Einordnung von Einkünften aus einem Schneeballsystem

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem gestern veröffentlichten Beschluss vom 5. Oktober 2017 (Az. VIII R 13/14) zu der Einordnung von Einkünften aus einem Schneeballsystem Stellung bezogen. In der Vergangenheit hat der BFH bereits zu der Frage des Zuflusses von Kapitaleinnahmen aus Schneeballsystemen geurteilt (vergleiche BFH-Urteil vom 11. Februar 2014, Az. VIII R 25/12). Der BFH kommt in seinem aktuellen Beschluss zu dem Ergebnis, dass es für die steuerliche Einordnung der Einkünfte aus einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Rahmen eines Schneeballsystems entscheidend darauf ankommt, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers bei objektiver Betrachtung darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des Betreibers des Schneeballsystems abzustellen ist. Dem BFH lag folgender Streitfall zugrunde: 

Die in Deutschland steuerlich ansässigen Privatpersonen (Kläger) haben sich in den Streitjahren an einer US-amerikanischen Corporation (B) beteiligt, bei der es sich um eine Aktiengesellschaft nach US-amerikanischem Recht handelt. Die Beteiligungen an dieser Gesellschaft wurden in Aussichtstellung hoher Renditen in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben. In den Prospekten und den von den Anlegern unterschriebenen Beitrittserklärungen wurden die Anleger als „Gesellschafter” bzw. „stille Gesellschafter” bezeichnet. In neueren Prospekten seit den Jahren 2009 werden hingegen die Anlagen als Aktienbeteiligungen beworben. Die Anlagegelder sollten in einen Vermögenspool fließen, aus dem die US-Gesellschaft (B) unter anderem Großbanken Sicherheitskapital für Finanzgeschäfte zur Verfügung stellen wollte.  

Den Klägern wurde eine jährliche Rendite von 15,5 Prozent ihrer Anlagesummen in Aussicht gestellt, gleichzeitig waren sie bis zur Höhe ihres Anlagekapitals an den Verlusten aus den Handelsgeschäften der B beteiligt. 

Die Kläger leisteten zwischen den Jahren 2002 und 2007 Anlagebeträge an die B. Durch jährlich erteilte Abrechnungen von der B für die Streitjahre, die eine Rendite von 15,5 Prozent auswiesen, wurde den Anlegern der Erfolg des Produktes vorgetäuscht. Tatsächlich wurde mit den eingezahlten Anlagegeldern Zins- und Rückzahlungsansprüche von anderen Anlegern befriedigt. Bei Kündigung der Anlage wurden die Anlagenbeträge samt der Renditen ausgezahlt. Bei Nichtkündigung wurde der Anlagebetrag erhöht und der Renditebetrag neu angelegt. Tatsächliche Auszahlungen seitens der B an die Anleger erfolgten zumindest bis Anfang des Jahres 2010. 

Die Kläger haben in ihren Steuererklärungen für die Streitjahre die Einkünfte aus den Beteiligungen an der B als steuerpflichtige Kapitaleinkünfte im Sinne des § 20 EStG nicht erklärt. 

Auf Anforderung des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung haben die Kläger nachträgliche Angaben zu Ihren Beteiligungen aus der B vorgenommen. Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, die Kläger hätten aus den Beteiligungen an der B Einnahmen als stille Beteiligte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen erzielt, die sie hätten erklären müssen. Demgegenüber führten die Kläger aus, dass ihrer Ansicht nach keine Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlagen, da es im amerikanischen Recht den Begriff der „stillen Beteiligung” nicht gebe. Denn eine solche stille Beteiligung an einer US-amerikanischen Firma sei nicht möglich. Vielmehr habe es sich um den Kauf von Anteilen an Aktien gehandelt, wie es auch auf den Beitrittsbeteiligungen vermerkt und auf der Rückseite der Beitrittserklärungen nochmals verdeutlicht worden sei. Folglich handelt es sich um Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft. Die Gewinne aus einer solchen Beteiligung sind vielmehr als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG in der Fassung des Streitjahres nur dann steuerpflichtig, wenn die Anschaffung sowie die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt. Da diese Einjahresfrist jedoch zum Zeitpunkt der Auszahlungen der B überschritten wurde, wären die erhaltenen Zahlungen nach Ansicht der Kläger steuerfrei. 

Der Einspruch der Kläger und die anschließende Klage wurde vom Finanzgericht Köln mit Urteil vom 19. März 2014 (Az. 14 K 2824/13) abgewiesen. 

Der BFH hat die Entscheidung des Finanzgerichtes im Rahmen der Revision inhaltlich bestätigt. In der Begründung führt der Senat aus, dass für die Einordnung einer Rechtsbeziehung unter einen der Tatbestände des § 20 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen) maßgeblich ist, wie sie sich aus Sicht des Kapitalanlegers als Leistungsempfänger bei objektiver Betrachtungsweise darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des Betreibers des Schneeballsystems abzustellen ist. Für die Einordnung der Beteiligungen der Kläger an der B als stille Beteiligung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG kommt es somit darauf an, was die Vertragsparteien auf Grundlage der getroffenen Vereinbarungen wirtschaftlich gewollt haben und ob der unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde Vertragswille objektiv auf den Abschluss eines Gesellschaftsverhältnisses gerichtet ist, das den Merkmalen einer inländischen stillen Gesellschaft entspricht. 

Vor diesem Hintergrund war für die rechtliche Einordnung die Bildung einer Risikogemeinschaft und Vereinbarung einer Erfolgs- und Verlustbeteiligung, die ein typisches Merkmal eines Gesellschaftsverhältnisses bildet, maßgeblich. Unerheblich ist hingegen, ob im Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen der Begriff „stille Gesellschaft” erwähnt wird und ob die Vereinbarungen zwischen Anleger und Betreiber des Schneeballsystems ausdrückliche Regelungen über Kontrollrechte der Anleger enthalten. Darüber hinaus haben die Kläger weder Nachweise für eine Stellung als Aktionär der B vorgelegt (z.B. Fehlen von Aktienurkunden oder Nachweisen zur Berechtigung an sammelverwahrten Aktien, fehlende Auszüge aus einem Gesellschaftsbuch, fehlende Nachweise zu Kapitalerhöhungen der B), noch hat auch die vertraglich vereinbarte Befristung der jeweiligen Anlagen und die Mitteilung abrufbarer oder wieder anzulegender Renditebeträge für das Vorliegen von Vorzugsaktien gesprochen.  

Da nach Ansicht des BFH eindeutig von einer stillen Beteiligung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG auszugehen ist, führen im Einklang mit der ständigen BFH-Rechtsprechung Gutschriften oder die Wiederanlage von Renditen im Schneeballsystem zu einem steuerlichen Zufluss gemäß § 11 EStG, vorausgesetzt, der Betreiber des Schneeballsystems ist bei Erteilung der Gutschriften oder der Wiederanlage leistungsbereit und leistungsfähig. Der Anleger muss zum Zeitpunkt der Novation oder der Gutschrift in den Büchern des Betreibers des Schneeballsystems tatsächlich in der Lage gewesen sein, die Auszahlung ohne weiteres Zutun herbeizuführen. Diese Bedingungen waren nach Vorlage des Sachverhaltes gegeben. 

Von einem nicht mehr leistungsbereiten und -fähigen Betreibers eines Schneeballsystems kann vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen erst ausgegangen werden, wenn dieser auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt (vergleiche vorstehendes BFH-Urteil vom 11. Februar 2014). Die B war zumindest in den Streitjahren nicht zahlungsunfähig, so dass eine Leistungsfähigkeit der B bestand.  

Abschließend sieht der BFH auch keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes für die Einkünfte aus der stillen Beteiligung gemäß des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen den USA und Deutschland in der Fassung vom 29. August 1989. 

Der aktuelle BFH-Beschluss verdeutlichtet, dass Anleger Beträge bzw. Gewinnausschüttungen aus einem Schneeballsystem in Deutschland versteuern müssen, unabhängig davon, ob die „Renditen” auf ihr Konto geflossen sind oder wieder angelegt wurden. Daneben verdeutlicht die Entscheidung, dass es für die steuerliche Qualifikation der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft und damit für Zwecke der steuerlichen Einordnung von Einkünften auch aus einem Schneeballsystem ausschließlich auf die deutsche steuerrechtliche Würdigung ankommt. Unerheblich ist weder die steuerrechtliche Behandlung der Vereinbarung nach ausländischem Recht noch die Verwendung des Begriffes „stille Gesellschaft” in den getroffenen Vereinbarungen. Die Einordnung der Einkünfte erfolgt ausschließlich nach vergleichbaren deutschen Steuermerkmalen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände. Um Schaden für die Anleger zu vermeiden, sollten die vorstehenden Grundsätze vor einer Beteiligung beachtet werden.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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