Strom- und Gaspreisexplosion – was können Unternehmen tun?

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veröffentlicht am 20. Januar 2022

 
Die Entwicklung der Energiemärkte hat insbesondere im letzten Quartal des Jahres 2021 einige schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Neben diversen Discount-Anbietern, die Insolvenz anmelden mussten, sind auch energieintensive Unternehmen gefordert ihre Kostenseite nicht in Anlehnung zur Preisentwicklung explodieren zu lassen. Die Entwicklung ist zudem nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa und auch weltweit zu beobachten. In Spanien hat sich beispielsweise der Gaspreis im Vergleich zum Vorjahr 2020 verfünffacht, in Kasachstan wird der Gaspreis als Hauptgrund für die kürzlichen Unruhen genannt.


Als Ursache der aktuellen Entwicklungen auf den Energiemärkten sind diverse Gründe zu nennen: z.B. Nachholeffekte aus dem Pandemiejahr 2020, Konfliktpotenziale zwischen Russland und der Ukraine, russische Gaslieferungen/Speicherbestände, Wartungen französischer AKW, Förderende niederländischer Gasfelder, CO2-Preisentwicklungen und Abschaltungen deutscher Kraftwerke. Teilweise werden sich die Ursachen mittelfristig lösen, weitere und zunehmende Volatilitäten können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Um so wichtiger wird es für Unternehmen und Einrichtungen mit hohen oder erhöhten Energieverbräuchen sich intensiv mit dem Thema der Energiebeschaffung auseinanderzusetzen.

Um eine möglichst optimale Energiebeschaffungsstrategie zu entwickeln, müssen in einem ersten Schritt Fragen zu den bestehenden Risiken, der entsprechenden Risikoneigung des Unternehmens sowie des angemessenen Umgangs mit diesen Risiken geklärt werden. Folgende Risiken nehmen dabei eine zentrale Rolle ein:

 Risiken für das Unternehmen


Die Risikoanalyse sowie die entsprechende Positionierung des Unternehmens im Hinblick auf die Energiebeschaffung sollten im Rahmen des Risikomanagements im Risikohandbuch Berücksichtigung finden. Im Falle des Eintritts eines der genannten Risiken sind dann entsprechende Zuständigkeiten und anschließende Prozesse klar definiert.

Allgemein gibt es gegen steigende bzw. volatile Preise kein Allheilmittel. Die „Weisheiten” der letzten Jahre – beispielsweise „Short ist Mord” oder „Long is wrong” – haben sich gerade in den letzten Jahren als weniger gute Wegweiser behauptet. Wesentlich ist die Steuerung von potenziellen offenen Positionen sowie das Handling mit einem entsprechenden Risikokapital. Wichtig in diesem Zusammenhang sind klare Eckpunkte, Verantwortlichkeiten sowie stringentes Handeln in Anlehnung an das dokumentierte Energiehandbuch bzw. -richtlinie und Energiebeschaffungsstrategie.

Vor die Klammer der Beschaffungsstrategien gezogen werden kann allerdings die „Kapitalisierung von Energiekosten”. Dies meint entweder durch Effizienzmaßnahmen (Wärmerückgewinnung, Dämmung, Sekundärprozesse etc.) oder durch den Aufbau von Eigenerzeugungskapazitäten (PV-Anlagen, KWK-Anlagen, Speicher, ggfs. Windkraftanlagen etc.) den Energiebedarf zu reduzieren. 

Hingegen sind die gängigen Energiebeschaffungsstrategien auch Jahre nach der Öffnung der Strom- und Gasmärkte identisch: Vollstromversorgung, Tranchenmodell und Portfoliomanagement.

Die Vollstromversorgung ist vor allem Bestandteil älterer Verträge, wird aber insbesondere vor dem Hintergrund geringer Personalkapazitäten weiterhin genutzt. Gegenstand dieser Methode ist der vollständige Einkauf zu einem Zeitpunkt bei einem Lieferanten. Meist sind definierte Toleranzbänder enthalten, welche die Prognoseschwankungen ausgleichen. Vorteile dieser Beschaffungsstrategie sind die Preissicherheit sowie ein geringer Aufwand. Dem stehen jedoch geringe Einsparpotenziale, ein hohes Preisrisiko sowie ein geringes Maß an Risikodiversifizierung gegenüber. Da der Kaufpreiszeitpunkt bei dieser Art der Beschaffung ausschlaggebend ist, besteht das Risiko, zu einem „falschen” Zeitpunkt (d.h. einem Zeitpunkt in dem die Preise sehr hoch sind – beispielsweise im letzten Quartal des Jahres 2021) die benötigte Strommenge gekauft zu haben.

Beim Tranchenmodell wird die prognostizierte Menge in Teilmengen bzw. Tranchen aufgeteilt und zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschafft. Dabei reichen die Gestaltungsmöglichkeiten von identischen Volumina zu regelmäßigen Zeitpunkten bis hin zu Quartalsbeschaffung mit unterschiedlichen Tranchengrößen oder vollständig individuellen Größen und Bestellzeitpunkten. Hierbei handelt es sich, erneut unter Berücksichtigung des vorhandenen Know-hows sowie entsprechender Personalkapazitäten, um die gängigste Energiebeschaffungsform im energieintensiven Sektor. Im Vergleich zur Vollstromversorgung wohnt dem Tranchenmodell regelmäßig ein geringeres Preisrisiko inne, da unterschiedliche Kaufzeitpunkte gewählt werden, so dass saisonale Schwankungen direkt berücksichtigt werden können. Die damit verbundenen Verträge erweisen sich im Vergleich zu einer Vollstromversorgung als umfangreicher, darüber hinaus ist eine kontinuierliche Marktbeobachtung notwendig. Anderenfalls kann jedoch auch die Einbuchung von Tranchen von einem Energieversorgungsunternehmen oder Dienstleister vorgenommen werden oder über einen vorher festgelegten Automatismus erfolgen.

Im Rahmen des Portfoliomanagements wird der prognostizierte Verbrauch in standardisierte Großhandelsmarktprodukte aufgeteilt und beschafft. Gerade für sehr stromintensive Unternehmen (Strombedarf > 100 GWh/a) mit einer gleichmäßigen und gut prognostizierbaren Lastkurve bietet sich diese Beschaffungsart an. Die Flexibilität sowie die Möglichkeiten zur Kosteneinsparung sind bei dieser Beschaffungsart hoch. Allerdings ist entsprechendes Wissen innerhalb des Unternehmens notwendig, was wiederum mit hohem personellen Aufwand verbunden ist. Zudem gestaltet sich das Produktcontrolling komplexer, da nicht mehr mit einem fixen Preis kalkuliert werden kann. Auch die notwendige Risikosteuerung, insbesondere vor dem Hintergrund steigender Preise, ist bei dieser Strategie von wesentlicher Bedeutung.

Als weitere sich in jüngerer Vergangenheit am Markt etablierende (Teil-)Beschaffungsstrategie sind PPA (Power-Purchase-Agreements) zu nennen. Also der Abschluss von direkten Stromlieferungsverträgen mit Betreibern von Erneuerbaren Energie-Stromerzeugungsanlagen. Wesentliche Merkmale entsprechender Verträge sind meist langfristige Laufzeiten (5 bis 10 Jahre) zu festgelegten Preiskonditionen. Nicht festgelegt sind hingegen die exakten Erzeugungsmengen und Zeitpunkte. Nach Einbeziehung eines PPA in den Bezugslastgang ergibt sich somit ein Residuallastgang, welcher klassischerweise über die vorgenannten Strategien beschafft wird – Kombinationsprodukte sind mittlerweile aber auch am Markt verfügbar.

Die kommenden Zeiten und Energiepreise werden – mit Blick auf die Ausbauziele der Bundesregierung – zudem durch hohe Anteile dargebotsabhängiger Energieträger beeinflusst werden. Die daraus resultierenden Volatilitäten werden auch die Bepreisung von Lastgängen tangieren. Unternehmen sollten sich daher auch mittelfristig mit dem Thema Flexibilität und Lastverschiebungen beschäftigen.

Eine moderne Energiebeschaffung in einem mittelständischen Unternehmen ist demnach geprägt von einer bewerteten definierten Energiebeschaffungsstrategie, deren Regelungen sowie deren Einhaltung vor allem bei steigenden Preise von großer Bedeutung sind. Darüber hinaus sind eine Risikoanalyse und -steuerung sowie eine kontinuierliche Markt- und Preisinformationspolitik weitere wichtige Faktoren, um sich vor unerwarteten Marktentwicklungen zu schützen. Dabei sind diese Elemente nicht isoliert zu betrachten, sondern sie greifen im laufenden Energiebeschaffungsprozess zwingend ineinander.

Große Teile der Energiekosten sind zudem nicht durch den eigentlichen Energiepreis begründet sondern staatlich bzw. durch den Netzbetreiber induziert. Um sich hier optimal aufzustellen gilt es die entsprechenden Privilegierungsvoraussetzungen zu prüfen und die entsprechenden Meldepflichten zu erfüllen.

Sprechen Sie uns gerne an! Wir diskutieren Ihre Beschaffungsstrategie und die möglichen Optimierungsoptionen gerne mit Ihnen.

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