BaFin Konsultation – Liquiditätsstresstests für deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften

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Am 13. Oktober 2017 veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Entwurf einer Empfehlung für Liquiditätsstresstests deutscher Kapitalverwaltungsgesellschaften und stellte diesen zur Konsultation (Konsultation 12-2017; WA 46-AZB 1130-2017/0002). 

Der 34-seitige Bericht umfasst die Ergebnisse einer Status-quo-Analyse, die auf einer im Sommer 2017 durchgeführten Befragung ausgewählter Kapitalverwaltungsgesellschaften basiert. Im Fokus standen dabei das Liquiditätsmanagement sowie das Liquiditätsstresstesting. Festgestellt wurden die Ergebnisse des Berichts sowohl durch vorliegende Dokumente als auch durch Vor-Ort-Gespräche. Im Zuge der Veröffentlichung der Resultate geht die BaFin insbesondere auch auf die Durchführung von regelmäßigen Stresstests ein, die den Fondsgesellschaften ihre Schwachstellen aufzeigen und sie auf Notsituationen vorbereiten sollen.  

Wir möchten Ihnen die darin vorgeschlagenen Änderungen und Neuerungen mit Hilfe folgender drei Fragen näher bringen:

Frage 1: Wozu sollen die Liquiditätstests dienen?

Liquide ist eine Fondsgesellschaft dann, wenn sie in der Lage ist, dem Rückgabeverlangen der Anleger bzw. sonstigen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Bei offenen Investmentfonds können Investoren grundsätzlich jederzeit ihre Fondsanteile zurückgeben und eine kurzfristige Auszahlung ihres Investments verlangen. Kommt dies bei vielen bzw. großen Investoren gleichzeitig vor, kann es mitunter zu gravierenden Liquiditätsproblemen für die betreffende Fondsgesellschaft kommen. In diesem Fall können Fonds oftmals gezwungen sein, Vermögenswerte zu einem niedrigen Preis zu verkaufen. Es droht eine Liquiditätsspirale, die auch zu Ansteckungseffekten führen kann. Werden Vermögenswerte zu einem niedrigeren Preis verkauft, befürchten Anleger gegebenenfalls einen weiteren Wertrückgang ihrer Anteile und verkaufen selbige. Dadurch muss die Fondsgesellschaft ihren Preis für die Vermögenswerte wiederum senken, was zu einer für sie bedrohlichen und ggf. in die Insolvenz führenden Lage führen kann. Es gilt also, Ansteckungseffekte zu verhindern.

Jedoch ist im Fall einer bedrohlichen Lage einer großen Fondsgesellschaft – im schlimmsten Fall ihrer Insolvenz – nicht nur die Gesellschaft selbst betroffen. Auch eine Auswirkung auf das gesamte Finanzgeschehen ist möglich. Haben Anleger aufgrund eines Wertrückgangs ihrer Anteile am Finanzmarkt kein Vertrauen mehr in diesen, so ist es möglich, dass sie auch von anderen Fondsgesellschaften die Rücknahme ihrer Anteile verlangen, auch wenn sich diese Fondsgesellschaften selbst nicht in einer bedrohlichen Lage befinden. Auf diesem Wege können somit auch andere Gesellschaften in Mitleidenschaft gezogen werden, was im schlimmsten Fall sogar dramatische Auswirkungen auf die gesamte Finanzstabilität haben kann.

Dies erkannte auch der Finanzstabilitätsrat (FSB), der bereits Anfang des Jahres im Rahmen seiner Empfehlungen zur Bekämpfung von Risiken für die Finanzstabilität, die durch Tätigkeiten der kollektiven Vermögensverwaltung entstehen, die Durchführung von Stresstests empfohlen hatte. Demnach verlangt der FSB von der nationalen Aufsichtsbehörde unter anderem Orientierungshilfen für die Durchführung bestimmter Stresstests, um das Liquiditätsrisikomanagement der Fonds zu unterstützen und auf diesem Weg die Finanzstabilitätsrisiken zu mindern. Zwar können solche Stresstests nicht jedes Risiko restlos ausschalten, dennoch ist die Fondsgesellschaft bei einer Stresserprobung besser für den Ernstfall gerüstet.

Frage 2: Worin bestehen in der Praxis besondere Schwierigkeiten?

Die Schwierigkeiten liegen im Zusammenhang mit Risikoanalysen insbesondere darin, das Rückgabeverhalten der Anleger richtig einzuschätzen, um die Liquidität der Fondsgesellschaft im Falle eines bzw. mehrerer Auszahlungsbegehren sicherstellen zu können. Hierzu müssen primär die Anlegerstrukturen aufgedeckt und das daraus resultierende Gefahrenpotential analysiert werden. Hohe Risiken für Liquiditätsengpässe stellen solche Anleger dar, die einen bedeutenden Fondsanteil innehaben, da ihnen im Fall einer Rückgabe dieser Fondsanteile meist kurzfristig eine hohe Summe ausgezahlt werden müssen. 

Durch das Aufzeigen der Anfälligkeit für bestimmte Stresssituationen können bereits im Vorfeld einer bestehenden Risikosituation Lösungen erarbeitet und Abhilfemaßnahmen getroffen werden, damit im Fall des tatsächlichen Eintritts der Notsituation Liquiditätsengpässe vermieden werden können und ein gutes Risikomanagement betrieben werden kann. Ist eine Fondsgesellschaft bereits stresserprobt, wenn auch nur in der Theorie, so kann sie im Ernstfall besser und schneller reagieren.

Die Untersuchung im Sommer 2017 ergab, dass sich die bereits durchgeführten Stresstests der Fondsgesellschaften deutlich in Art und Umfang unterscheiden. Regelmäßig splitten sich die Tests in Aktiv-  und Passivseite auf. Die Aktivseite befasst sich vor allem mit dem Marktliquiditätsrisiko. Bezüglich der Stresstests findet eine Simulation einer verschlechterten oder gar mangelnden Liquidität der Fondsgesellschaft statt, mit der sie umzugehen hat. Hingegen handelt es sich bei der Passivseite um die Überwachung und Einschätzung der erwarteten und tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen. Zur Prognose wird vor allem das Auszahlungsverlangen in der vergangenen Zeit herangezogen. Innerhalb der Stresstests wird hier ein erhöhtes Rückgabeverlangen simuliert, was zu einer Verminderung der Mittel der Gesellschaft führt. Liegen die Ergebnisse der Aktiv- und der Passivseite vor, wird ein gemeinsames Ergebnis bezüglich der Reaktion der Fondsgesellschaft festgestellt, das meist mithilfe eines Ampelsystems bewertet wird. 

Frage 3: Wie sollen diese Schwierigkeiten nun gelöst werden?

Bereits in der Vergangenheit tastete sich der Gesetzgeber an das vorliegende Problem heran. Zunächst versuchte er zumindest für Immobilienfonds eine gewisse Sicherheit zu schaffen, indem er Mindesthaltedauern sowie bestimmte Kündigungsfristen einführte. Es kann jedoch nicht nur bei Immobilienfonds zu Liquiditätsengpässe kommen, weshalb sich die BaFin für die Einführung von Liquiditätsstresstests auf Ebene der Kapitalverwaltungsgesellschaften einsetzt.

Für mögliche Stellungnahmen bzgl. des Entwurfes wurde durch die BaFin eine Frist bis zum 27. Oktober 2017 gesetzt. Das Verfahren soll ohne Anhörung durchgeführt werden und bleibt somit ausschließlich auf schriftlicher Basis. Gerne halten wir Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden.

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Dr. Christian Conreder

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