Abschaltreihenfolge im Falle eines Gasembargos – Aktuelle Entwicklungen

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veröffentlicht am 19. Mai 2022 (zueltzt aktualisiert am 24. Mai 2022)

 

Die Frage ob und welche Unternehmen bei Gasknappheit bevorzugt beliefert werden, steht momentan in der Industrie ganz oben auf der Agenda. Kritisch hinterfragt wird dabei auch der „Vorrang” von Privathaushalten vor Industrieunternehmen. Offen ist zudem, nach welchen Kriterien zwischen Unternehmen differenziert wird.


Aktuell befinden wir uns noch auf der ersten Stufe (Frühwarnstufe) des Notfallplans, die am 30. März ausgerufen wurde. Doch was geschieht, wenn die Umstände am Markt die Ausrufung der Notfallstufe (Stufe 3) durch Verordnung der Bundesregierung zwingend erfordern?


Im Falle eines derartigen Szenarios hat die BNetzA in ihrer Funktion als „Bundeslastverteiler” über Abschaltungen und Rationierungen zu entscheiden. Auf eine stetige Erdgasversorgung angewiesen und daher vorrangig zu versorgen sind in erster Linie geschützte Kunden, beispielsweise private Haushaltskunden und soziale Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser). Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 53a EnWG. Nicht zu den geschützten Kunden gehört nach aktuellem Stand die Industrie. Nach europäischen Vorgaben sollen Unternehmen hinter Privathaushalten und anderen geschützten Kunden zurücktreten und als Erste vom Netz genommen werden.


In welcher Reihenfolge bzw. nach welchen Kriterien Branchen und Unternehmen kein Gas mehr bekommen, ist allerdings unklar und im Notfallplan bislang nicht festgelegt. Auch wurden von der BNetzA bis dato keine konkreten Kriterien diesbezüglich aufgestellt.


Kritisiert wird vielfach der Vorrang von Privathaushalten. Dem E.ON-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley zufolge sollte bereits die Einteilung in geschützte- und nicht geschützte Kunden nicht nur kritisch hinterfragt, sondern dahingehend umgeändert werden, dass gerade Unternehmen zum geschützten und bevorzugt versorgten Kreis gehören sollen. Ein Festhalten an der Vorrangregel wurde vom Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums Patrick Graichen dagegen erneut bestätigt.


Da es sich bei der Notfallstufe um staatliche Maßnahmen mit Eingriffscharakter handelt, muss auch bezüglich der Abschaltreihenfolge innerhalb des nicht-geschützten Empfängerkreises eine transparente Regelung getroffen werden. Herangezogen werden müssten dabei Kriterien wie Verbrauch, alternative Brennstoffe, Systemrelevanz des Unternehmens und die technischen Folgen einer Abschaltung. So können bestimmte Fertigungsprozesse nicht einfach unterbrochen werden, ohne dass es zu nachhaltigen Störungen oder Beschädigungen der Fertigungsanlage kommt.


Auch wenn zurzeit keine zuverlässige Bestimmung der einzelnen Kriterien möglich ist, sind Unternehmen gut beraten, wenn sie die Folgen einer eingeschränkten Gasversorgung sowohl gegenüber ihrem Netzbetreiber, der die Anordnung der BNetzA im Falle einer Abschaltung vollzieht, als auch gegenüber der BNetzA konkret darlegen und begründen. Anhand dieser Informationen könnte die BNetzA eine Prognose über die am stärksten von einer etwaigen Abschaltung betroffenen Unternehmen treffen und im Rahmen einer etwaigen Abschaltreihenfolge angemessen berücksichtigen.


Mit Stand heute ist nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet. Ob es tatsächlich zur Notfallstufe kommt, bleibt indes fraglich. Das Bundeswirtschaftsministerium hat zumindest trotz der russischen Sanktionen gegen Gazprom Germania auf die Ausrufung der Alarmstufe (Stufe 2) verzichtet.

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Christina Stamouli

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