Das neue Recht auf Reparatur: nachhaltig innovativ oder reparaturbedürftig?

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veröffentlicht am 23. Februar 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten
 
Durch das vorzeitige Wegwerfen von Konsumgütern entstehen in der EU jährlich rund 35 Millionen Tonnen Abfall, allen voran Elektroschrott sowie 261 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Gleichzeitig bleiben 30 Millionen Tonnen Ressourcen wirtschaftlich ungenutzt, insbesondere wertvolle Metalle wie Kupfer, Aluminium, Zink und Lithium. Verbrauchern, die Produkte ersetzen, anstatt sie zu reparieren, entstehen pro Jahr rund 12 Mrd. EUR Mehrkosten. Einer Studie der Europäischen Kommission zufolge würden 77 % der EU-Bevölkerung eine Reparatur einem Neukauf vorziehen. Dennoch scheitert es bisweilen oft an suboptimalen Reparaturbedingungen oder hohen Reparaturkosten. Das soll sich jetzt ändern.



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WELCHE PRODUKTE ERFASST DIE RICHTLINE? »

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Weiterer Baustein im Green Deal

Anfang Februar haben der Rat und das EU-Parlament eine vorläufige Einigung über die sog. „Richtlinie zur Förderung der Reparatur von Waren“ erzielt, die unter dem Schlagwort „Recht auf Reparatur“ durch sämtliche Medien geisterte und künftig für mehr Nachhaltigkeit sorgen könnte. Grundlage dieser Einigung ist ein Vorschlag, den die EU-Kommission bereits vor knapp einem Jahr vorgelegt hatte (COM(2023) 155 final, 2023/0083 (COD) vom 22.3.2023, abrufbar unter resource.html (europa.eu)).

Der Vorschlag zum Recht auf Reparatur ergänzt die EU-Initiativen zum Ökodesign und zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel. Vorschnelles Wegwerfen von Waren soll verhindert werden, in dem der Zugang zu Reparaturdienstleistungen einfacher, schneller, transparenter und attraktiver werden soll. Dies soll Arbeitsplätze sichern und nachhaltigere Geschäftsmodelle fördern sowie die Abhängigkeit von Rohstoffen aus dem Ausland begrenzen.

Welche Produkte erfasst die Richtline? 

Die vorläufige Einigung erfasst bislang nur solche Produkte, für die in EU-Vorschriften Anforderungen an die Reparierbarkeit festgelegt sind. Dies umfasst derzeit hauptsächlich „weiße Ware“ wie (Haushalts-)Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Kühlgeräte aber auch Mobiltelefone, Tablets, elektronische Displays, Server, Datenspeicher und Staubsauger.

Vor dem Hintergrund des ambitionierten Ziels eines klimaneutralen Binnenmarkts bis zum Jahre 2050 ist jedoch davon auszugehen, dass sich diese Aufzählung noch deutlich ausweiten wird. Unternehmen sind daher gut beraten, die weitere Entwicklung zu beobachten und sich entsprechend vorzubereiten.

Was beinhaltet das Recht auf Reparatur?

Nach dem Richtlinien-Entwurf müssen die Mitglied­staaten sicherstellen, dass die Hersteller der vorgenannten Waren diese auf Verlangen eines Verbrauchers auch nach Ablauf der Gewähr­leistungs­frist reparieren, und zwar innerhalb einer angemessenen Frist und zu einem angemessenen Preis. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Verbraucher rein faktisch doch wieder die Neuanschaffung der Reparatur vorzieht. 

Die Abgeordneten schlagen zudem vor, die Gewähr­leistungs­frist um ein Jahr ab dem Zeitpunkt der Reparatur zu verlängern, wenn sich Verbraucher bei Vorliegen eines Mangels für eine Nach­besserung statt einer Ersatz­lie­ferung entscheiden. Damit Reparieren attraktiver wird als Ersetzen, sollen Hersteller für die Dauer der Reparatur Leihgeräte zur Verfügung stellen. 

Der Hersteller kann Reparaturen untervergeben, um seiner Reparaturpflicht nachzukommen. Sie entfällt für solche Waren, bei denen eine Reparatur unmöglich ist. Wann dies der Fall ist, lässt der Entwurf aber offen. Auch einen verbindlichen Qualitätsstandard für Reparaturen definiert die Richtlinie nicht. Kann ein Produkt nicht mehr repariert werden, soll die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, stattdessen ein bereits repariertes Produkt anbieten zu können.

Zudem werden Hersteller verpflichtet, Informationen über Ersatz­teile auf ihrer Website bereitzustellen, sie allen Akteuren des Reparatursektors zu einem angemessenen Preis zur Verfügung zu stellen und Praktiken zu verbieten, die die Verwendung gebrauchter oder mittels 3D-Druck hergestellter Ersatzteile durch unabhängige Werkstätten verhindern.

Wer ist zur Reparatur verpflichtet?

Zur Reparatur verpflichtet ist grundsätzlich der Hersteller. Hat dieser seinen Sitz außerhalb der EU, so kann vergleichbar mit den Regelungen des Produkthaftungsrechts den Bevollmächtige, den Importeur oder auch den Händler eines solchen Produkts die Reparaturpflicht treffen.

Wie komme ich zu einer Reparatur?

Der Richtlinien-Entwurf sieht umfangreiche Informationspflichten in Bezug auf die wesentlichen Merkmale der Reparaturdienstleistung und der Identität des Reparaturbetriebs vor. 

Um den Verwaltungsaufwand für Reparaturbetriebe (insbesondere kleine) zu verringern, soll ein standar­disier­tes Europäisches Formular für Reparatur­informationen zum Einsatz kommen. Sofern dieses verwendet wird, sind die Reparaturbetriebe an die dort angegebenen Bedingungen gebunden. Das Formular muss kostenlos zur Verfügung gestellt werden, wenngleich Verbraucherinnen und Verbraucher aufgefordert werden können, die Kosten für die Diagnoseleistung zu tragen. 

Geplant ist schließlich auch die Schaffung einer europäischen „Match-making“ Reparaturplattform, um die Kontaktaufnahme mit Reparaturdienstleistern in der Region des Verbrauchers grenzüberschreitend zu ermöglichen.

Nächste Schritte

Der Richtlinien-Entwurf muss noch von beiden Seiten gebilligt und formal angenommen werden. Es ist davon auszugehen, dass er in Kürze verabschiedet wird. Den EU-Mitgliedstaaten steht dann ein Zeitraum von 18 Monaten zur Verfügung, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Insofern müsste eine Regelung in Deutschland voraus-sichtlich im 2. Halbjahr 2025 erfolgen. 

Vorgesehen ist eine Vollharmonisierung, das heißt, die Mitgliedstaaten dürfen keine von dieser Richtline abweichenden Vorschriften beibehalten oder erlassen. 

Fazit

Aus unternehmerischer Sicht ist der Entwurf durchaus kritisch zu betrachten. Zum einen erweitert er die Herstellerverantwortung immens, zum anderen lässt er viele Fragen offen – tatsächliche wie rechtliche. So ist weder eine Zeitspanne vorgesehen, wie lange Reparaturen ermöglicht werden müssen, noch wie lange der Hersteller Ersatzteile vorhalten muss. Auch wird die Bereitschaft der Unternehmen zur Offenlegung von Reparaturinformationen dort ihre Grenze finden, wo die Offenlegung von geheimem Know-How im Raum steht. Nach den aktuellen Bestimmungen des Geschäftsgeheimnisgesetzes ist sog. Reverse Engineering zum Erlangen von technischen Informationen über die Wirkweise eines Produkts grundsätzlich erlaubt, am Ende wird derjenige, der ein Produkt reparieren möchte, aber weitergehende Informationen oder z.B. einen Fernzugriff auf ein smartes Produkt benötigen. Gerade smarte Produkte sollen nach den kürzlich ebenfalls aktualisierten Cybersicherheitsanforderungen aber eher noch stärker gegen Zugriff abgeschirmt werden. Auch ist nach wie vor streitig, wann der Vertrieb von Re-filed und Re-furbed Produkten zulässig ist und wann er eine Marken- oder Patentverletzung darstellt.  Wie dieses Spannungsverhältnis zwischen IP-Rechten, Verbraucherschutz und Umweltschutz aufgelöst werden soll, lässt der Entwurf offen. Schließlich ist fraglich, wie eine Reparatur zu angemessenen Preisen angeboten werden soll, wenn Hersteller erst die dazugehörige Logistik aufbauen müssen.

Es bleibt abzuwarten, inwiefern das Recht auf Reparatur tatsächlich in Anspruch genommen wird und ob es den gewünschten Anreiz zu mehr Nachhaltigkeit schaffen kann. Nichtsdestotrotz werden sich Hersteller damit befassen müssen, nicht zuletzt deshalb, um ihre eigenen Klimaziele zu erfüllen und einem möglichen Bußgeld, das die Richtline ebenfalls vorzieht, zu entgehen.

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Ines Maier, LL.M.

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