Betriebsstätte Italien: Die Relevanz der ausgeübten Tätigkeiten für die Umsatzsteuer ist von Fall zu Fall zu beurteilen

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veröffentlicht am 2. August 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Die italienischen Steuerbehörden kommen in ihrer Antwort Nr. 374/2023 erneut auf die Frage zurück, ob eine Betriebsstätte, die mehrere Tätigkeiten ausübt und z.B. an Kauf- und Verkaufsgeschäften beteiligt ist, für Zwecke der Umsatzbesteuerung vorliegt.

 
 
Diese Antwort reiht sich somit in eine Reihe anderer Praxisdokumente ein, mit denen die italienische Finanzverwaltung im Laufe der Jahre klargestellt hat, dass die Überprüfung, ob eine Niederlassung sowohl für Zwecke der direkten Steuern als auch für Zwecke der Umsatzsteuer eine Betriebsstätte darstellen kann, von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der konkreten Merkmale, der Struktur und der konkreten Art, in der das ausländische Gesellschaft seine Geschäftstätigkeit in Italien ausübt, vorgenommen werden muss.
 
Der Vergleich der verschiedenen Antworten auf Fragen zum Thema hat jedoch zu mehr Unsicherheit in diesem Bereich geführt, da nach den aktuelleren Auslegungen eine Einzelfallprüfung erforderlich ist, bei der insbesondere die einzelnen Tätigkeiten der Betriebsstätte und die Relevanz dieser Tätigkeiten in Bezug auf die Haupttätigkeiten der Muttergesellschaft zu bewerten sind.
 
Insbesondere betrifft diese Antwort ein niederländisches Unternehmen, das beabsichtigt, seine Geschäfts­tätig­keit in Italien durch eine Betriebsstätte zu erweitern. Diese feste Niederlassung, die praktisch aus sieben Mitarbeitern besteht, wird für die Informationsbeschaffung, die Ermittlung neuer Geschäftsfelder, die Kunden­beziehungen, die Verwaltung des Warenein- und -ausgangs, die Rechnungsstellung sowie die Qualitätskontrolle und die Entwicklung neuer Produkte zuständig sein und von der Muttergesellschaft angemessen entlohnt werden.
 
Die Genehmigung der Haupttätigkeiten, die Aushandlung der Bedingungen und die Unterzeichnung der Ver­träge bleiben jedoch bei der Muttergesellschaft. Der Steuerpflichtige betont, dass einige der auszuführenden Tätigkeiten zwar nur unterstützend sind, aber andere, von der Betriebsstätte ausgeführte Tätigkeiten (z.B. Produktentwicklung und Qualitätskontrolle) für die Ausführung der Hauptgeschäfts­tätig­keit der Mutter­gesell­schaft von Bedeutung sind und daher die Betriebsstätte den in Italien vorgesehenen Umsatzsteuerpflichten unterliegen könnte. In diesem Zusammenhang weist die Steuerbehörde unter Referenzierung auf frühere Praxis­dokumente (Nr. 52/2021 und Nr. 57/2023) darauf hin, dass die Ausübung einer einfachen Unterstützungs­tätigkeit nicht ausreicht, um die Beteiligung der Betriebsstätte an der Transaktion als relevant zu bezeichnen, und dass die Beteiligung der Betriebsstätte von Fall zu Fall und in Bezug auf jede Transaktion zu beurteilen ist.
 
Die von der niederländischen Gesellschaft aufgeworfene Frage geht auf eine Auslegung von Art. 192a der europäischen MwStSystRL zurück, wonach ein Steuerpflichtiger, der Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat ausführt, in dem er eine Niederlassung hat, nicht als in diesem EU-Mitgliedstaat ansässig gilt, wenn diese feste Niederlassung nicht an der Lieferung beteiligt ist.
 
Gemäß Art. 17 Abs. 2 und 4 D.P.R. Nr. 633/1972 werden aus italienischer Sicht die Umsatzsteuerverpflichtungen von gebietsfremden Personen an italienische Subjekte von den Erwerbern oder Käufern erfüllt, mit Ausnahme von Umsätzen, die über eine feste Niederlassung getätigt werden. Wenn der Umsatz durch die aktive Beteiligung einer Betriebsstätte zustande kommt, wird der Status eines in Italien umsatzsteuerpflichtigen Unternehmens angenommen.
 
Darüber hinaus nennt Art. 53 der EU-Verordnung 282/2011 (MwStVO) die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Betriebsstätte bei umsatzsteuerlich relevanten Umsätzen als aktive Partei nach der italienischen Vorschrift Art. 192-bis gilt:
  • Die Betriebsstätte muss durch einen ausreichenden Grad an Beständigkeit und eine angemessene personelle und technische Struktur gekennzeichnet sein, die es ihr ermöglicht, die Lieferungen von Gegenständen oder die Dienstleistungen, an denen sie beteiligt ist, zu erbringen;
  • diese technischen und personellen Mittel von dem Gebietsfremden zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, die mit der Erbringung dieser Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen in dem EU-Mitgliedstaat vor oder während der Erbringung dieser Lieferungen verbunden sind.
 

Hinweise für die Praxis

In Anbetracht dieser Bestimmungen scheint es einfach zu sein, den Tätigkeitsbereich einer Betriebsstätte zu definieren. In der Praxis stellt sich jedoch die Frage, wie die Voraussetzungen des Art. 53 MwStVO zu beurteilen und auszulegen sind. Dabei geht es vor allem um die Beurteilung der Angemessenheit der personellen und technischen Ressourcen und die Quantifizierung des Grades der Dauerhaftigkeit der Betriebsstätte.
 
Die Beurteilung der Angemessenheit der Anforderungen an die Betriebsstätte muss sich mit der Art und Größe des Unternehmens (der Muttergesellschaft) orientieren, worauf sich die Steuerverpflichtungen anschließen.
 
So unterwirft beispielsweise das Fehlen des Erfordernisses einer angemessenen Personalstruktur die Betriebsstätte ausschließlich der Verpflichtungen im Bereich der direkten Steuern, während im Gegenteil das Vorhandensein dieses Erfordernisses bei Vorliegen aller anderen Voraussetzungen auch die Erfüllung der Verpflichtungen im Bereich der Umsatzsteuer erfordert.
 
Schließlich stellt sich die Frage, ob das Fehlen von Ausführungen, die eine eindeutige Bestimmung des Tätigkeitsbereichs einer Betriebsstätte ermöglichen, zu Auslegungskonflikten zwischen den Steuerbehörden und dem Steuerpflichtigen führen kann.
 
Nach einer anderen Auslegung der Vorschrift und der aktuellen Bestimmungen der italienischen Finanzbehörde könnte eine Niederlassung, die bereits in Betrieb ist, unwissentlich in den Status eines Steuerpflichtigen für Umsatzsteuerzwecke fallen.
 
In diesem Fall wäre es ratsam, die Abläufe und die Aufteilung der Tätigkeiten zwischen der Muttergesellschaft und der Zweigniederlassung zu überprüfen, um die steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen und das Risiko von Steuerbescheiden und daraus resultierenden Strafen zu vermeiden. Wir unterstützen Sie hierbei gerne zur gesamtheitlichen Beurteilung aus den verschiedenen Blickwinkeln, umsatzsteuerlich und ertragsteuerlich. 
 
Derzeit ist in vielen EU-Mitgliedstaaten Bewegung in der Bestimmung und Festlegung (umsatz-)steuerlicher Betriebsstätten, was sich an den letzten zahlreichen Rechtsprechungen des EuGH zeigt, inwieweit bezogene (Sub-)Unternehmerleistungen, fremdes Personal, ein Lager, auch ein mobiles Lager z.B. in Form eines Pkws mit Ersatzteilen für einen lokalen Markt, ein „Konzept für eine dicht angelegte Struktur an Mobilfunkmasten“ (in Österreich etwa) zu (umsatz-)steuerlichen Betriebsstätten seitens der Finanzverwaltung Betriebsstätten bereits begründen. Für neue Geschäftsmodelle sind hier steuerliche Einschätzungen dringlich empfohlen, um für Sachverhalte zum operativen Geschäft vorausschauend Eckpfeiler und Pain Points vorzudefinieren zum Vorliegen oder Vermeiden von Betriebsstätten. 

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