Vorbereiten auf CS3D

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zuletzt aktualisiert am 2. April 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten 

  

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD oder auch CS3D genannt) hat am Freitag, den 15. März 2024 im Ausschuss der stellvertretenden EU-Botschafter die qualifizierte Mehrheit erreicht. Damit hat der Gesetzesentwurf schließlich doch noch die entscheidende Hürde der notwendigen Zustimmung seitens der EU-Mitgliedstaaten genommen. Zuvor schien die überraschende Ankündigung Deutschlands, sich bei der Abstimmung im EU-Rat zu enthalten, das gesamte Gesetzesvorhaben zum Kippen zu bringen. Nur durch eine deutliche Abschwächung der ursprünglichen politischen Einigung zwischen Parlament und Rat aus Dezember 2023, konnte die belgische Ratspräsidentschaft in der vergangenen Woche – im dritten Anlauf – schließlich doch noch 17 der EU-Mitgliedstaaten für einen neuen Kompromissvorschlag gewinnen.​
 
Was beinhaltet der neue Kompromisstext zum europäischen Lieferkettengesetz und was bedeutet er konkret für deutsche Unternehmen?
 

 
 

Änderungen im Verhältnis zum ursprünglichen Gesetzesvorhaben

Am 23. Februar 2022 hatte die EU-Kommission dem Europäischen Parlament und dem EU-Rat einen Vorschlag für eine Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit unterbreitet. Die CS3D sieht europaweit einheitliche und verbindliche Regelungen vor, mit der Unternehmen, die in der EU tätig sind, verpflichtet werden, menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihrer Wertschöpfungs­kette zu verankern. Im Rahmen des letzten sog. Trilogs (Verhandlungen zwischen den EU-Gesetzgebern EU-Rat, EU-Parlament und EU-Kommission) erzielten die Mitgliedstaaten und das Parlament im Dezember 2023 eine vorläufige politische Einigung​ zu diesem Gesetzesvorhaben. Der aufgrund dieser Einigung verfasste Gesetzestext sollte ursprünglich am 28. Februar 2024 im Rat angenommen werden. Dies galt nur noch als Formsache. Der nun durch die belgische Ratspräsidentschaft nachverhandelte neue Kompromissvorschlag schwächt die ursprüngliche politische Einigung zwischen EU-Rat und EU-Parlament in mehreren Punkten deutlich ab.
 

Eingeschränkter Anwendungsbereich

Die Zahl der Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, wurde weiter eingeschränkt. Nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Netto-Jahresumsatz von über 450 Mio. Euro werden nach dem neuen Kompromissvorschlag unter das EU-Lieferkettengesetz fallen. Der ursprüngliche Kompromisstext zwischen Parlament und Rat sah vor, dass das Gesetz für Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Netto-Jahresumsatz von 150 Mio. greift. Das Parlament hatte zunächst den Schwellenwert von 250 Beschäftigten gefordert.
 
Zudem wurde im aktuellen Kompromissvorschlag das Konzept der Risikosektoren gestrichen. Zuvor sah der Gesetzesvorschlag einen niedrigeren Schwellenwert (250 Beschäftigte und 40 Mio. Euro Netto-Jahresumsatz) für Unternehmen vor, die in einem Risikosektor agieren. Allerdings enthält der neue Kompromiss eine Überprüfungsklausel, so dass ein niedrigerer Schwellenwert für Unternehmen aus Risikosektoren zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden könnte. 

Übergangsfristen

Die Anwendung der CS3D soll stufenweise erfolgen, so dass verpflichtete Unternehmen mehr Zeit haben, sich auf die Umsetzung der Pflichten vorzubereiten. Je nach Größe der Unternehmen wurden großzügige Übergangsfristen eingebaut. Die Richtlinie gilt
  • ​nach drei Jahren für Unternehmen mit mind. 5.000 Mitarbeitenden und Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro (voraussichtlich 2027);
  • nach vier Jahren für Unternehmen mit mind. 3.000 Mitarbeitenden und Jahresumsatz von mindestens 900 Mio. Euro (voraussichtlich 2028);
  • ​​nach fünf Jahren für Unt​ernehmen mit mind. 1.000 Mitarbeitenden und Jahresumsatz von 450 Mio. Euro (voraussichtlich 2029).
 

Definition der Wertschöpfungskette

Die ursprüngliche politische Einigung zwischen Rat und Parlament umfasste weitere Teile der nachgelagerten Wertschöpfungskette. Die nachgelagerte Wertschöpfungskette wird im neuen Kompromisstext durch die Streichung der Verweise auf die Entsorgung und das Recycling von Produktennoch einmal reduziert. Zudem werden die Sorgfaltspflichten bezüglich der nachgelagerten Lieferkette auf Geschäftspartner beschränkt, die für das Unternehmen oder im Namen des Unternehmens tätig sind (Streichung der Sorgfaltspflichten in Bezug auf nachgelagerte indirekte Geschäftsbeziehungen). Die Sorgfaltspflichten gemäß CS3D beziehen sich nun vor allem auf die eigene Geschäftstätigkeit inkl. Tochtergesellschaften, direkte und indirekte Lieferanten, sowie auf die Nutzung und Entsorgung des Produkts.
 

Klimaübergangspläne

Der neue Kompromisstext beinhaltet zwar das im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5°C Ziel und die von der CS3D erfassten Schutzgüter erstrecken sich weiterhin auch auf den Schutz der Umwelt. Gestrichen wurde jedoch die Verpflichtung für Unternehmen ab einem bestimmten Schwellenwert, Klimaübergangspläne mit finanziellen Anreizen für das Management zu fördern.

 

Zivilrechtliche Klagebefugnis

Die Verpflichtung für Mitgliedstaaten, angemessene Bedingungen für die Klagebefugnis vorzusehen, wurde angepasst und den Mitgliedstaaten wird mehr Flexibilität bei der Anwendung der Vorschrift gegeben. Unternehmen sollen nur haften für Schäden, die durch das vorsätzliche oder fahrlässige Nichtergreifen von Präventions- oder Abhilfemaßnahmen entstanden sind. Sie haften nicht für durch Geschäftspartner verursachte Schäden.​
 

Finanzsektor 

Der Finanzsektor bleibt weitgehend ausgeklammert.


Was bedeutet der neue Kompromissvorschlag für deutsche Unternehmen? 

Mit dem neuen Kompromissvorschlag wird sich für deutsche Unternehmen weniger ändern als ursprünglich vorgesehen, denn das europäische Gesetz wird in der nun vorliegenden Fassung (in den meisten Fällen) nur für Unternehmen greifen, die auch aktuell schon unter das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fallen.
 
Da die CS3D neben der Anzahl an Beschäftigten zusätzlich einen Mindestjahresumsatz vorsieht und ihr Geltungsbereich auf bestimmte Gesellschaftsformen beschränkt ist, könnten sogar einige, aktuell nach LkSG verpflichtete Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der Lieferkettensorgfaltspflichten wieder herausfallen. 
 
Die mit dem neuen Kompromissvorschlag eingeschränkte Definition der Wertschöpfungskette hat zur Folge, dass die Sorgfaltspflichten der europäischen Regelung nur begrenzt in die nachgelagerte Wertschöpfungskette hineinreichen. Auch hier hat eine deutliche Annäherung an das deutsche Gesetz stattgefunden. 
 
Allerdings fokussieren sich die deutschen Unternehmen im Rahmen der Umsetzung des LkSG aktuell auf die Analyse der potenziellen und tatsächlichen Risiken in ihrer direkten Lieferkette, denn das LkSG beschränkt den sachlichen Anwendungsbereich der Sorgfaltspflichten auf die sog. Tier 1 supplier, die direkten Vertrags​­partner. Das LkSG hat dementsprechend in der Umsetzungspraxis vieler deutscher Unternehmen zu einer aufwendigen, Compliance-orientierten Herangehensweise an die neuen Sorgfaltspflichten geführt; der Fokus liegt in der Praxis auf der vollständigen Transparentmachung ihrer gesamten direkten Lieferbeziehungen. Der sachliche Anwendungsbereich der CS3D hingegen umfasst die gesamte vorgelagerte Lieferkette und hebt gleichzeitig die Notwendigkeit stärker hervor, dass Unternehmen sich mit den wichtigsten Risiken des eigenen Produktes befassen. Da die schwerwiegenden Risiken häufig in der tieferen Lieferkette liegen, legt die EU-Richtlinie einerseits eine anspruchsvollere, zugleich aber stärker priorisierende und weniger bürokratische Herangehensweise nahe. Hier bietet die kommende EU-Regelung für deutsche Unternehmen die Gelegenheit, schlankere, aber effizientere Sorgfaltsprozesse in ihren Lieferketten zu verankern, die sich auf wesentliche Risiken beschränken.
 
Hervorzuheben ist auch, dass der neue Kompromissvorschlag im Gegensatz zum LkSG die Möglichkeit vorsieht, dass Holdinggesellschaften (auf Antrag) von ihren Sorgfaltspflichten befreit werden können, sofern sich ihre Tätigkeit ausschließlich auf das Halten von Anteilen beschränkt und eine Tochtergesellschaft in der EU die Sorgfaltspflichten umsetzt (Artikel 2 a.). Auch im Hinblick auf die Definition der verantwortlichen Obergesell­schaft scheint die EU-Richtlinie also aus der Anwendung des LkSG, Lehren zu ziehen und eine praxisorientierte Regelung einzuführen. 
 
Eine Erleichterung dürfte sie zudem darstellen, da ein europaweites Lieferkettengesetz ein größeres Gewicht in Partnerländern darstellt und die deutschen Unternehmen somit im Rahmen ihrer Pflicht mit ausländischen Lieferanten auf eine Verbesserung der Menschenrechts- und Umweltstandards hinzuarbeiten, einen größeren Hebel haben dürften. Zudem haben Unternehmen mit der EU-weiten Regelung Aussicht auf eine einheitliche Entwicklung von Best Practices sowie EU-geförderte Unterstützungsmöglichkeiten.
 
Schließlich sieht die CS3D im neuen Kompromissvorschlag wie schon in vergangenen Fassungen vor, dass Unternehmen, die sowohl dem Anwendungsbereich der CS3D als auch den Nachhaltigkeits­​bericht­erstattungs­pflichten gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen, in ihrem CSRD-Bericht angeben müssen, wie sie die Sorgfaltspflicht gemäß CS3D umsetzen. Dadurch wird eine doppelte Bericht­erstattungspflicht vermieden.

​Fazit und Ausblick

Aufgrund der deutlichen Annäherung der CS3D an das LkSG sind deutsche Unternehmen gut aufgestellt, die EU-weiten Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Allerdings kommen auch neue, insbesondere umweltbezogene Schutzgüter hinzu, so dass sich die betroffenen Unternehmen, sobald die Richtlinie formell angenommen wurde, mit den neuen Inhalten befassen sollten. Zudem setzt die EU-Richtlinie einen Schwerpunkt auf wesentliche Risiken – inklusive in der tieferen Lieferkette. Somit sollten Unternehmen beginnen, ihre schon bestehenden Sorgfaltspflichten-Prozesse anzupassen, indem sie im Rahmen ihres Lernprozesses sich jetzt schon auf die wesentlichen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken ihres Produktes bzw. ihrer Dienstleistung und auf eine effektivere Minimierung dieser Risiken fokussieren.

Der aktuell vorliegende Kompromisstext wurde am 20.03.2024 vom Rechtsausschuss des Parlaments mit 20 Stimmen dafür, 4 dagegen und keinen Enthaltungen angenommen. Er muss nun noch im Plenum des EU-Parlaments angenommen und förmlich im EU-Rat bestätigt werden. Die Abstimmung im EU-Parlament ist für den 24.04.2024 angesetzt. Es werden keine weiteren inhaltlichen Änderungen erwartet. Nach Annahme in Parlament und Rat tritt die Richtlinie 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Nach Inkrafttreten haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Wann genau Deutschland innerhalb dieser Zweijahresfrist das Umsetzungsgesetz erlassen und somit das LkSG den neuen EU-Vorgaben anpassen wird, ist noch nicht abzusehen.​

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