Nachhaltigkeit und Steuern: ESGeht um die Plastikabgabe – Umlage, Abgabe oder (indirekte) steuerliche Belastung als Nachhaltigkeitsindikator?

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veröffentlicht am 19. Juli 2023 | Lesezeit ca. 4 Minuten

 

ESG steht für eine Einbeziehung im Handeln von umweltbezogenen (Environmental) und sozialen (Social) Kriterien und ist zudem auf eine verantwortungsvolle Unter­nehmens­führung (Governance) bezogen. Bereits durch dieses Wortbündel wird die Vielfältigkeit zum Ausdruck gebracht, in welcher Breite v.a. das Thema Nachhal­tigkeit in der gegen­wärtigen Zeit zu verstehen ist und des Kümmerns bedarf. 
 
Mit dem sich verändernden gesell­schaftlichen Wert­bewusstsein erlangen Umwelt­aspekte, politische und rechtliche Themen zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit weiter Bedeutung, aber auch gebührenpflichtige und / oder steuerrechtliche Themen. Letztere sehen auf der einen Seite Förderungen und steuerliche Vergüns­tigungen etwa für Erneuerbare Energien bzw. generell klima­freundliches und -neutrales Handeln für Unternehmer und Privatpersonen vor. Auf der anderen Seite soll gerade durch bewuss­te steuerliche oder abgaben­rechtliche Belastungen etwa auf (Einweg-)Kunst­stoffe und Plastik erreicht werden, Innovationen zu befördern, eben auf (Einweg-)Kunst­stoffe und Plastik möglichst zu verzichten oder solche zu reduzieren, um Nachhaltigkeit und Ökonomie weiter in Einklang zu bringen. Letzteres betrifft die derzeit mehr und mehr heiß diskutierte und landesspezifisch eingeführte sog. „EU Plastiksteuer”. 
 
Die EU Plastiksteuer – im Englischen und der deutschen Übersetzung bzw. umgangssprachlich immer Steuer genannt – stellt eine Maßnahme des EU Green Deal dar. Die neuesten Entwicklungen in Deutschland qualifizieren diese neue, mit einem Bescheid festgesetzte Abgabe nach entsprechender Meldung nicht als Steuer, die gleichwohl eine Belastung für bestimmte Unternehmer im Rahmen des sog. Kunststoff­einweg­fonds­gesetzes ist. In anderen EU-Mitglied­staaten wird die nach Meldung an die Behörden über Verpackungen bereits erfolgende oder geplante Festsetzung gegenüber bestimmten Unternehmern abgaben­rechtlich als Steuer gesehen. 

Hintergrund

Um die im Rahmen des Pariser Abkommens festgelegten Klimaziele zu erreichen, wurde mit dem Euratom-Beschluss vom 14. Dezember 2020 eine „neue Plastiksteuer” vorgesehen, die von den EU-Mitgliedstaaten auf nicht recycelte Plastik- / Kunststoffverpackungsabfälle zu zahlen ist. Die entsprechenden Parameter der Plastiksteuer können von den EU-Mitgliedstaaten individuell festgelegt werden.
 
Ziel der Europäischen Kommission ist es, durch die Einführung einer so bezeichneten Plastiksteuer ein weiteres Instrument zu schaffen, um den Klimawandel zu stoppen, den Rückgang der Artenvielfalt zu bekämpfen und die Umweltverschmutzung zu minimieren. Außerdem soll sie dazu dienen, die Schulden aus der Covid 19-Pandemie langfristig zu reduzieren. 
 
Seit 1. Januar 2021 erhebt die Europäische Union (EU) bereits diese Plastik- / Kunststoffabgabe auf nicht recycelte Kunststoffverpackungsabfälle. Dies ist eine von mehreren Steuerreformen im Rahmen des EU Green Deal. Diese Abgabe setzt sich aus einem Anteil der Einnahmen aus einem Beitrag der Mitgliedstaaten zusammen, der anhand des Gewichts der nicht recycelten Verpackungsabfälle aus Kunststoff mit einem Abrufsatz von EUR 0,80 pro Kilogramm berechnet wird. Dies stellt allerdings nur eine Methode zur Berechnung der Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt dar; diese Art der EU-Einnahmen stellt keine Steuer dar. Eine Verpflichtung zur Einführung einer nationalen Plastiksteuer ist damit nicht verbunden. Die EU-Mitglied­staaten können frei entscheiden, wie sie diese Verpflichtung umsetzen wollen. Im Jahr 2021 hatten die über­wie­gende Mehrheit der EU-Mitglied­staaten beschlossen, ihren Beitrag direkt aus ihren Staats­haushalten zu bestreiten.
 
In einigen Ländern wurde jedoch bereits eine nationale Plastik­abgabe / Plastik­steuer mit Belastungs­wirkung für Unternehmer eingeführt, so dass insbesondere für Unternehmen mit Steuer­verant­wortlich­keiten für Tochter­gesell­schaften im Ausland bereits jetzt Handlungs­bedarf bestehen kann, z.B. zur
  • Identifizierung der Geschäfts­prozesse und Materialen, auch ggf. Datenerhebung beim Lieferanten zur Kenntnis­erlangung dessen Produkte,
  • Datenqualität in den eigenen Stammdaten oder in der Logistik zum Reporting der etwaigen Plastik­steuer,
  • Anpassung der ERP-Systeme- und der Preis­gestaltung sowie ggf. zu zusätzlichen Anfor­derungen bei der Rechnung­stellung, natürlich auch zu Melde­pflichten selbst und den etwaigen adminis­trativen Anfor­derungen an die Erfüllung der melde­technischen und ggf. steuer­lichen Verpflich­tungen.
Einen kurzen Status Quo Bericht ausgewählter 20 Länder zur Gesetzeslage und der Umsetzung einer möglichen nationalen Plastiksteuer finden Sie hier: EU Plastiksteuer als steuerliche Maßnahme des EU Green Deal – Eine neue (indirekte) Steuer oder Abgabe?  

Neue Plastikabgabe in Deutschland

Bisher fehlte es in Deutschland noch an einer Umsetzung bzw. neuen Erhebung in Form einer „Kunst­stoff­steuer“ oder Abgabe an Unternehmer oder Verbraucher, um den an die EU geleisteten Beitrag nicht nur aus dem Staatshaushalt zu leisten, sondern diesen über eine „Abgabe“ oder „Umlage“ an Unternehmer / Verbrau­cher zu finanzieren. Im Jahr 2021 überwies Deutschland rund EUR 1,3 Milliarden aus dem Staatshaushalt als Teil der Kunst­stoffabgabe an die EU. Eine Umlage der Kunststoffabgabe auf die Hersteller / Verbraucher war im Koalitions­vertrag der derzeitigen Bundesregierung im Dezember 2021 jedoch bereits beschrieben („Die im Rahmen der EU bereits bestehende Plastikabgabe wird wie in anderen europäischen Ländern auf die Hersteller und Inverkehrbringer umgelegt.“), dort noch ohne Hinweise zur genauen Ausgestaltung und zum konkreten Zeitplan.
 
Der Deutsche Bundestag hat am 11. Mai 2023 nun das Gesetz über den Einwegkunststofffonds (EWKFondsG) zur Erhebung einer nationalen Einwegkunststoffabgabe als Sonderabgabe beschlossen (mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 15. Mai 2023). Es soll Auswirkungen der Einwegkunststoffprodukte auf die Umwelt, insbesondere die Meeresumwelt, und die menschliche Gesundheit vermeiden und vermindern, Unternehmer und Verbraucher zu einem bewussteren und nachhaltigeren Umgang mit Produkten aus Einwegkunststoff, bestenfalls sogar zu einem Ausweichen auf nachhaltigere Produkte bewegen sowie innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle, Produkte und Werkstoffe fördern.
 

Was bedeutet das Einwegkunststofffondsgesetz?

Geregelt wird damit die Produktverantwortung der Hersteller von Einwegkunststoffprodukten im Sinne einer erweiterten Herstellerverantwortung (extended producer responsibility = EPR).
 
Nach dem vorliegenden EWGKFondsG sind Hersteller, d.h. Erstinverkehrbringer von Einweg­kunst­stoff­produkten und Produkten, die Kunststoffe enthalten, künftig dazu verpflichtet, einen bestimmten Betrag – abhängig von der erstmals auf dem Markt bereitgestellten oder verkauften Menge (Art und Masse) an Einweg­kunst­stoff­produkten – in einen staatlichen Einweg­kunst­stoff­fond, vom Umwelt­bundesamt verwaltet, einzuzahlen. 
 
Die im Einweg­kunst­stoff­fond gesammelten Abgaben werden dafür verwendet, die entstandenen Kosten der durch die öffentlich-recht­lichen Entsorg­ungs­träger und die sonstigen anspruchs­berechtigten juristischen Personen erbrachten Leistungen zu decken.
 
Das EWKFondsG erfasst insbesondere
  • Lebensmittelbehälter, wie Boxen mit oder ohne Deckel, für Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, unmittelbar verzehrt zu werden, 
  • aus flexiblem Material hergestellte Tüten und Folien­verpackungen
  • Getränke­behälter mit einem Füllvolumen mit bis zu drei Litern,
  • Getränkebecher,
  • leichte Kunst­stoff­trage­taschen,
  • Feuchttücher,
  • Luftballons (im Einzelhandel) und Tabakprodukte mit Filtern sowie Filter selbst u.v.m.
     
Die Hersteller dieser Produkte müssen sich vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit ab 1. Januar 2024 beim Umwelt­bundesamt (UBA) registrieren lassen. Das UBA wird hierzu ein informations­technisches System einrichten und den Zugang auf seiner Internet­seite eröffnen. Hersteller, die ihre Tätigkeit bereits vor dem 1. Januar 2024 aufgenommen haben, haben sich bis zum 31. Dezember 2024 beim UBA registrieren zu lassen.
Als Hersteller definiert das Gesetz jeden Produzenten, Befüller, Verkäufer oder Importeur, der in Deutschland nieder­gelassen ist und gewerbsmäßig Einweg­kunst­stoff­produkte erstmals auf dem Markt bereitstellt. Erfasst wird auch der Fernabsatz. Nicht in Deutschland nieder­gelassene Personen, die gewerbsmäßig Einweg­kunst­stoff­produkte mittels Fern­kommuni­kations­mitteln in Deutschland unmittelbar an private Haushalte oder andere Nutzer verkaufen, werden ebenso erfasst.
 

Hinweise für die Praxis

Ab 1. Januar 2025 müssen diese Hersteller von Einweg­kunst­stoff­produkten jährlich eine Sonder­abgabe entrichten, die durch einen Abgabe­bescheid festgesetzt wird. Bei der Prüfung solcher Abgabenbescheide können wir Sie unterstützen. 
 
Um Bußgelder zu vermeiden, sollte die Betroffenheit bereits jetzt analysiert werden, um die damit verbundenen Pflichten fristgemäß erfüllen zu können.
 
Für Handels­unternehmer entstehen daraus folgende Pflichten:
  • Für Erstinverkehr­bringer von Einweg­kunst­stoff­produkten (s. Anlage 1 EWKFondsG) kann eine Registrierungs­pflicht beim Umwelt­bundesamt entstehen, die mit einer jährlichen Meldepflicht bis zum 15. Mai eines Jahres für das vorange­gangene Kalender­jahr einhergeht. Daran angeknüpft ist die Pflicht zur Zahlung der Einweg­kunst­stoff­abgabe an das Umwelt­bundesamt. Es bestehen bestimmte Übergangs­vorschriften.
  • Für Hersteller (= Erstinverkehrbringer), die ihren Sitz im Ausland haben, besteht die Pflicht zur Benennung eines sog. Bevollmächtigten (§ 3 Nr. 7 EWKFondsG).
Die Meldung bedarf nach § 10 EWKFondsG der Prüfung und Bestätigung durch einen registrierten Sachver­ständigen (§ 3 Abs. 15 VerpackG) oder durch einen regis­trierten Wirtschafts­prüfer, vereidigten Buchprüfer oder Steuerberater (§ 27 Abs. 2 VerpackG).
 
Ab dem 1. Januar 2024 sollen durch einen solchen regis­trierten Sachver­ständigen oder einen registrierten Wirtschafts­prüfer, Steuer­berater oder vereidigten Buchprüfer die jährlichen Menge­nmeldungen der Hersteller über von ihnen in Verkehr gebrachte Einweg­kunst­stoff­produkte überprüft werden. Die Meldungen müssen beim Umwelt­bundesamt eingereicht werden.
 
Die Bestätigung ist mit einer qualifizierten elektro­nischen Signatur gemäß § 2 des Signatur­gesetzes zu versehen und vom Hersteller dem Umwelt­bundesamt zusammen mit der Datenmeldung und dem Prüfbericht elektronisch zu über­mitteln.
 
Dies ähnelt der Prüfung nach § 11 VerpackG. Nach § 10 Abs. 5 EWKFondsG muss das Umwelt­bundesamt – wie im Verpackungs­recht – sog. Prüfleitlinien entwickeln, die von den Prüfern zu beachten sind. Die Gesetzes­begründung geht davon aus, dass diese inhaltlich an die Prüf­leitlinien zu § 11 VerpackG angelehnt werden können.
 
§ 10 Abs. 4 EWKFondsG enthält einen Schwellen­wert von 50 kg; unterhalb dieser Menge an Einweg­kunst­stoff­produkten ist eine Prüfung entbehrlich. Dies würde bedeuten, dass auch Kleinst-In­verkehr­bringer prüfungs­pflichtig wären. Es bleibt abzuwarten, ob hier im Laufe des Gesetz­gebungs­verfahrens und der weiteren Umsetzung in dem dann vorge­sehenen Melde­portal Anpassungen oder Erleich­terungen erfolgen.
 
Derzeit betreuen wir inter­disziplinär als Rechts­anwälte, Wirtschafts­prüfer und Steuer­berater das Thema der EU-Plastik­abgabe im In- und Ausland, wonach unsere Anwalts­kollegen etwa bei der Analyse der grund­sätzlichen Betroffenheit bei Melde­pflichten unterstützen. In Deutschland sind das etwa die, die bereits und weiterhin noch nach dem Verpackungs­gesetz (VerPackG) über das deutsche Verpackungs­register LUCID zu melden sind und dann zusätzlich nun über das neu geplante Melde­system des Bundes­umwelt­ministeriums. Als Wirtschafts­prüfer oder Steuer­berater etwa können nach entsprech­ender Zertifi­zierung Prüfungen der Meldungen, die ein melde­pflichtiger Unternehmer selbst einreichen muss, übernommen werden.  

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