Erfolgreich investieren in Hongkong (SAR)

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zuletzt aktualisiert am 16. Juni 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten

 

 

 

Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Hongkong ein?

Nach verhältnismäßig schlechten Zahlen im Jahr 2022 erholte sich die Wirtschaft in Hongkong im ersten Quartal des Jahres 2023 zusehends. Wesentliche Gründe hierfür sind vor allem die starke Zunahme von Tou­ris­ten und die Erholung der Binnennachfrage. Das reale BIP wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent, nach­dem im vorangegangenem Quartal das BIP noch um 4,1 Prozent zurückgegangen war.
 
Warenexporte gingen trotz einiger Erleichterungen im Warenverkehr mit Festland-China weiter stark zurück, wobei hingegen der Export von Dienstleistungen ein starkes Wachstum verzeichnete. Besonderen Anteil haben hierbei Reisedienstleistungen für Festland-China nach dem Wegfall der coronabedingten Reise­be­schrän­kun­gen. Die privaten Ausgaben für den Konsum stiegen im ersten Quartal des Jahres um 13,1 Prozent. Auch hier gilt als einer der Hauptgründe für die gestiegene Konsumstimmung die Aufhebung der Corona-Beschränkungen sowohl in Hongkong als auch in Festland-China. Und auch die Investitionen ausländischer Unternehmen in Hongkong ziehen wieder an. Mit der Erholung der Wirtschaft sank auch die Arbeitslosenquote sowie die Unter­beschäftigung. Die Werte betragen aktuell 3,1 Prozent beziehungsweise 1,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ging dabei in nahezu allen Wirtschaftsbereichen zurück.
 
Für das laufende Jahr wird mit einer weiteren Zunahme des Tourismus und der Binnennachfrage gerechnet. Insbesondere die Besucherströme werden sich weiter erholen, was auch an der weiteren Erhöhung der Transport- und Abfertigungskapazitäten, beispielsweise des Hongkonger Flughafens und an den Grenz­kon­trol­len, liegen dürfte. Die Erholung der Wirtschaft und damit einhergehende Verbesserungen auf dem Arbeits­markt, also bessere Zukunftsaussichten für die Menschen, als auch stimulierende Maßnahmen der Regierung wie die Ausgabe von Konsumgutscheinen, werden den privaten Verbrauch weiter ankurbeln.
 
Demgegenüber dürfte auch im fortlaufenden Jahr die Situation bei den Warenexporten angespannt bleiben. Gründe hierfür sind vor allem das langsamere Wachstum in den Industrieländern, was die Auslandsnachfrage auch weiterhin belasten dürfte. Hinzu kommen Verunsicherungen wie die jüngsten Spannungen im US-Banken­sektor als auch politische Herausforderungen. Im Hinblick auf die Preisentwicklung wird erwartet, dass der externe Kostendruck etwas zurückgehen wird, im Inland jedoch leicht zunehmen könnte. Für die Kern- und die Gesamtinflation wird im Verlauf des Jahres 2023 mit einem Wert zwischen 2,5 Prozent und 2,9 Prozent gerech­net und damit insgesamt moderat bleiben.
 
Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Zahlen für das erste Quartal wird für das gesamte Jahr 2023 mit einem Wachstum des BIPs von 3,5 Prozent bis 5,5 Prozent gerechnet. Sollte die Dynamik des ersten Quartals in der Form anhalten, dürfte das Wachstum nahe am oberen Ende der Prognose liegen.
 

Wie würden Sie das Investitionsklima in Hongkong beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Hongkong ist weiterhin eine der freiesten Wirtschaften weltweit. Investitionen in Hongkong sind unkompliziert und die rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen günstig. Die Gründung eines Unternehmens bei­spiels­weise in Form einer Limited Company ist einfach und dauert in der Regel nur wenige Tage. Da Englisch neben Chinesisch auch Amtssprache ist, bestehen kaum sprachliche Barrieren, und sämtlicher Behörden­verkehr kann in Englisch erfolgen. 
 
Hongkong verfügt über ein sehr einfaches Steuersystem. Die Körperschaftssteuer beträgt 8,25 Prozent bis zu einem Gewinn von HKD 2 Millionen und 16,5 Prozent für darüber hinaus gehende Gewinne. Offshore-Gewinne oder Gewinne, die außerhalb des Territoriums von Hongkong erwirtschaftet werden, sind von der Steuerpflicht ausgenommen. Es wird keine Quellensteuer auf Dividenden- oder Zinszahlungen erhoben. Die Gerichte sind unabhängig und es besteht Rechtssicherheit. Entscheidungen Hongkonger Gerichte, aber auch von Schieds- oder Mediationsinstitutionen werden in den meisten Staaten der Welt anerkannt und für vollstreckbar erklärt – inklusive der Volksrepublik China für Entscheidungen in bestimmten Zivil- und Handelsangelegenheiten.
 
Hongkong gilt als eines der wichtigsten internationalen Finanzzentren und verfügt über ein exzellentes Bankwesen. Das Arbeitsrecht ist deutlich arbeitgeberfreundlich ausgelegt. Die Infrastruktur ist hervorragend ausgebaut. Hongkong ist mit seinem internationalem Flughafen als auch seinem Freihafen und seinen Schienen- und Straßenverbindungen nach Festland-China ein hervorragender Verkehrsknotenpunkt in Asien. 
 
Mit der Erholung der wirtschaftlichen Lage und insbesondere der Binnennachfrage ist auch mit einer stärkeren Nachfrage nach importierten Produkten aus Deutschland zu rechnen. Hierbei können insbesondere Hersteller von Konsumgütern wie Nahrungsmittel profitieren. Auch PKW der oberen Mittelklasse und Oberklasse dürften wieder verstärkt nachgefragt werden. Im Gesundheitsbereich können sich Chancen für Hersteller von Medizin­technik und Arzneimitteln ergeben, da in diesem Bereich erhebliche Investitionen anstehen. Daneben plant beziehungsweise realisiert Hongkong im Zuge der Belt-and-Road-Initiative als auch im Rahmen der Ent­wick­lung der Greater Bay Area (GBA) bereits eine Vielzahl an Bauprojekten, darunter mehrere Großprojekte.
 
Beispielhaft sei die Entwicklung der „Northern Metropolis“ im Norden Hongkongs an der Grenze zu Shenzhen in Festland-China genannt, die nach vollständiger Entwicklung etwa 900,000 neue Wohnungen für bis zu 2,5 Millionen Menschen bieten soll, aber auch erhebliche Flächen für Industrie, Logistik und andere Bereiche. Auch hier können sich vielfältige Möglichkeiten für deutsche Unternehmen ergeben wie zum Beispiel die Infra­struktur, Gebäudetechnik, Umwelttechnik und Ingenieursdienstleistungen. 
 
Insbesondere mit der Zunahme touristischer Reisen aus Festland-China können sich auch Chancen im Luxussegment ergeben. Zwar bestehen hier starke Präferenzen für die „klassischen“ Luxusmarken. In ver­schie­denen Produktbereichen wie Uhren und anderen Nischen bestehen aber auch hier gute Möglichkeiten für etablierte deutsche Produzenten, aber auch für Markteinsteiger in anderen Bereichen, wenn der Markteinstieg auf die entsprechenden Bedürfnisse der potentiellen Kundschaft zugeschnitten wird, da deutsche Produkte weiterhin einen sehr guten Ruf genießen.
 
Hongkong bietet sich weiterhin als Standort für Beschaffung und Einkauf in Ostasien an. Auch wenn die Beschaffung aus China direkt zurückgegangen ist, stieg diese jedoch aus anderen ostasiatischen Ländern wie Vietnam an. Der Vorteil Hongkongs ist hierbei, dass auch die Länder, in die beispielsweise arbeitsintensive Produktion aufgrund niedrigerer Lohnkosten von China weg verlagert wurde, weiterhin von Hongkong aus sehr gut erreichbar sind und gesteuert werden können. 
 

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Hongkong gegenüber?

Hongkong zählt zu einer der teuersten Städte der Welt. Vor allem die Lebenshaltungskosten und hierbei insbesondere die Mieten sind sehr hoch. Dies wirkt sich vor allem bei ausländischen Arbeitnehmern auf das Gehaltsniveau aus und Unternehmen müssen für Löhne und Gehälter mit deutlich höheren Kosten rechnen. Daneben ist der Arbeitsmarkt für Fachkräfte derzeit angespannt. Viele Spezialisten haben im Zuge der Corona-Pandemie Hongkong verlassen. Andererseits bietet Hongkong eine sehr gute schulische und universitäre Ausbildung. Viele Hongkonger sprechen neben Kantonesisch auch Mandarin und Englisch, was für aus­län­di­sche Unternehmen von großem Vorteil ist. Wie bei jeder Auslandsinvestition bestehen auch in Hongkong Mentalitätsunterschiede und kulturelle Kontraste. Entsendete Fach- und Führungskräfte sollten hierfür sensibel sein und über entsprechende interkulturelle Kompetenzen verfügen.

 

Wie wirkt sich Pekings Einfluss auf Hongkong konkret aus?

Insbesondere der Erlass des Sicherheitsgesetzes und die Änderungen im Wahlrecht haben international für Aufsehen gesorgt und den Ruf Hongkongs nachhaltig beschädigt. Zudem gerät Hongkong immer wieder in die Schlagzeilen durch Verurteilungen von Hongkonger Bürgern aufgrund des Sicherheitsgesetzes. Hier ist tat­sächlich eine Ernüchterung eingetreten. Für die Innenpolitik ist insgesamt weiterhin mit einer starken Einfluss­nahme durch Peking zu rechnen, was die politische Betätigung der Bürger weiter behindert/verhindert wird. In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass sich die Maßnahmen Pekings bislang im Wesentlichen auf die politische Führung Hongkongs beschränken, wobei jedoch im Schulsystem als auch für die Zivilgesellschaft – beispielsweise Vereine und Organisationen – weitere Einflussnahme durch verstärkte Indoktrination und stärkere Reglementierung zu erwarten ist.
 
In weiten Bereichen genießt Hongkong jedoch weiterhin eine Vielzahl autonomer Rechte. Dies betrifft die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen – wie WTO, IWF – und die Möglichkeit, weiteren inter­na­tio­na­len Abkommen beizutreten oder solche abzuschließen. Auch Ein- und Ausreise regelt Hongkong weiterhin autonom. Das Rechtssystem, basierend auf dem Common Law, garantiert eine hohe Rechtssicherheit und eine Vielzahl von Bürgerrechten sind weiterhin gegeben und etwaige Eingriffe Pekings, jedenfalls bislang, sind nicht ersichtlich. Das Internet ist frei zugänglich und wird nicht reglementiert, allerdings sind Einschränkungen in Bezug auf die Pressefreiheit erfolgt. In wirtschaftlicher Hinsicht bestehen kaum Beschränkungen im Waren- und Kapitalverkehr und auch Informationen können weiterhin frei fließen. Hongkong verfügt über eine eigene, frei konvertierbare Währung, die an den US-Dollar gekoppelt ist. Auch im Steuer- und Abgabenrecht unterliegt Hongkong keinen Weisungen aus Peking und die Sätze sind sehr niedrig.
 
Im Vergleich zu den Metropolen Festland-Chinas besitzt Hongkong damit nach wie vor eine besondere Stellung und die Unterschiede bleiben außerordentlich. Die Bürger und die Wirtschaft Hongkongs genießen weiterhin deutlich größere Freiheiten als in Festland-China.
 

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Hongkong weiterentwickeln?

Derzeit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Sonderstellung Hongkongs, abgesehen von den Ein­griffen in die politische Führung, weitere Einschränkungen erfahren wird. Andererseits hat der Erlass des Sicher­heitsgesetzes und seine Anwendung den Ruf Hongkongs nachhaltig geschädigt. Es bleibt abzuwarten, ob hier eine Erholung eintreten wird. Im Rahmen der Entwicklung der Greater Bay Area wird Hongkong eine wichtige Rolle spielen, die die Beibehaltung des Status als Sonderverwaltungszone und die Ausübung der autonomen Rechte voraussetzt. So soll Hongkong insbesondere als internationales Finanz-, Schifffahrts- und Handelszentrum sowie als internationales Luftverkehrsdrehkreuz gestärkt werden und als globales Offshore-RMB-Handelszentrum, internationales Vermögensverwaltungszentrum und Zentrum für Risikomanagement fungieren. Daneben soll Hongkongs Stellung als internationales Streitbeilegungszentrum und Handelszentrum für geistiges Eigentum gestärkt und ausgebaut werden. Die Entwicklung des Dienstleistungssektors in Richtung hochwertiger und wertschöpfungsintensiver Dienstleistungen soll besonders gefördert werden.
 
Wir sehen daher Hongkong weiterhin als offenen Brückenkopf nach Festland-China, der Investitionen will­kom­men heißt und Investoren ausgezeichnete Rahmenbedingungen und Geschäftsmöglichkeiten bietet.

Kontakt

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Dr. Thilo Ketterer

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer

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