VG Frankfurt vereinfacht die Umstrukturierung stromkostenintensiver Unternehmen

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veröffentlicht am 12. Juli 2021


Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat mit zwei aktuellen Urteilen eine praktikable Lösung für die EEG-Umlageentlastung stromkostenintensiver Unternehmen in der Umstrukturierung gefunden. Damit werden Umstrukturierungen, insbesondere auch übertragende Sanierungen insolventer Unternehmen, zukünftig vereinfacht. Da die Lösung des VG Frankfurt jedoch eine Entlastungslücke belässt und der Instanzenzug noch lange nicht ausgeschöpft ist, sollte dennoch jede Umstrukturierung stromkostenintensiver Unternehmen vorab EEG-rechtlich geprüft, eine EEG-entlastungs-rechtliche Optimierung der Transaktionsstruktur vorgenommen und diese mit dem BAFA rechtssicher abgestimmt werden.
 
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat in zwei aktuellen Entscheidungen (VG Frankfurt, Urteile vom 21.04.2021, Az.: 5 K 243/19.F Bürgerservice Hessenrecht - 5 K 243/19.F | VG Frankfurt 5. Einzelrichter | Urteil | Zur bilanzrechtlich geprägten Anknüpfung des „neugeschaffenen Betriebsvermögens” in § 64 Abs. 4 ...und 11.05.2021, Az: 5 K 2097/18.F Bürgerservice Hessenrecht - 5 K 2097/18.F | VG Frankfurt 5. Einzelrichter | Urteil | Zur EEG-Umlagebegrenzung bei Umwandlung oder Neugründung nach Insolvenz) seine schon ältere Spruchpraxis (VG Frankfurt, Urteil vom 19. September 2018 – 5 K 8076/17.F –, Rn. 13, juris) zur Umstrukturierung stromkostenintensiver Unternehmen fortgesetzt und damit einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Verwaltungspraxis des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhr (BAFA) herbeigeführt.

Warum ist die EEG-Entlastung in der Umstrukturierung so schwierig?

Die Entlastung stromkostenintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage erreicht in der Regel einen 5 – 7 stelligen Euro-Betrag pro Kalenderjahr und ist damit ein wesentlicher Faktor für die Wirtschaftlichkeit eines derartigen Unternehmens. Insofern ist eine unterbrechungsfreie Gewährung der EEG-Umlage-Entlastung bei einer Umstrukturierung unerlässliche Bedingung für die Machbarkeit. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine Umstrukturierung aus unternehmensstrategischen Gründen oder um eine sog. „übertragende Sanierung” im Rahmen eines Insolvenzverfahrens handelt. Gelingt die unterbrechungsfreie EEG-Umlagebefreiung nicht, so besteht im Insolvenzverfahren immerhin die Möglichkeit, die fehlende EEG-Umlage mindernd vom Unternehmenskaufpreis abzusetzen und damit mittelbar die Insolvenzgläubiger die Lasten tragen zu lassen (so bisher VG Frankfurt). Mit den Zielen des Insolvenzrechts, dem gesetzgeberischen Willen dem Sinn und Zweck besonderen Ausgleichsregelung EEG und dem Gleichbehandlungsgebot von wirtschaftlich gesunden und sanierungsbedürftigen Unternehmen ist dies kaum vereinbar.


Der Gesetzgeber wollte mit dem in der EEG-Novelle 2014 eingeführten und in der EEG-Novelle 2017 angepassten § 67 EEG 2017 (§ 67 EEG 2021 - Einzelnorm) Umstrukturierungen, insbesondere im Rahmen der Insolvenzsanierung, ermöglichen. Die extrem bürokratische, restriktive und weitgehend unvorhersehbare Gesetzesauslegung in der Verwaltungspraxis des BAFA und deren Bestätigung durch das VG Frankfurt hatte dagegen die Umstrukturierung stromkostenintensiver Unternehmen mit unkalkulierbaren Risiken belastet. Umso erfreulicher, dass das VG Frankfurt mit seinen aktuellen Urteilen eine dogmatisch zwar ebenso unvertretbare, aber immerhin die sanierungsfeindliche Rechtsprechung korrigierende, Lösung eröffnet hat.
 

 

BAFA erhöht Rechtsrisiken und Aufwand der Unternehmensrestrukturierung

Die Systematik der EEG-Antragstellung sieht einen zeitlich gestreckten Prozess des Referenzzeitraums für Stromkosten und Bruttowertschöpfung, der Antragstellung, Bescheidung und anschließenden Entlastung von der EEG-Umlage vor. Da EEG-Anträgen zur Glättung kurzfristiger Schwankungen die Daten aus den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren vor Antragstellung zugrunde gelegt werden müssen, benötigt ein neugegründetes stromkostenintensives Unternehmen bis zu 4 Jahren Vorlauf, bis eine ausreichende Datenlage besteht, um einen Entlastungsantrag zu stellen und erstmals von der EEG-Umlage entlastet zu werden. Der Gesetzgeber hatte zur Beseitigung der hierdurch bestehenden Starthürden für neu gegründete Unternehmen bereits 2012 eine Privilegierungsvorschrift für neu gegründete Unternehmen eingeführt (§ 41 Abs. 2a EEG 2012, in § 64 Abs. 4 EEG 2021 § 64 EEG 2021 - Einzelnorm), nach welcher der Nachweiszeitraum für diese Unternehmen auf ein Rumpfgeschäftsjahr verkürzt wurde.

 

Dieser wurde in der EEG-Novelle 2017 u.a. durch eine eigene Definition des Begriffs des neugegründeten Unternehmens (§ 64 Abs. 6 Nr. 2a EEG 2017/2021 § 64 EEG 2021 - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)) ergänzt. Darin wurde die Einstufung als neugegründetes Unternehmen an die erstmalige Aufnahme der Tätigkeit mit neuen Betriebsmitteln geknüpft. Diese Voraussetzung wurde weiter durch die Forderung des Erwerbs neuen Sachanlagevermögens durch ein Unternehmen ohne Sachanlagevermögen präzisiert. Das BAFA hat den Begriff des neuen Sachanlagevermögens in seiner langjährigen Verwaltungspraxis als fabrikneues, im Eigentum des stromkostenintensiven Unternehmens stehendes Sachanlagenvermögen interpretiert. Geleaste oder gepachtete Betriebsmittel waren nach Auffassung des BAFA nicht als neues Betriebsvermögen einzustufen. Ebenso war gebrauchtes Sachanlagevermögen, wie es bei der Umstrukturierungen bestehender Unternehmen regelmäßig übertragen wird, gerade kein neues Betriebsvermögen.


Das VG Frankfurt durchschlägt den gordischen Knoten mit einer einfachen Lösung

Dem ist das VG Frankfurt bereits in seiner 2018er-Entscheidung entgegengetreten und hat diese Entscheidung mit den beiden aktuellen Entscheidungen mit weiteren Argumenten gestützt, sodass von einer ständigen Rechtsprechung des VG Frankfurt ausgegangen werden kann.


„Der Umstand, dass bei äußerlicher Betrachtung die Klägerin die Produktionsanlagen von der C-Bank gepachtet hat und deren Betrieb unverändert fortführt, ändert hieran nichts. Ein Erfordernis, das insbesondere die Sachanlagen „fabrikneu” hergestellt sein müssten, ist nicht normiert. […]Von dieser bilanzrechtlich geprägten Sicht ausgehend kommt es indes für die Frage, was „neu” sei, nicht darauf an, ob noch etwa planmäßige Abschreibungen vorzunehmen wären, sondern ist darauf abzustellen, was für die Klägerin „neu” ist. Das sind die in der Eröffnungsbilanz nach § 242 Abs. 1 HGB enthaltenen Positionen, mit denen die – neugegründete – Klägerin erstmalig ihre Unternehmenstätigkeit unter Abstützung auch auf die – für sie, nicht die C-Bank – neuen Ressourcen aufnahm.” (VG Frankfurt, Urteil vom 21.04.2021, Az: 5 K 243/19.F, lareda-Rn. 17)


Danach ist auch gepachtetes oder geleastes Betriebsvermögen bei einer entsprechenden bilanzrechtlichen Zuordnung zum stromkostenintensiven Unternehmen geeignet, den Begriff des neuen Betriebsvermögens zu erfüllen. Ebenso sind auch die von einer Vorgängergesellschaft übernommenen, gebrauchten Produktionsanlagen geeignet, als für die neue Rechtseinheit neues Sachanlagevermögen die Einstufung als neu gegründetes Unternehmen zu begründen.


Damit hat das Verwaltungsgericht eine einfache Lösung zur rechtssicheren Erstantragstellung umstrukturierter Unternehmen geschaffen. Allerdings verbleibt eine Entlastungslücke zwischen Erstantragstellung und erstmaliger Entlastung, die erst frühestens im Folgejahr einsetzen kann. Zwar wollte der Gesetzgeber mit dem Institut der Übertragung des bestehenden Begrenzungsbescheids des Vorgängerunternehmens auch diese Lücke schließen. Insofern schließen sich aber die Privilegierung für neu gegründete Unternehmen und die Privilegierung für umgewandelte Unternehmen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 64 Abs. 6 Nr. 2 a EEG 2021 § 64 EEG 2021 - Einzelnorm gegenseitig aus. Auch dies zeigt, dass der Lösungsansatz des VG Frankfurt weder vom Gesetzgeber gewollt war noch systematisch stimmig ist. Gleichwohl besticht die Einfachheit und damit verbundene Rechtssicherheit der Lösung des VG Frankfurt, sodass der wirtschaftliche Verlust der EEG-Umlageentlastung im ersten Rumpfgeschäftsjahr gegenüber der bisher bestehenden Rechtsunsicherheit einer schwer zu überblickenden Gesetzeslage mit einer hieraus folgenden widersprüchlichen, inkonsistenten und teilweise willkürlichen Behördenpraxis wohl für viele Unternehmen zu verschmerzen ist.
 

 

Wie geht es weiter mit der Umstrukturierung ?

Eines der beiden Urteile ist bereits rechtskräftig geworden – in den von Rödl & Partner vertretenen Gerichtsverfahren beim VG Frankfurt hat das BAFA darüber hinaus Verfahrensbeendigungen durch Abhilfe angeboten. Danach scheint durch die Urteile bereits eine Wende der Verwaltungspraxis eingeleitet worden zu sein, wenn auch eine weitere Klärung der Rechtsfrage in den höheren Instanzen durchaus spannend bleiben dürfte.


Deshalb sollte jede Umstrukturierung stromkostenintensiver Unternehmen vorab EEG-rechtlich geprüft werden, nach Möglichkeit eine EEG-Entlastungs-rechtliche Optimierung der Transaktionsstruktur vorgenommen werden und diese mit dem BAFA rechtssicher abgestimmt werden.


Hierfür stehen unsere einschlägig spezialisierte Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer gerne kurzfristig zur Verfügung.
 
 

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