EuGH ermöglicht nachträgliche Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate

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veröffentlicht am 20. Januar 2022

 

Bei der Ermittlung der Zuteilungsmenge kostenloser Emissionszertifikate bestehen bei TEHG-pflichtigen Anlagen mit komplexen chemischen Prozessen regelmäßig Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen der Zuteilung für den Einsatz von Brennstoffen und der für Prozessemissionen. Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung (EuGH, Urt. v. 25.11.2021 – C-271/20) festgestellt, dass eine Verbrennung von Brennstoffen auch dann vorliegen kann, wenn der Brennstoff Bestandteil des eingesetzten Rohstoffs ist und seine Verbrennung nicht mit der Emission von Kohlendioxid verbunden ist. Dabei hat er klargestellt, dass der Anspruch auf die Zuteilung von Emissionszertifikaten nicht mit Ablauf einer Handelsperiode erlischt, sofern diese fristgerecht beantragt und nur aufgrund der Dauer eines gerichtlichen Verfahrens nicht in der jeweiligen Handelsperiode zugeteilt werden konnten.

 

Der Kläger ist einer der größten Kupferproduzenten und Kupferrecycler weltweit. Das MDAX-Unternehmen produziert börsenfähige Kupferkathoden aus Kupferkonzentraten, Altkupfer und anderen Recyclingrohstoffen. Diese werden im Konzern zu Gießwalzdraht, Stranggussformaten, Walzprodukten, Bändern sowie Spezialdrähten und Profilen aus Kupfer und Kupferlegierungen weiterverarbeitet. Diese Tätigkeiten und Anlagen unterliegen den Pflichten des Treibhausgasemissionshandelsgesetzes (TEHG), sodass das Unternehmen einerseits emissionshandelspflichtig ist, andererseits aber als Carbon-Leakage-gefährdetes Unternehmen einen Anspruch auf kostenlose Zertifikatszuteilung hat.


Der Ausgangsrechtsstreit des Kupferunternehmens mit der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt) betrifft dabei technische Innovationen bei der Herstellung von Kupfer. Dem Kupferunternehmen gelang es durch langjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeit, beim Schmelzen von Kupfererz durch das sog. „Outokumpu-Verfahren” weitgehend auf fossile Brennstoffe wie Schweröl zu verzichten. Kupferkonzentrat besteht aus schwefelhaltigen Kupferverbindungen und verschiedenen anderen Stoffen, darunter mit einem Anteil von ca. 0,7 Prozent auch Kohlenstoff. Das Outokumpu-Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass die dabei benötigte Schmelzenergie durch die gleichzeitig exotherm ablaufende Reaktion des in Kupferkonzentrat enthaltenen Schwefels bereitgestellt wird und die Wärme somit nicht durch den Einsatz kohlenstoffhaltiger Brennstoffe erzeugt werden muss. Bei der Verbrennung des Schwefels entstehen keine Treibhausgase, sondern lediglich Schwefeldioxid.


Der Kupferproduzent hatte die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten für die dritte Handelsperiode (2013 bis 2030) bei der DEHSt beantragt. Dabei beantragte er für den Einsatz der Schwefelverbindungen eine Zuteilung nach dem sog. Anlagenteil mit einem Brennstoff-Emissionswert, der gegenüber dem Brennstoff-Emissionswert für Prozessemissionen günstiger ist.


Die DEHSt stufte die Verwendung des Kupferkonzentrats nicht als Zuteilungselement mit Brennstoff-Emissionswert, sondern als solches mit Prozessemissionen ein und reduzierte die Zuteilung deshalb in erheblichem Umfang.


Der EuGH hat diese Auffassung nunmehr zurückgewiesen. Dabei hat er sein Urteil insbesondere auch auf den Sinn und Zweck des europäischen Emissionshandelssystems gestützt, das emissionsintensiven Unternehmen einen Anreiz geben soll, effiziente Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen einzusetzen. Bestandteil dieses Anreizsystems ist dabei auch die Möglichkeit, durch eine Reduzierung von Kohlendioxid einen geldwerten Vorteil in Form überzähliger Emissionszertifikate zu erzielen. Bei einer streitigen Zuteilungsmenge von 812.601 Zertifikaten und einem aktuellen Marktpreis von etwa 80 €/t CO2 hatte die Auseinandersetzung mit ca. 65 Mio. € für den Kupferhersteller eine hohe wirtschaftliche Bedeutung.


Mit der Übertragbarkeit der Zertifikate über die jeweilige Handelsperiode hinaus hat der EuGH die Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes verteidigt. In Zeiten steigender Emissionszertifikatpreise hat die Rechtsprechung damit ausnahmsweise einmal ein ermutigendes Signal für die Inanspruchnahme von Rechtsmitteln gesetzt. Dabei nimmt die Bedeutung derartiger Streitigkeiten für die gesamte Wirtschaft zu, insbesondere auch angesichts der zukünftigen Ausweitung des Emissionshandels auf weitere Branchen. Um vergleichbare Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden bleibt zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber die auch im nationalen Emissionshandel des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) bei der Entlastung nach der BEHG Carbon Leakage Verordnung (BECV) bestehenden Abgrenzungsfragen, z. B. zwischen Brennstoff- und Wärmemengen bzw. beihilfefähigen und nicht beihilfefähigen Teilemissionsmengen und die gesetzeszweckwidrige Belastung innovativer CO2-einsparender Techniken, wie der Abwärmenutzung, zügig einer eindeutigen gesetzlichen Regelung zuführt.​

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