
zuletzt aktualisiert am 19.11.2015

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