Neues BGH-Urteil zur Aufklärung über Vertriebsprovisionen

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Mit seinem Urteil vom 19. Oktober 2017 (BGH III ZR 565/16) hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut über die Aufklärungspflichten eines Anlagevermittlers bzw. Anlageberaters über Vertriebsprovisionen entschieden. Anlagevermittler und Anlageberater haben danach den Erwerber einer von ihnen vermittelten Kapitalanlage unaufgefordert über Vertriebsprovisionen in Höhe von über 15 Prozent des von den Anlegern einzubringenden Kapitals aufzuklären. Ein von dem jeweiligen Erwerber auf den Beteiligungsbetrag zu zahlendes Agio ist nach BGH bei der Berechnung der der 15 Prozent-Schwelle mit einzubeziehen. 
 

I. Ständige Rechtsprechung


Nach ständiger Rechtsprechung sind freie Anlagevermittler bzw. Anlageberater dazu verpflichtet, den jeweiligen Erwerber einer von ihnen empfohlenen Kapitalanlage unaufgefordert über eine Vertriebsprovision zu unterrichten, sofern diese 15 Prozent des von den Anlegern einzulegenden Kapitals übersteigt. Mit einer niedrigeren Vertriebsprovision hat der Anleger bei einem selbstständigen Anlagevermittler bzw. Anlageberater zu rechnen. Banken haben hingegen unabhängig von der Höhe auf eine etwaige Vertriebsprovision hinzuweisen, da der Kunde bei diesen nicht zwingend mit einer Provisionszahlung rechnet. Ziel dieser Aufklärungspflichten ist es insbesondere auch, den Anleger darauf aufmerksam zu machen, dass der Anlagevermittler bzw. Anlageberater mit der Aussicht auf eine hohe Vertriebsprovision zumindest auch im eigenen Interesse handelt, und nicht ausschließlich im Interesse des jeweiligen Anlegers. 
 

II. BGH III ZR 565/16


Neu hat der BGH hervorgehoben, dass bei der Berechnung der Provisionshöhe auch das Agio einbezogen werden muss. 

Kläger in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ist ein Anleger, der sich im Jahre 2008 mit einem Betrag in Höhe von Euro 20.000 an einem Schiffsfonds beteiligt hat. Der Beteiligung sind Gespräche mit einem selbstständigen Handelsvertreter vorangegangen. Die Beitrittsvereinbarung umfasste einen Aufschlag (Agio) in Höhe von 5 Prozent des Beteiligungskapitals. Zudem wurden von der Beteiligung 15 Prozent einbehalten. Der Kläger macht geltend, dass unter Berücksichtigen des Agios in Höhe von 5 Prozent eine aufklärungspflichtige Innenprovision in Höhe von insgesamt 20 Prozent geflossen sei. Wäre er entsprechend aufgeklärt worden, hätte er sich nach eigenen Angaben nicht an dem Schiffsfonds beteiligt. Zudem habe er auch den Emissionsprospekt nicht rechtzeitig erhalten.
 

  1. Provisionshöhe

    Mit seinem Urteil hat der BGH nochmals die schon zuvor geltende Schwelle von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals für das Entstehen einer entsprechenden Aufklärungspflicht bestätigt. Nun soll bei der Berechnung der Provisionshöhe allerdings auch das Agio einbezogen werden, was in dem konkreten Fall zu einer Aufklärungspflichtverletzung führte. Dies begründet der BGH damit, dass hohe Vertriebsprovisionen Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage begründen können. Dabei soll nicht entscheidend sein, ob die Vertriebsprovision zusätzlich in Form eines Aufschlages zum Beteiligungsbetrag oder in Form eines späteren Abzuges erfolgt. Für den Anleger bedeute dies keinen Unterschied. Sein Interesse liege nur in der Kenntnis der Gesamtsumme der Vertriebsprovisionen. Erst diese Kenntnis über das Verhältnis der Gesamtkosten der Eigenkapitalvermittlung ermögliche ihm die volle Beurteilung der Werthaltigkeit der Beteiligung. Es handle sich dabei auch um einen für die Investitionsentscheidung derart bedeutsamen Umstand, dass ein an einer Beteiligung Interessierter hierüber informiert werden müsse.

     
  2. Emissionsprospekt

    Nach ständiger Rechtsprechung trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung derjenige, der sie geltend macht. Dies gilt auch für geltend gemachte Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen. Für die nicht oder nicht rechtzeitige Zurverfügungstellung des Emissionsprospekts trägt mithin grundsätzlich der Anleger die entsprechende Darlegungs- und Beweislast. Der klagende Anleger beruft sich darauf, den Prospekt zu spät erhalten zu haben. Im Zusammenhang mit der Beitrittserklärung hat er jedoch durch gesondert unterschiebenes Empfangsbekenntnis den Erhalt quittiert, woraus sich indes das Unterschriftsdatum nicht sicher ableiten lässt. Somit bleibt ungewiss, ob der Anleger zuerst den Prospekterhalt oder aber die Beitrittserklärung unterzeichnet hat. Zumindest als Indiz für die Rechtzeitigkeit der Übergabe soll die Unterschrift des Anlegers über den Erhalt des Prospekts gelten. In Bezug auf diesen Punkt verweist der BGH zurück an das vorinstanzliche Gericht (OLG Celle), welches er zur Prüfung des tatsächlichen Zeitpunkts des Erhalts auffordert. 
     

III. Fazit für die Praxis


In der Praxis kann die vom BGH festgelegte Einbeziehung des Agios in die Provisionsberechnung Auswirkungen auf eine Vielzahl von Fällen haben. Die Schwelle, ab der eine Aufklärungspflicht über Vertriebsprovisionen besteht, ist dann schneller erreicht. Neben der Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen kann in extremen Fällen ggf. sogar eine Rückabwicklung der Kapitalanlage gefordert werden. Darzulegen bleibt vom jeweiligen Anleger jedoch insbesondere, dass er bei einer Aufklärung über die tatsächliche Provisionshöhe von einer Beteiligung Abstand genommen hätten.

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Dr. Christian Conreder

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