Abwärme als ein zentraler Pfeiler der Wärmewende: Zusammenspiel von Industrie und Wärmenetzbetreibern

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​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 26. Juni 2025


Im Kontext der Energiewende rückt ein bislang wenig genutzter Energieträger zunehmend in den Fokus: Abwärme. Diese thermische Energie, die in Industrieanlagen, Rechenzentren, Wasserstoff-Elektrolyseuren oder im Dienstleistungssektor als Nebenprodukt verschiedenster Prozesse entsteht, birgt ein erhebliches Potenzial für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. 

Mit dem Inkrafttreten des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) wurden umfassende rechtliche Verpflichtungen für Unternehmen und öffentliche Körperschaften festgelegt, die auf die Vermeidung, Nutzung und Weitergabe von Abwärme abzielen (§16 EnEfG). Ergänzend dazu wurden eine Auskunfts- sowie eine Berichtspflicht über anfassende Abwärme für Unternehmen mit einem Gesamtenergieverbrauch von mindestens 2,5 GWh pro Jahr eingeführt (§17 EnEfG). Die dadurch erfassten Informationen werden zentral über die Plattform für Abwärme bereitgestellt, die als wesentliches Instrument zur Erhöhung der Markttransparenz sowie zur Identifikation und gezielten Erschließung potenziell nutzbarer Abwärmequellen fungiert.

Auch wenn diese neuen Vorgaben zunächst mit einem zusätzlichen Aufwand für betroffene Unternehmen verbunden sind, bietet die Nutzung von Abwärme zugleich ein breites Spektrum an Vorteilen. Auf Seiten der Abwärmequelle erschließt sich eine neue Wertschöpfung und Einnahmen können diversifiziert werden. Auch eine Verbesserung der Energieeffizienz und damit verbunden steuerliche Vorteile und leichteren Zugang zu Fördermitteln stellen einen klaren Vorteil dar. Zudem trägt die Nutzung von Abwärme dazu bei punktuelle Wärmeemissionen in die Umwelt zu reduzieren.

Gleichzeitig stellt Abwärme für Wärmenetzbetreiber eine kostengünstige und treibhausgasneutrale Wärmequelle dar. Sie diversifiziert die Versorgungsstruktur, erhöht die Versorgungssicherheit durch Entkopplung von schwankenden Brennstoffmärkten und CO2-Zertifikaten und benötigt im Vergleich zu anderen Wärmequellen nur geringe Flächen. Insbesondere hilft die Einbindung der Abwärme den Fernwärmeversorgern bei der Erfüllung der erforderlichen EE-Quoten nach dem Wärmeplanungsgesetz (§1 WPG).

Ein vorangegangener Beitrag beleuchtete bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Abwärmenutzung und gab einen Überblick über zentrale Aspekte, die bei der Planung von Abwärmeprojekten zu berücksichtigen sind (siehe hier).

Potenzialermittlung: Plattform für Abwärme

Die Anfang 2025 eingeführte Plattform für Abwärme bietet einen systematischen Überblick über gewerbliche Abwärmepotenziale in Deutschland. Ziel ist es, durch die öffentlich zugängliche Datenbank die Nutzung dieser Energiequelle zu fördern. Seit ihrer Einführung im Januar 2025 steigt die Anzahl der erfassten Abwärmequellen kontinuierlich. Im Juni 2025 umfasst die Plattform bereits 21.987 gemeldete Wärmequellen mit einer gesamten jährlichen Wärmemenge von 223,7 TWh.

Vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2024 lediglich 9,6 TWh Abwärme in die leitungsgebundene Wärmeversorgung eingespeist wurden, wird das enorme ungenutzte Potenzial deutlich. Eine vertiefende Betrachtung der Daten zeigt, dass rund 65 % der gemeldeten Abwärmemenge im Temperaturbereich von 25 bis 60 °C liegt (siehe Abb. 1). Die Temperatur der Abwärmequelle ist entscheidend, da das Temperaturniveau einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Nutzung hat. Besonders attraktiv für Wärmenetze sind Quellen mit Temperaturen über 100 °C, da hier meist auf den Einsatz von Wärmepumpen verzichtet werden kann, wodurch die Investitionskosten deutlich reduziert werden können. Diese Hochtemperaturquellen machen etwa 15 % der gemeldeten Gesamtwärmemenge und somit über 30 TWh aus.



Abbildung 1: Abwärmemenge nach Temperaturgruppen


Insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, wie Nordrhein-Westfalen (hier konzentrieren sich rund 30 % der deutschlandweit gemeldeten Quellen) und den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin sind die Potenziale, bezogen auf die Fläche, enorm. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach leitungsgebundener Wärme hier besonders hoch, sodass die Nutzung industrieller Abwärme insbesondere in diesen Regionen forciert werden sollte.



Abbildung 2: Abwärmepotential nach Bundesland (in TWh)


Wirtschaftliche und technische Herausforderungen

Trotz der vielversprechenden Ausgangslage bestehen weiterhin erhebliche Herausforderungen für die wirtschaftlich tragfähige Nutzung industrieller Abwärme. Auf technischer Ebene sind insbesondere die Temperaturdifferenz zwischen Abwärmequelle und -senke, die thermische Leistung sowie deren zeitliche Konstanz und die räumliche Entfernung zur Wärmesenke entscheidende Einflussfaktoren. Auch das Abwärmemedium hat einen starken Einfluss auf die Nutzbarkeit der Abwärme. Zudem erfordern Aspekte wie Steuerbarkeit, Flexibilität sowie die Möglichkeit zur Zwischenspeicherung der Abwärme eine vertiefte technische Analyse.  Aus wirtschaftlicher Perspektive stellen insbesondere die hohen Anfangsinvestitionen für die Erschließung und Integration der Wärmeauskopplung eine wesentliche Barriere dar. Die Anforderungen an Redundanz, Besicherung und die unklare Entwicklung des CO2-Preises erschweren zusätzlich die Planung belastbarer Wirtschaftlichkeitskonzepte.

Während sich viele dieser Faktoren im Projektverlauf gut adressieren lassen, zeigt die Erfahrung aus der Praxis, dass insbesondere das sogenannte Adressrisiko eine zentrale Hürde für die Umsetzung von Abwärmeprojekten darstellt. Dieses Risiko beschreibt die Unsicherheit, dass der Abwärmelieferant den Betrieb durch Stilllegung, Standortverlagerung oder strukturelle Umbrüche einstellt. Für den Wärmenetzbetreiber besteht die Gefahr, dass Investitionen in die Infrastruktur obsolet werden und im Ernstfall nur ein begrenztes Zeitfenster bleibt, um eine alternative Wärmequelle zu sichern und die Versorgung zu gewährleisten. Auf der anderen Seite muss die Wärme von den Netzbetreibern ebenso zuverlässig und kontinuierlich abgenommen werden, da es andernfalls zu technischen Störungen im System kommen kann und eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung der bereitgestellten Abwärme nicht gewährleistet ist.

Förderinstrumente als Schlüssel zur Umsetzung

Zur Überwindung der betriebswirtschaftlichen Herausforderungen stehen gezielte Förderinstrumente zur Verfügung – sowohl für die Erschließung der Wärmequellen als auch für die Netzintegration auf der Abnehmerseite. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) ermöglicht Wärmenetzbetreibern eine Förderung von bis zu 40 % der förderfähigen Investitionskosten. Industrieunternehmen können hingegen von der Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) profitieren, welche das Ziel verfolgt Energieeffizienz durch Investitionen in der Wirtschaft zu steigern.  Das Programm bietet wahlweise eine direkte Zuschussförderung über das BAFA bzw. eine Kreditfinanzierung in Verbindung mit einem Tilgungszuschuss über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Von zentraler Bedeutung im Kontext der Abwärmenutzung sind hierbei Modul 1 „Querschnittstechnologien“ sowie Modul 4 „Energie- und ressourcenbezogene Optimierung von Anlagen/Prozessen“. Die Förderhöhe kann bei kleinen Unternehmen bis zu 45 %, bei mittleren Unternehmen bis zu 35 % und bei Unternehmen ohne KMU-Status bis zu 25 % der förderfähigen Investitionskosten betragen. Für ausgewählte Maßnahmen in den Bereichen Abwärmenutzung kann zusätzlich ein Dekarbonisierungsbonus in Höhe von bis zu 10 Prozentpunkten bewilligt werden. Die korrekte und frühzeitige Antragstellung ist dabei häufig ein entscheidender Erfolgsfaktor für die wirtschaftliche Tragfähigkeit entsprechender Vorhaben.

Fazit und Ausblick

Die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind geschaffen, die Plattform für Abwärme ist etabliert, und die Förderkulisse ist derzeit attraktiv. Entscheidend für den Erfolg bleibt jedoch die praktische Umsetzung. Diese erfordert frühzeitige Kooperationsgespräche, individuell angepasste vertragliche und betriebswirtschaftliche Modelle und eine strategische Netzplanung. Nur wenn Industrie und kommunale Versorger als Partner agieren, kann das erhebliche Potenzial industrieller Abwärme systematisch erschlossen werden. Die Dekarbonisierung der Wärmenetze und somit der Erfolg der Wärmewende ist ohne industrielle Abwärme kaum realisierbar. Die Voraussetzungen sind geschaffen – nun liegt es an den Akteuren, diesen Schlüssel zur Wärmewende aktiv zu nutzen.

Gerne unterstützen wir Sie hierbei mit unseren rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen eine ausgewogene Vertragsstrategie.


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