Keine Schätzung der ortsüblichen Miete nach der EOP-Methode

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Bei der verbilligten Vermietung von Wohnraum oder der Verpachtung von Gewerbeflächen ist steuerlich von Bedeutung, ob jedes Unterschreiten der Marktmiete die volle Entgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung in Frage stellt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Zusammenhang eine grundsätzliche Toleranzgrenze von 25% entwickelt. Danach liegt eine teilentgeltliche Nutzungsüberlassung vor, wenn die vereinbarte Gegenleistung mehr als 25% unter der ortsüblichen Marktmiete (oder Pacht) liegt. In diesem Fall ist die Nutzungsüberlassung für Zwecke der Besteuerung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Die auf den unentgeltlichen Vorgang entfallenden Werbungskosten können nicht steuermindernd abgezogen werden.  

Für die steuerliche Behandlung der entgeltlichen Nutzungsüberlassung ist somit entscheidend, wie die „ortsübliche Miete” zu ermitteln ist. Der BFH ist in seiner jüngst veröffentlichen Entscheidung vom 10. Oktober 2018 (Az. IX R 30/17) auf die zutreffende Ermittlungsmethode eingegangen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: 

Die Klägerin erwarb Mitte des Jahres 2006 ein historisches Gaststättengrundstück, das in den Streitjahren 2008 bis 2010 umfangreich saniert wurde. Ab dem 1. November 2008 verpachtete die Klägerin das Gebäude zum gewerblichen Betrieb an ihren Ehemann für monatlich 1.000 Euro zuzüglich Nebenkosten. Das Finanzamt ging von einer verbilligten Gebäudeüberlassung i.H.v. ca. 32% aus und kürzte den Werbungskostenabzug der Klägerin. 

Die Klägerin hat gegen diese steuerliche Behandlung beim zuständigen Finanzgericht Klage erhoben. Das Sächsische Finanzgericht hat mit Urteil vom 13. Oktober 2016 die Klage abgewiesen. Grundlage war ein eingeholtes Sachverständigengutachten. Der Sachverständige ermittelte die ortsübliche Marktpacht anhand einer von ihm entwickelten „Kombinationsmethode”. Danach wird zum einen aufgrund statistischer Annahmen die von einem qualifizierten Betreiber zu erwirtschaftende Pacht (ertragsorientierter Pachtwert, sog. EOP-Methode) ermittelt und zum anderen die vom Verpächter auf der Grundlage seiner Investitionen erwartete Investivpacht festgestellt. Führen diese beiden Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen, ist nach Ansicht des Gutachters ein Ausgleich vorzunehmen. Im Streitfall stützte sich der Sachverständige im Wesentlichen auf die EOP-Methode und bezifferte den marktangemessenen Pachtzins auf monatlich 1.540 Euro. Da der Wert des Gutachtens nicht unter der vom Finanzamt angenommenen Marktpacht lag, wurde die Klage abgewiesen. 

Im Rahmen der Revision trägt die Klägerin vor, dass keine verbilligte Verpachtung vorlag, da sie – anderes als das Finanzgericht – die Anwendung der EOP-Methode für nicht zulässig hält. Der BFH schließt sich der Argumentation der Klägerin an und hebt das Urteil des Finanzgerichts auf. Die ortsübliche Marktmiete (oder Marktpacht) ist grundsätzlich die ortsübliche Nettokaltmiete bzw. Nettokaltpacht. Soweit der BFH diesen Maßstab im Anwendungsbereich von § 21 Abs. 2 EStG (Wohnraum) anders sieht, ist dieser im Streitfall nicht einschlägig, da es um die Verpachtung von Gewerbeflächen und nicht um Wohnraum handelt. Bei der Vermietung von Wohnraum ist nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung bei der ortsüblichen Marktmiete auf die Warmmiete, d.h. die Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten, abzustellen. 

Der Senat stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser hält die ertragsorientierte Pachtwertermittlung (EOP-Methode) und unwesentliche Abwandlungen dieser Methode (insbesondere die sog. indirekte Vergleichswertmethode) generell für nicht geeignet, um die ortsübliche Marktmiete/-pacht zu ermitteln (z.B. BGH-Urteil vom 28. April 1999, Az. XII ZR 150/97; BGH-Urteil vom 13. Juni 2001, Az. XII ZR 49/99; BGH-Urteil vom 14. Juli 2004, Az. XII ZR 352/00). Der BFH schließt sich der Auffassung des BGH an, da sich die Vergleichsgröße (örtliche Marktmiete/-pacht) im Zivilrecht und im Steuerrecht deckt. Demnach bestimmt sich der ortsübliche Preis – auch bei einer Gaststättenüberlassung – nicht nach dem von einem Gastwirt voraussichtlich zu erwirtschaftenden Ertrag, sondern nach Angebot und Nachfrage. Die im Wesentlichen auf statistischen Annahmen beruhende und die örtlichen Verhältnisse nicht hinreichend berücksichtigende EOP-Methode ist daher ungeeignet. Vielmehr ist der rechtliche Maßstab der Ortsüblichkeit für die Ermittlung der am Markt zu erzielenden Pacht zu beachten.  

Der BFH bestätigt, dass vorliegend die sog. „Vergleichsmethode” zur Ermittlung der ortsüblichen Miete nicht angewandt werden konnte, weil aufgrund der Besonderheiten des vermieteten Gebäudes keine vergleichbaren Objekte vorhanden waren. Daher fordert der Senat – im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BGH – einen erfahrenen und mit der konkreten (örtlichen) Marktsituation vertrauten Sachverständigen (z.B. erfahrenen Makler) beurteilen zu lassen, welchen Miet- oder Pachtzins er für angemessen hält. Die bei diesem Verfahren unvermeidliche höhere Schätzungstoleranz ist hinzunehmen.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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