Erfolgreich investieren in Italien

PrintMailRate-it

zuletzt aktualisiert am 3. Juli 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

 

 

Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Italien ein?

Die italienische Wirtschaft wurde 2020 von der Pandemie früh und hart getroffen, aber das Land hat sich seitdem eindrucksvoll erholt. Wirtschaftstätigkeit und Beschäftigung nahmen im Jahr 2022 weit stärker als erwartet zu. Hilfreich hierfür waren auch das geschickte Management der Gaslieferungen durch die Behörden und die als Reaktion auf den Energiepreisschock gewährte Sozialhilfe unter dem Kabinett von Mario Draghi. Die öffentliche Schuldenquote ist zwar hoch, aber rückläufig, und die notleidenden Kredite blieben niedrig. Das Bruttoinlands­produkt (BIP) wuchs im ersten Quartal 2023 in Italien schneller als in Deutschland und als im Euro-Durchschnitt. Die prognostizierte Zwischenrezession hat nicht stattgefunden und der Konsum sowie auch die Investitionen haben zugelegt. 
 
Trotz der positiven Entwicklung sind wie im übrigen Europa auch in Italien die unmittelbaren Aussichten verhalten. Ein Wiederaufleben der Inflation, steigende Zinssätze und Energiekosten und Russlands Krieg gegen die Ukraine steigern in der Eurozone 2023 die Rezessionsgefahr. Italien ist aufgrund seiner strukturellen wirtschaftlichen Schwäche anfälliger für externe Schocks. Der IMF schätzt für 2023 ein reales Wirtschaftswachstum von unter 1 Prozent. 
 

Wie würden Sie das Investitionsklima in Italien beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Die politischen Risiken, hohe Zinsen, nachlassende Nachfrage und höhere Kosten für Energie und Material haben das Potential, die Konsumneigung der privaten Haushalte und die Investitionsneigung der Unternehmen zu dämpfen. Die Aussichten für Investitionen sind dennoch insgesamt etwas optimistischer als im vierten Quartal 2022.
 
Über den europäischen Wiederaufbaufonds stehen reichliche Mittel für Investitionsförderungen bereit. Schwierig ist derzeit die Investition in der vorgegebenen Zeit. Dennoch ist hier mit einer erhöhten Aktivität zu rechnen, vor allem in Infrastruktur. Die EU-Kommission rechnet 2023 mit einem Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen um 2,6 Prozent. Das Statistikamt ist etwas optimistischer und hält ein Plus von 3 Prozent für möglich.
 
Großes Potenzial bieten aus unserer Sicht die in Italien traditionell stark aufgestellten Branchen, wie „Food and Beverage”, Luxusgüter, Mode und Design, Tourismus, Maschinen- und Anlagenbau sowie der Chemie- und Pharma­sektor. Darüber hinaus führen aber auch die Elektronik- und Autoindustrie und die Industrie 4.0 zu steigenden Investitionen.
 

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Italien gegenüber?

Die Herausforderungen liegen regelmäßig in
  • den Vertrags- und Zahlungsmodalitäten,
  • der divergierenden Rechtslage in den Regionen und zunehmend unterschiedlichen praktischen Handhabung von Handelsregistervorgängen;
  • der Schwerfälligkeit der Institutionen (Gerichte, Finanzämter und sonstige öffentliche Behörden) und der damit einhergehenden Bürokratie;
  • der stark gewerkschaftlich geprägten Arbeitslandschaft und der unzureichenden Effizienz des Arbeitsmarkts, wobei sich hier ein positiver Trend erkennen lässt;
  • dem fremden Rechts- und Steuersystem sowie der teilweise formalistischen Herangehensweise im Rahmen von Betriebsprüfungen.
 
Auch kulturelle Unterschiede und das Verhandlungsgeschick der italienischen Geschäftspartner darf man nicht unterschätzen. In der Landessprache agieren zu können, ist ein entscheidender Vorteil.
 
Ein lokales Management kann nicht alle, aber viele dieser Herausforderungen abmildern und in der Regel ist dies der Schlüssel zum Erfolg.
 

Warum sollten sich Unternehmen für einen Markteintritt/-verbleib in Italien entscheiden?

Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone und die zehntgrößte der Welt. Es ist ein wichtiges Tor zum europäischen Binnenmarkt mit seinen 500 Millionen Verbrauchern, aber auch zu Nordafrika und dem Nahen Osten mit weiteren 270 Millionen potenziellen Kunden. Italien verfügt über ein starkes Netz an Forschungs­ins­ti­tu­ten, technologischen Zentren und innovativen Gründungsclustern, die oft mit Universitäten verbunden sind. Mit dem PNRR (Aufbau- und Resilienzplan) fördert der italienische Staat Investitionen in die technologische Ent­wick­lung. Insbesondere werden 30,6 Milliarden Euro für die Verbesserung der Innovation im privaten Produktions­system bereitgestellt. Ein Großteil der Investitionen ist für den Übergang 4.0 und die Einrichtung ultraschneller Netze (5G) vorgesehen. Die Hauptnutznießer werden KMUs sein, die Anreize erhalten, in Informationssysteme und digitale Werkzeuge zur Prozessoptimierung zu investieren.
 
Aus ausländischer Sicht bietet die Kapitalsituation vieler italienischer Unternehmen interessante Beteiligungs­mög­lich­keiten. Liquiditätsstarke Käufer mit starken Risikomanagement-Kapazitäten können in Italien verstärkt zum Zuge kommen. 

 

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Italien weiterentwickeln?

Die Finanzpolitik in den Jahren 2023 und 2024 gibt derzeit ein angemessenes Gleichgewicht zwischen finanz­politischer Vorsicht und Wachstumsförderung vor. Für eine nachhaltigere Schuldenquote wird eine stärkere Haushaltskonsolidierung erforderlich sein, die auch umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinter­zieh­ung und Ausgabenüberprüfungen umfassen sollte. Die laufenden Reformen der öffentlichen Verwaltung, des Justizsystems und des Wettbewerbs sind auf dem richtigen Weg und bleiben entscheidend für die mittelfristige Steigerung des BIP. Die vollständige Umsetzung des PNRR hat das Potenzial, das italienische BIP dauerhaft zu steigern. Die Ausgaben für die NextGenerationEU-Mittel liegen jedoch hinter dem Zeitplan zurück, was vor allem auf Verzögerungen bei der Umsetzung öffentlicher Investitionsprojekte zurückzuführen ist. 

 

Die Prioritäten der Regierung sollten darin bestehen, unrentable Projekte zügig zu ersetzen und die Kapazitäten der öffentlichen Verwaltung zu stärken, um die im PNRR vorgesehenen öffentlichen Ausgabenprojekte effizient zu verwalten und umzusetzen. Strukturreformen und eine stabile Regierung werden somit entscheidend sein, um das Wachstum zu fördern und die Schuldenquote zu senken.

 Kulturelle Besonderheiten in Italien

Video auf YouTube ansehen

Kontakt

Contact Person Picture

Dr. Vanessa Wagner

Rechtsanwältin, Avvocato

Associate Partner

+39 02 6328 841

Anfrage senden

 Wir beraten Sie gern!

 Publikation

 Unternehmer­briefing

Kein Themen­special verpas­sen mit unserem Newsletter!

Deutschland Weltweit Search Menu