Erfolgreich investieren in der Türkei

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​​​​​zuletzt aktualisiert am 17. Juli 2025 | Lesedauer ca. 4 Minuten


 

   

   

Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in der Türkei ein?

Die türkische Wirtschaft zeigt weiterhin einen komplexen Verlauf, geprägt von einer hohen Inflation, einer schwankenden Währung und einer konsumfreudigen, jungen Bevölkerung. Trotz dieser Herausforderungen setzt sich das Wirtschaftswachstum fort.

Im April 2024 erreichte die Inflation einen neuen Höchststand von 69,8 Prozent im Jahresvergleich. Die Türkische Zentralbank reagierte mit einer weiteren Zinserhöhung von 45 auf 50 Prozent. Seit Ende 2024 wurde eine schrittweise Lockerung eingeleitet, sodass der Leitzins im Mai 2025 bei 46 Prozent lag. Die Zentralbank geht in ihrer aktuellen Prognose davon aus, dass die Inflationsrate bis Ende 2025 auf 24 Prozent sinken wird, gefolgt von einem weiteren Rückgang auf 12 Prozent im Jahr 2026 und schließlich auf 8 Prozent im Jahr 2027.

Trotz der geldpolitischen Straffung und der wirtschaftlichen Unsicherheiten verzeichnete das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein stetiges Wachstum: Von 905,5 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022 stieg es auf 1.118 Mrd. US-Dollar im Jahr 2023. Für 2024 wird ein Wachstum von 3,5 Prozent, für 2025 von 2,8 Prozent erwartet.

Die Türkische Lira bleibt volatil, verlor aber 2024 nur noch rund 18 Prozent gegenüber dem US-Dollar. Für Ende 2025 wird ein Wechselkurs von etwa 44 Türkische Lira / US-Dollar prognostiziert.

Die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Türkei hat sich seit 2024 stärker an konventionelle Prinzipien orientiert. Zinserhöhungen, Steueranpassungen und eine vorsichtigere Fiskalpolitik sollen die Inflation eindämmen. Gleichzeitig bleibt der private Konsum ein bedeutender Faktor, während Export und Tourismus als zentrale Wachstumstreiber fungieren. 

   

Wie würden Sie das Investitionsklima in der Türkei beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Das Investitionsklima in der Türkei ist trotz wirtschaftlicher Herausforderungen weiterhin von großem Interesse für internationale Investoren. Zwar sieht sich das Land mit einer hohen Inflation, einer schwankenden Währung und geopolitischen Unsicherheiten konfrontiert, doch bietet es gleichzeitig zahlreiche strukturelle Vorteile, die es zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort machen. Dazu zählen insbesondere die strategisch günstige Lage an der Schnittstelle zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten, eine junge und dynamische Bevölkerung sowie ein großer Binnenmarkt mit über 85 Millionen Konsumenten.

Die türkische Regierung verfolgt seit 2024 eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung mit dem Ziel, makroökonomische Stabilität zu erreichen. Dazu zählen gezielte Steuerreformen sowie umfangreiche Investitionsanreize, insbesondere in strukturschwachen Regionen. Ausländische Direktinvestitionen werden durch Steuervergünstigungen, Zollbefreiungen, günstige Kreditkonditionen und Infrastrukturmaßnahmen gefördert. Zudem wurden regulatorische Hürden für Unternehmensgründungen und Investitionen in den letzten Jahren schrittweise abgebaut.

Besonders großes Potenzial bieten mehrere zukunftsorientierte Branchen. Die Automobil- und Zulieferindustrie ist ein bedeutender Exportmotor des Landes und profitiert von internationalen Partnerschaften und einer gut entwickelten Fertigungsinfrastruktur. Maschinenbau und Elektrotechnik zählen zu den wachstumsstärksten Industriezweigen und bieten Chancen für Technologie- und Know-how-Transfer.

Ein weiterer Fokus liegt auf den Erneuerbaren Energien: Die Türkei verfügt über ein hohes Potenzial für Solar-, Wind- und Geothermieprojekte und verfolgt ambitionierte Ziele zur Reduktion fossiler Energieimporte. Auch die Landwirtschaft und Agrartechnologie gewinnen an Bedeutung – insbesondere durch die zunehmende Technologisierung und den steigenden Bedarf an nachhaltiger Produktion. Darüber hinaus sind der Bausektor und Infrastrukturprojekte weiterhin zentrale Wachstumstreiber. Der Tourismus, einschließlich des stark wachsenden Gesundheitstourismus, bleibt ein bedeutender Devisenbringer. Nicht zuletzt entwickelt sich die Informations- und Kommunikationstechnologie rasant weiter – mit einer lebendigen Start-up-Szene, staatlicher Förderung für Digitalisierung und wachsendem Interesse an Smart-City-Lösungen.

Insgesamt bietet die Türkei ein investitionsfreundliches Umfeld mit vielfältigen Chancen für Unternehmen, die bereit sind, sich in einem dynamischen, aber herausfordernden Markt zu engagieren. Wer langfristig denkt und flexibel auf wirtschaftliche Entwicklungen reagiert, kann hier von attraktiven Wachstumschancen profitieren. 
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Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in der Türkei gegenüber?

Deutsche Unternehmen, die in der Türkei investieren oder dort geschäftlich tätig werden möchten, sehen sich mit einer Reihe spezifischer Herausforderungen konfrontiert. Eine der zentralen Aufgaben besteht im Aufbau vertrauensvoller und langfristiger Partnerschaften – ein Aspekt, der in der türkischen Geschäftskultur von besonderer Bedeutung ist. Ebenso erfordert der Markteintritt ein fundiertes Verständnis der lokalen rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, die sich teils deutlich von den europäischen Standards unterscheiden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die strategische Bewertung der zahlreichen staatlichen Förderprogramme, insbesondere für produzierende Unternehmen und Neugründungen. Diese bieten zwar attraktive Anreize, setzen jedoch eine sorgfältige Analyse und Planung voraus. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind essenziell, denn das wirtschaftliche Umfeld in der Türkei ist dynamisch und verlangt von Unternehmen eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit. Sprachliche und kulturelle Unterschiede können zusätzliche Hürden darstellen, weshalb interkulturelle Kompetenz und lokale Expertise entscheidende Erfolgsfaktoren sind. Eine frühzeitige, fachkundige Beratung ist daher dringend zu empfehlen.

Die anhaltend hohe Inflation sowie die deutliche Abwertung der Türkischen Lira gegenüber Fremdwährungen stellen insbesondere für binnenmarktorientierte Unternehmen eine Belastung dar. Die türkische Regierung begegnet diesen Herausforderungen mit strukturellen Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung und Stärkung der Währung. Dabei fällt auf, dass die Wechselkursentwicklung im Vergleich zur Inflation moderater verläuft – ein Indiz für eine gewisse Stabilisierungstendenz.

Im Zuge der Pandemie haben viele Unternehmen ihre Geschäftsmodelle überdacht und setzen verstärkt auf Innovation und strategische Neuausrichtung. Dazu zählt auch die Erhöhung der lokalen Wertschöpfungstiefe, um unabhängiger von globalen Lieferketten zu agieren.

Die wirtschaftlichen Schwankungen der letzten Jahre, verbunden mit mehrfachen Mindestlohnerhöhungen, haben zu einem spürbaren Anstieg der Personalkosten geführt. Viele Unternehmen sahen sich gezwungen, Gehaltsstrukturen anzupassen und zusätzliche Leistungen einzuführen, um qualifizierte Fachkräfte zu halten.

Auch wenn die Türkei als Nicht-EU-Mitglied nicht direkt vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder ESG-Vorgaben betroffen ist, wirken sich diese zunehmend indirekt auf Tochtergesellschaften und Zulieferer aus. Unternehmen sind daher gut beraten, auch in der Türkei nachhaltige und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken zu implementieren, um internationalen Standards gerecht zu werden.
  

Wie fördert die Türkei durch Anpassungsfähigkeit und strategische Vorteile ihr nachhaltiges Wirtschaftswachstum?

Die Türkei hat sich in den vergangenen Jahren als bemerkenswert anpassungsfähig erwiesen. Durch schnelle wirtschaftspolitische Maßnahmen, strukturelle Anpassungen und eine zunehmende Digitalisierung konnte das Land flexibel auf globale Herausforderungen reagieren. Die fortschreitende Integration digitaler Technologien in Verwaltung und Arbeitswelt stärkt die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig.
 
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bleibt das große Potenzial an qualifizierten, jungen und wettbewerbsfähigen Arbeitskräften. Ergänzt wird dies durch eine gut ausgebaute Infrastruktur und die geostrategisch vorteilhafte Lage zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten – ein bedeutender Standortvorteil für Handel und Produktion.
 
Zudem setzt die türkische Regierung verstärkt auf Investitionen in die regionale Produktions- und Fertigungsindustrie sowie in den Energie- und Umweltsektor. Besonders der Ausbau nachhaltiger und erneuerbarer Energien unterstreicht die langfristige Ausrichtung auf eine zukunftsfähige, resiliente Wirtschaft. Diese Entwicklungen schaffen eine solide Grundlage für nachhaltiges Wachstum und bieten Unternehmen vielfältige Chancen in einem sich wandelnden Marktumfeld.

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Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Türkei weiterentwickeln?

Die Anpassungsfähigkeit, gepaart mit einer weiterhin wachsenden Wirtschaft, stützt einen grundsätzlich positiven Ausblick auf die kommenden Jahre. Mittel- bis langfristig bestehen für Unternehmen gute Chancen, insbesondere aufgrund der im internationalen Vergleich soliden Wachstumsraten, einer jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung und einer ausgeprägten unternehmerischen Mentalität.

Zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden verschiedene Maßnahmenpakete geschnürt – u.a. zur Abfederung von Wechselkursverlusten und zur Eindämmung der Inflation. Erste Anzeichen einer Stabilisierung zeigen sich bereits im ersten Quartal 2024, insbesondere durch eine auffallend konstante Entwicklung des Wechselkurses seit März.

Die wirtschaftliche Perspektive der Türkei bleibt vielversprechend: Bei erfolgreicher Eindämmung der Inflation, einer Rückführung der Leistungsbilanzdefizite und einer Stärkung des Investorenvertrauens kann die türkische Wirtschaft in den kommenden Jahren kräftig wachsen. Die Regierung verfolgt dabei eine zunehmend strukturorientierte Politik mit Fokus auf nachhaltige Entwicklung und regionale Wertschöpfung.

Ein weiterer Vorteil liegt in der ausgeprägten Krisenresilienz des Landes. Die Erfahrungen aus früheren wirtschaftlichen und geopolitischen Krisen haben sowohl die staatlichen Institutionen als auch die Bevölkerung in ihrer Anpassungsfähigkeit gestärkt – ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil im internationalen Vergleich.

Als wirtschaftliches und geopolitisches Bindeglied zwischen Ost und West bleibt die Türkei ein wettbewerbsfähiger und strategisch bedeutender Partner – sowohl für europäische Unternehmen als auch für den globalen Handel.​

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Korhan Dengiz

Auditor (Türkei), Tax Consultant (Türkei)

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