Erfolgreich investieren in Kasachstan

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​​​​​​zuletzt aktualisiert am 17​. Juli 2025 | Lesedauer ca. 7 Minuten

   

 

   

Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Kasachstan ein?

Kasachstans Wirtschaft wuchs im Jahr 2024 solide. Nach vorläufigen amtlichen Angaben stieg das Bruttoinlandsprodukt real um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nominal erreichte das BIP rund 135 Billionen Tenge (etwa 288 Mrd. US-Dollar). Besonders dynamisch entwickelten sich einzelne Branchen: Die Landwirtschaft legte um 13,7 Prozent zu, das Bauwesen um 13,1 Prozent, der Groß- und Einzelhandel um 9,1 Prozent und der Transportsektor um 8,5 Prozent. Auch der IT- und Kommunikationssektor wuchs mit etwa 5 Prozent. Demgegenüber fiel das Wachstum der Industrie insgesamt moderater aus (+2,8 Prozent), was vor allem an einer Stagnation im wichtigen Bergbausektor lag (nahezu 0 Prozent Wachstum). Die verarbeitende Industrie hingegen verzeichnete ein kräftiges Plus von 5,9 Prozent.

Die Inflation hat sich nach dem Preisschub von 2022/23 etwas abgeschwächt. Im Jahresdurchschnitt 2024 betrug die Teuerungsrate 8,6 Prozent, nach 9,8 Prozent im Vorjahr. Insbesondere Nahrungsmittelpreise stiegen mit 5,5 Prozent deutlich langsamer als 2023 (+8,5 Prozent). Allerdings blieb der Preisdruck bei Dienstleistungen hoch (über 13 Prozent). Die Regierung rechnet für 2025 mit einer weiteren Entspannung der Inflation – ursprünglich war ein Zielkorridor von 5,5 – 7,5 Prozent für 2025 angesetzt. Angesichts aktueller Trends gestand das Wirtschaftsministerium jedoch ein, dass die Inflationsrate bis Ende 2025 voraussichtlich auf rund 10 Prozent hinauslaufen könnte. Die Wirtschaftsprognosen für 2025 bleiben dennoch optimistisch: Die Regierung erwartet ein anziehendes BIP-Wachstum von etwa 5 – 5,6 Prozent. Auch internationale Finanzinstitutionen prognostizieren für 2025 ein Wachstum um 4,5 – 5 Prozent. Insgesamt soll Kasachstan auf einen Entwicklungspfad einschwenken, der die Wirtschaftsleistung bis 2029 nahezu verdoppelt (auf ca. 450 Mrd. US-Dollar) – ein ambitioniertes Ziel, das kräftige Investitionen und Reformen erfordert.

Die verschiedenen Wirtschaftssektoren Kasachstans entwickelten sich 2024 sehr uneinheitlich. Wachstumstreiber waren vor allem die nicht-ressourcengebundenen Branchen und Bauinvestitionen. Wie erwähnt erzielten Landwirtschaft (+13,7 Prozent), Baugewerbe (+13,1 Prozent), Handel (+9,1 Prozent) und Transport / Logistik (+8,5 Prozent) außergewöhnlich hohe Zuwächse.

Als Reaktion auf die durch geopolitische Faktoren gestörten Lieferketten treibt Kasachstan strategisch die Entwicklung alternativer Handelsrouten voran. Besonders im Fokus steht der Transkaspische Korridor („Middle Corridor“) von China über Kasachstan, Aserbaidschan und die Türkei nach Europa. Präsident Tokajew bezeichnete diese Route als Priorität, um West-Ost-Verkehre unabhängiger von russischem Territorium zu machen. Entsprechend investiert die Regierung in den Ausbau von Hafeninfrastruktur am Kaspischen Meer, Eisenbahnkapazitäten und Zollvereinfachungen entlang dieses Korridors. Unterm Strich hat Kasachstan seine Rolle als „sicherer Hafen“ für Unternehmen in der Region gefestigt.
   

Wie würden Sie das Investitionsklima in Kasachstan beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Die kasachische Regierung arbeitet kontinuierlich daran, das Investitionsklima zu verbessern. Präsident Tokajew betont, ein „gerechtes und offenes“ Wirtschaftssystem schaffen zu wollen, das heimischen wie ausländischen Unternehmern gleiche Chancen bietet. 

Ein zentrales Instrument zur Verbesserung des Investitionsklimas sind die Sonderwirtschaftszonen (SWZ). Aktuell gibt es 14 SWZ im Land, die über das gesamte Staatsgebiet verteilt verschiedene Branchen fördern. In diesen Zonen genießen Investoren steuerliche und zollrechtliche Vergünstigungen – so entfällt meist die Körperschaftsteuer, es gibt erleichterte Visabestimmungen und eine bevorzugte Bereitstellung von Infrastruktur. Beispiele: Die SWZ „Astana – New City“ fördert Bauindustrie und Logistik in der Hauptstadt, die SWZ „Pavlodar“ die Chemie- und Aluminiumindustrie, „Taraz ChemPark“ die petrochemische Industrie, „IT-Parc Almaty“ die Tech-Branche usw. Neben den SWZ existieren auch mehrere Industrieparks mit Sonderkonditionen. Laut Gesetz werden SWZ für bis zu 25 Jahre eingerichtet – einige bestehende Zonen wie „Aktau Port“ am Kaspischen Meer oder „Khorgos Eastern Gate“ an der chinesischen Grenze sollen als Logistik-Hubs entlang der Neuen Seidenstraße dienen. Die Regierung überwacht die Effektivität der SWZ. Bislang sind dort über 150 Unternehmen aktiv, die beträchtliche Investitionen getätigt und tausende Arbeitsplätze geschaffen haben. Dennoch wird diskutiert, wie die Auslastung der Zonen erhöht und ein Missbrauch der Vergünstigungen verhindert werden kann.

Ein Prestigeprojekt zur Verbesserung des Finanz- und Investitionsumfelds ist das Astana International Financial Centre (AIFC). Dieses Finanzzentrum in der Hauptstadt (gegründet 2018 auf dem EXPO-Gelände) bietet eine einzigartige Sondergerichtsbarkeit nach englischem Common Law und ist mit internationalen Richtern besetzt. Es fungiert als „Staat im Staate“ für Finanz- und Professional-Services-Unternehmen: Teilnehmer genießen steuerfreie Bedingungen bis 2066, freie Konvertibilität und westliche Regulierungsstandards. Das AIFC hat sich in kurzer Zeit zum führenden Finanzhub Zentralasiens entwickelt. Über 3.500 Unternehmen aus 85 Ländern sind mittlerweile im AIFC registriert (Stand Ende 2024). Allein im Jahr 2024 kamen 1.100 Neuregistrierungen hinzu – deutlich mehr als im Vorjahr. Unter den AIFC-Firmen sind neben Banken und Versicherern (36 Prozent Finanzfirmen) auch viele Holdings, FinTech-Startups, Krypto-Börsen und Dienstleister. Die breite Länderpalette (USA, UK, China, Türkei, Singapur u.a.) zeigt die globale Anziehungskraft. 

Zusätzlich forciert die Regierung die Einrichtung weiterer Spezialzonen für Innovation und Digitalisierung (z.B. Techno-Parks) sowie öffentlich-private Partnerschaften im Infrastrukturbereich. Das allgemeine Investitionsklima hat sich nach Einschätzung vieler Beobachter spürbar verbessert: Die Investorenrechte werden besser geschützt, und Kasachstan bemüht sich, stabile Rahmenbedingungen zu bieten. Natürlich bleiben Herausforderungen bestehen (dazu im nächsten Abschnitt), doch insgesamt sendet das Land starke Signale, dass ausländisches Engagement willkommen ist und man bereit ist, dafür attraktive Konditionen zu schaffen.
    

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Kasachstan gegenüber?

Trotz aller Fortschritte gibt es weiterhin Herausforderungen für ausländische und speziell auch deutsche Unternehmen in Kasachstan. Ein zentrales Thema ist die Rechts- und Planungssicherheit. Zwar wurden Gesetze reformiert, doch kommt es in der Praxis teils zu inkonsistenter Anwendung von Vorschriften, z.B. bei Zollabfertigungen oder der lokalen Auftragsvergabe. Unternehmen monieren gelegentlich bürokratische Hürden und langwierige Genehmigungsverfahren außerhalb der Sonderzonen. Die Regierung ist bemüht, hier gegenzusteuern – unter anderem mit dem neuen Investitionsstab und der Überarbeitung des Steuer- und Unternehmensrechts.
 
Ein weiterer Punkt ist die Logistik. Kasachstan ist ein Binnenstaat von der Größe Westeuropas – Lieferketten sind entsprechend lang. Für deutsche Unternehmen, die Maschinen oder Vorprodukte importieren, stellte sich zuletzt verstärkt die Frage nach zuverlässigen Routen: die traditionelle Transitstrecke via Russland ist aufgrund des Krieges politisch riskanter und teilweise unter Sanktionsregimen. Alternativrouten über den Kaukasus (Mittlerer Korridor) oder per Luftfracht sind kostenintensiver und infrastrukturell noch im Aufbau. Kasachstan arbeitet zwar am Ausbau dieser Korridore, aber vorerst müssen Unternehmen längere Lieferzeiten und höhere Frachtkosten einplanen. Im Inland verbessert sich die Infrastruktur schrittweise – das Straßennetz zwischen den großen Städten wird modernisiert (z.B. Autobahn Astana-Almaty), die Bahnlogistik digitalisiert – dennoch bleiben Transporte in entlegene Regionen (etwa im Winter) herausfordernd.

Steuersystem und Abgaben: Kasachstan wirbt zwar mit moderaten Steuersätzen (20 Prozent Körperschaftsteuer, 12 Prozent Mehrwertsteuer) und vielen Steuererleichterungen in SWZ. Allerdings ist das Steuersystem komplex. Es gibt zahlreiche Sonderfälle, und die Steuerpraxis kann unvorhersehbar sein.

Lokalisierungs- und Personalarbeit: Ausländische Investoren sehen sich auch mit Anforderungen konfrontiert, einen Teil der Wertschöpfung lokal zu erbringen (Lokalisierungsquoten bei staatlichen Beschaffungen) und lokale Arbeitskräfte einzustellen. Deutsche Unternehmen loben zwar die gut ausgebildeten Fachkräfte in Kasachstan, berichten aber auch von Engpässen bei sehr spezialisiertem Personal. Die Arbeitsgesetzgebung verlangt zudem bestimmte Quoten für einheimische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Spitzenpositionen, was Planung erfordert. Visa für ausländisches Personal sind durch ein Quotensystem limitiert, aber in letzter Zeit etwas gelockert worden – insbesondere für hochqualifizierte Expats und im IT-Sektor.

Zusammengefasst sind die wichtigsten Herausforderungen die bürokratische Prozesse, Logistik / Transport, das Steuer- und Zollwesen sowie die Rechtsstaatlichkeit. Kasachstan ist sich dieser Punkte bewusst und arbeitet an Verbesserungen.

Stand der Digitalisierung: Kasachstan treibt die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung mit Nachdruck voran – mit sichtbaren Erfolgen. Im UN E-Government Development Index 2024 gehört Kasachstan zur Weltspitze: Es belegt Rang 24 von 193 Ländern und verbesserte sich damit um 4 Plätze gegenüber dem letzten Bericht. Dies ist das bisher beste Ergebnis für Kasachstan in diesem UNO-Ranking und platziert es noch vor Ländern wie der Schweiz, Frankreich oder China. Besonders stark ist Kasachstan bei Online-Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen: Im entsprechenden Unterindex (Online Service Index) erreichte Kasachstan 2024 sogar Platz 10 weltweit – gleichauf mit digitalen Vorreitern wie Südkorea und Dänemark, und vor Deutschland. Über das zentrale E-Government-Portal „eGov.kz“ können mittlerweile über 90 Prozent aller Behördengänge elektronisch erledigt werden – von der Firmengründung über Personenstandsdokumente bis hin zur Steuererklärung. Die Nutzungsrate dieser E-Services ist hoch: Rund 11 Millionen Kasachstaner (über 55 Prozent der Bevölkerung) besitzen ein digitales Bürgerkonto.

Die Regierung investiert massiv in digitale Infrastruktur und Kompetenzen. Laut dem Ministerium für digitale Entwicklung hat Kasachstan den Status einer Nation mit sehr hohem E-Government-Entwicklungsindex erreicht. Die Breitband-Abdeckung wird kontinuierlich ausgebaut, selbst abgelegene Dörfer sollen bis 2025 ans 4G-Netz angebunden werden. Im Telekommunikations-Infrastrukturindex kletterte Kasachstan auf Platz 41 (+23 Plätze). 
Darüber hinaus werden digitale Innovationen gezielt eingeführt: So testet die Verwaltung den Einsatz von künstlicher Intelligenz (z.B. Chatbots für Bürgeranfragen), Blockchain-Technologien (etwa für Grundbuch und Bildungsabschlüsse) und IoT-Sensorik für Smart City Anwendungen. Diese Modernisierungen sollen die Regierungsführung effizienter, transparenter und bürgernäher machen. Kasachstan führt auch die Gruppe der landlocked developing countries (LLDC) im Digitalindex an – es ist hier Nr. 1 unter den Binnenstaaten mit einem EGDI-Wert von 0,9009.

Parallel zum E-Government wird die digitale Wirtschaft gefördert. Programmierte Brancheninitiativen wie „Digital Kazakhstan“ haben z.B. die IT-Startup-Szene belebt. 2024 wurde berichtet, dass die Regierung 280 Mio. US-Dollar für Startup-Förderung bereit gestellt hat. Kasachstan hat mehrere Techno-Parks (z.B. Astana Hub), wo IT-Unternehmen steuerfrei agieren können. Dieser Sektor zieht Talente aus dem gesamten postsowjetischen Raum an. 
   

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Kasachstan weiterentwickeln?

Die kasachische Regierung hat klare strategische Leitlinien formuliert, um das Land in den kommenden Jahren umfassend wirtschaftlich zu transformieren. Im Zentrum steht der von Präsident Kassym-Schomart Tokajew proklamierte „Neue wirtschaftliche Kurs für ein Gerechtes Kasachstan“, der auf den Säulen Modernisierung, Diversifizierung und Digitalisierung beruht.

Ein zentrales Element dieser Strategie ist die Entwicklung und Umsetzung von Großprojekten, insbesondere im industriellen Bereich. Hierbei konzentriert sich die Regierung auf strategisch bedeutsame Sektoren wie die Petrochemie, Metallverarbeitung, die Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff, die Agrarindustrie sowie den Maschinenbau. Diese Bereiche sollen nicht nur zur Exportdiversifizierung beitragen, sondern auch neue Arbeitsplätze schaffen und technologische Kapazitäten im Inland stärken.

Die Digitalisierung stellt eine bereichsübergreifende Priorität dar. Kasachstan verfolgt die Vision einer vollständig vernetzten Industrie 4.0, in der E-Commerce, FinTech, digitale Verwaltung und innovative Start-ups zentrale Triebkräfte des Wachstums bilden. Staatliche Programme zur Förderung von Technologieunternehmen, digitale Infrastrukturausbauten und regulatorische Innovationen bilden hierfür die Grundlage.

Auch außenwirtschaftlich setzt Kasachstan auf eine multi-vektorale Strategie, die auf ausgewogene und gleichzeitige Partnerschaften mit unterschiedlichen globalen Akteuren abzielt. Das Land intensiviert seine Kooperation mit der Europäischen Union, unter anderem im Rahmen der Rohstoff- und Wasserstoffpartnerschaft mit Deutschland, fördert den Ausbau der Neuen Seidenstraße in Zusammenarbeit mit China und engagiert sich verstärkt in regionalen Initiativen wie dem Astana International Forum, das gezielt internationale Investitionen anziehen soll. Kasachstan versteht sich dabei als Brücke zwischen Ost und West – eine geopolitische und logistische Position, die gezielt genutzt werden soll, um Technologien, Know-how und Kapital aus aller Welt ins Land zu holen.

Zusammengefasst verfügt Kasachstan im Jahr 2025 über günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Transformation. Mit einem klaren Reformkurs, strategisch fokussierten Investitionsprojekten und internationaler Offenheit positioniert sich das Land als aufstrebender Wirtschaftsstandort mit langfristigem Potenzial in Zentralasien.​

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Michael Quiring

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