Transnationale Entsendung von Arbeitnehmern in Italien: Dekret zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/957 im Amtsblatt

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aktualisiert am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 3,5 Minuten

  

Das Gesetzesdekret Nr. 122 vom 15. September 2020, durch welches die EU-Richtlinie 2018/957 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über grenzüberschreitende Entsendungen von Arbeitnehmern in italienisches Gesetz umgesetzt wurde, ist im Amtsblatt veröffentlicht worden.

  

  
  
Dieser Eingriff hatte nicht zum Ziel, die Gesamtstruktur der geltenden Vorschriften in diesem Bereich, die im Gesetzesdekret Nr. 136/2016 enthalten sind, komplett zu verändern, sondern stärkt vielmehr deren Inhalt, um einen besseren Schutz der entsandten Arbeitnehmer zu gewährleisten.
 
Die Reform war insbesondere durch die Absicht motiviert, nicht nur illegale Phänomene (wie betrügerische grenzüberschreitende Entsendungen oder Sozial- und Lohndumping) zu bekämpfen, sondern auch jene Fälle, die, auch falls sie legitim oder zumindest gebräuchlich sein mögen, den Wettbewerb zwischen europäischen Unternehmen verzerren und es so einigen Realitäten ermöglichen, die Vorteile des freien Marktes zum Nachteil „lokaler“ Unternehmen zu nutzen, die in geographischen Gebieten tätig sind, in denen höhere Arbeitskosten anfallen.
 
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Anwendungsbereich der Vorschriften über Entsendungen im Vergleich zu den früheren Regelungen erweitert wurde.
 
Es  werden nun erfasst:

  1.  Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat, die ihre Arbeitnehmer nach Italien entsenden, vorausgesetzt, dass während des Entsendezeitraums das Arbeitsverhältnis zwischen dem entsandten Arbeitnehmer und dem entsendenden Unternehmen bestehen bleibt;
  2. Unternehmen mit Sitz in einem Staat außerhalb der EU, die ihre Arbeitnehmer nach Italien entsenden;
  3. Leiharbeitsunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat außerhalb Italiens, die ihre Arbeitnehmer an ein Verwender-Unternehmen mit Sitz in Italien entsenden.


Gerade in Bezug auf den letztgenannten Fall,  hat die Reform ausdrücklich auch einige Fallstellungen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung in den Anwendungsbereich der Regelung der grenzüberschreitenden Entsendung einbezogen, die bisher aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen waren, nämlich diejenigen, in denen ein Leiharbeitsunternehmen:

  1. einen oder mehrerer Arbeitnehmer an ein Verwender-Unternehmen im Staatsgebiet desselben Mitgliedstaates entsendet, und letzteres Unternehmen diese Arbeitnehmer im Rahmen einer grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen (abweichend von einer Arbeitskräfteüberlassung) an eine eigene Produktionsstätte oder an die eines anderen Unternehmens desselben Konzerns nach Italien sendet; oder
  2. einen oder mehrerer Arbeitnehmer an ein Verwender-Unternehmen - mit Sitz oder Produktionsstätte in Italien - entsendet, die anschließend von diesem Unternehmen im Rahmen einer grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen (abweichend von einer Arbeitskräfteüberlassung) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als dem, in welchem das Leiharbeitsunternehmen seinen Sitz hat, gesendet werden.


In diesen letztgenannten Fällen gelten die Arbeitnehmer als direkt von dem Leiharbeitsunternehmen, mit dem das Arbeitsverhältnis besteht, entsandt, und folglich gelten auch für diese Arbeitnehmer die Rechtsnormen des Ortes, an welchem die Arbeitsaktivität tatsächlich ausgeführt wird, in gleicher Weise wie im Falle der Entsendung von Arbeitnehmern italienischer Leiharbeitsunternehmen ins Ausland.
 
In Bezug auf diese „Dreieckverhältnis“-Fälle,  hat das gegenständliche Gesetzesdekret auch eine weitere Verpflichtung für das in Italien ansässige Verwender-Unternehmen eingeführt, das nun auch verpflichtet ist, das entsendende Leiharbeitsunternehmen über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu informieren, welche auf die entsandten Arbeitnehmer anzuwenden sind.
 
Zu letzterem Punkt ist anzumerken, dass bereits das vorangehende Gesetzesdekret Nr. 136/2016 vorgeschrieben hat, dass für Arbeitsverhältnisse zwischen entsendenden Unternehmen und entsandten Arbeitnehmern für die gesamte Dauer der Entsendung die gleichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gelten, die im Aufnahmemitgliedstaat für „einheimische Arbeitnehmer“ vorgesehen sind, welche ähnliche unselbstständige Tätigkeiten ausüben.
 
In Übereinstimmung mit der Richtlinie hat das gegenständliche Gesetzesdekret jedoch die Auflistung der Bedingungen -unter denen die Anwendung des Rechts des Ortes, an dem die Arbeitsleistung tatsächlich ausgeführt wird, vorgesehen ist- besser umrissen.
 
Insbesondere wurde festgelegt, dass - sofern diese günstiger sind - für entsandte Arbeitnehmer dieselben Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gelten, die einerseits im italienischen Recht vorgesehen sind, sowie andererseits in den nationalen oder territorialen Tarifverträgen enthalten sind, die von den auf nationaler Ebene vergleichsweise repräsentativeren Gewerkschaftsorganisationen festgelegt wurden (mit der ausdrücklichen Ausnahme von betrieblichen Tarifverträgen), und das in Bezug auf die folgenden Bereiche:

  1. Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten;
  2. Bezahlter Mindestjahresurlaub;
  3. Entlohnung, einschließlich der Überstundenzuschläge (diese Bestimmung gilt nicht für zusätzliche betriebliche Altersversorgungssysteme);
  4. Bedingungen für die Überlassung von Arbeitnehmern (unter besonderer Berücksichtigung der Überlassung von Arbeitskräften durch Leiharbeitsunternehmen);
  5. Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz;
  6. Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen;
  7. Gleichbehandlung von Männern und Frauen und andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen;
  8. „angemessene“ Unterbringungsbedingungen, falls eine solche Unterkunft vom Arbeitgeber in Fällen bereitgestellt wird, in denen die Entsendung an einen vom gewöhnlichen Arbeitsort entfernten Ort erfolgt; und
  9. Entschädigungen oder Erstattungen zur Deckung der Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten, falls der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen vom Ort seiner dienstlichen Verwendung weggeschickt wird.


Darüber hinaus wird für die Zwecke dieser Vorschriften der Begriff der „Entlohnung“ neu bestimmt, die nach der Gesetzesänderung nun auch alle „Entlohnungsbestandteile umfasst, die dem Arbeitnehmer für die Entsendung gezahlt werden“, mit Ausnahme der Erstattung von Verpflegungs-, Unterbringungs- oder Reisekosten, die ausschließlich für die Entsendung anfallen und vom Arbeitgeber gemäß den im Mitgliedstaat des entsendenden Unternehmens im Sinne der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vorschriften erstattet werden.
 
Diese Spezifizierung ist besonders wichtig, da die Entlohnung, korrekterweise interpretiert, in jedem Fall die Mindestentlohnungssätze des Ortes, an dem die Arbeitsleistung tatsächlich ausgeführt wird, einhalten muss, sowie im Einklang mit der Vergütung der Arbeitnehmer des aufnehmenden Unternehmens stehen muss.
 
Schließlich sieht das gegenständliche Gesetzesdekret auch eine Verkürzung der maximalen Entsendungsdauer von 24 auf 12 Monate vor (die mit begründeter Mitteilung an das Arbeitsministerium auf 18 Monate verlängerbar ist).
 
Nach Überschreitung der Höchstdauer, gilt für die entsandten Arbeitnehmer das Nachfolgende: Zusätzlich zu den oben aufgeführten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gelten für die entsandten Arbeitnehmer, sofern günstiger, „alle Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die in Italien durch Gesetze und nationale und territoriale Tarifverträge von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, die auf nationaler Ebene vergleichsweise repräsentativer sind, vorgesehen sind“, mit Ausnahme derjenigen, die sich auf die folgenden Bereiche beziehen:

  1. Verfahren und Bedingungen für Abschluss und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses;
  2. Wettbewerbsverbote;
  3. Zusatzaltersvorsorge bestimmter Arbeitnehmerkategorien.


Um einen umgehenden Gebrauch von Entsendung zu vermeiden, wird ex lege in die Höchstdauer auch der Zeitraum einbezogen, während dessen ein anderer Arbeitnehmer -der einen zuvor entsandten Arbeitnehmer bei der Ausübung derselben Arbeitsaufgaben ersetzt- tätig wird (sogenannte „Kettenentsendung“).
 
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass das neue Gesetzesdekret unmittelbar, nämlich ab dem 30. September 2020, in Kraft tritt.

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