Verschärfung der grunderwerbsteuerlichen share deal-Vorschriften und Erschwerung von RETT-Blocker-Strukturen: Geplante Änderungen gemäß Referentenentwurf vom 8.5.2019

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Seit mehr als zwei Jahren diskutiert die Politik nunmehr eine Verschärfung grunderwerbsteuerlicher Vorschriften zur Eindämmung (teil-)begünstigter Immobilientransfers über Gesellschaftsanteile und zur Erschwerung von Steuervermeidungsgestaltungen über sogenannte RETT-Blocker-Strukturen. Beschlüsse der Finanzministerkonferenz der Länder aus Juni und November 2018 erschöpften sich in Absichtsbekundungen ohne ausformulierten Regelungstext.  

Am 8.5.2019 wurde nunmehr der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften” veröffentlicht. Der Entwurf enthält auch die mit Spannung erwarteten beabsichtigten Anpassungen (= Verschärfungen) der grunderwerbsteuerlichen share deal-Regelungen. Diese decken sich weitgehend mit dem, was bisherige, lediglich programmatische, Verlautbarungen der Länderfinanzministerkonferenz andeuteten.

Insbesondere folgende Neuerungen (nachfolgend bezeichnet mit „GrEStG-E”), sind danach vorgesehen:
  1. Die für eine Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Beteiligungsschwellen (insbesondere für Anteilsbewegungen, Anteilsvereinigungen und wirtschaftliche Anteilsvereinigungen) werden von bisher 95 % auf zukünftig 90 % abgesenkt.
  2. Relevante Vorbesitzzeiten und Nachbehaltefristen werden von fünf Jahren auf zehn Jahre verlängert (mit Ausnahme der Konzernklausel § 6a GrEStG).
  3. Bei Anteilsvereinigungen oder wirtschaftlichen Anteilsvereinigungen wird für den fiktiven Grundstückserwerber eine Befreiung nur gewährt, soweit er bereits für 15 Jahre am Vermögen der Personengesellschaft beteiligt ist (§ 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG-E). Hier gilt also eine Vorbesitzzeit von 15 Jahren anstatt von bisher fünf Jahren.
  4. Es wird ein Ersatztatbestand für Kapitalgesellschaften geschaffen (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E), der an die Systematik des bislang nur für Personengesellschaften geltenden § 1 Abs. 2a GrEStG angelehnt ist. Steuerbar können danach zukünftig auch qualifizierte Bewegungen von Geschäftsanteilen und Aktien ohne Anteilsvereinigung sein.
  5. Einführung eines neuen Sachverhalts, für den die Ersatzbemessungsgrundlage (Grundbesitzwert) nach § 8 Abs. 2 GrEStG gilt: Wird bei einer Umwandlung im Rückwirkungszeitraum zwischen den beteiligten Rechtsträgern ein Grundstück zu einem Preis unter dem Grundbesitzwert veräußert, ist letzterer dennoch als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer heranzuziehen; die geringere vereinbarte Gegenleistung ist irrelevant. Damit sollen missbräuchliche Gestaltungen zur Verringerung der Bemessungsgrundlage unterbunden werden. 

Nicht geändert werden soll dagegen § 6a GrEStG (Begünstigungsklausel für Umstrukturierungen im „Konzern”), und zwar weder im Hinblick auf relevante Fristen (fünfjährige Vorbesitzzeit und fünfjährige Nachbehaltefrist), noch auf die für ein Verhältnis als „abhängig” relevanten Beteiligungsquoten von mindestens 95 %. Bezüglich der Fristen ist dies günstig, bezüglich der Quoten jedoch insofern nachteilig als dies zu Situationen führen kann, in denen eine Steuerbarkeit bereits ab einer Quote von 90 % entsteht (vergleiche dazu oben), eine Befreiung nach § 6a GrEStG aber erst bei einer höheren Quote von 95 % in Betracht kommt. Ob sich aufgrund des fehlenden Gleichlaufs von Steuerbarkeit und möglicher Befreiung Probleme unter dem Gesichtspunkt europarechtlicher Beihilfefragen ergeben können, bleibt abzuwarten.

Als besonders problematisch erweist sich die neue Besteuerung eines unmittelbaren oder mittelbaren Übergangs von mindestens 90% der Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter innerhalb von 10 Jahren – auch wenn ein solcher verteilt auf mehrere unabhängige Gesellschafter entfällt. Da für § 1 Abs. 2b GrEStG-E auch mittelbare Bewegungen relevant sind, ist in der Praxis ein entsprechendes Monitoring für die zuständigen Organe ohnehin nur schwer zu leisten; hinzu kommt, dass bei gewissen Kapitalgesellschaften Anteile frei handelbar sind und keine Privilegierung für börsennotierte Gesellschaften vorgesehen ist. Im Hinblick auf die Meldepflicht bei Erreichen schädlicher Größenordnung ergeben sich erhebliche Haftungsrisiken für Organe wie auch finanzielle Risiken für die Gesellschaft selbst, die die Steuer schuldet, ohne deren Anfall beeinflussen zu können.

Vordergründig soll der Ersatztatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG-E einen Gleichlauf zur Besteuerung von Anteilsübergängen an Personengesellschaften schaffen; allerdings sind nach dem Referentenentwurf für Kapitalgesellschaften keine korrespondierenden Befreiungsvorschriften vorgesehen; § 5 und § 6 GrEStG gelten weiterhin nur für Gesamthandsgesellschaften.

Ein Konkurrenzverhältnis zwischen § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG-E ist nicht geregelt. Bei heterogenen doppelstöckigen Strukturen kann dies zu Problemen führen; das Risiko einer Doppelbesteuerung lässt sich aus heutiger Sicht nicht ausschließen.

Positiv am Referentenentwurf ist, dass für die Änderungen der grunderwerbsteuerlichen share deal-Vorschriften derzeit keine Rückwirkung vorgesehen ist. Nach dem aktuellem Entwurfstand sind die wesentlichen Neuerungen erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 verwirklicht werden.

Zu beachten ist jedoch eine Vielzahl bedeutsamer Anwendungs- und Übergangsvorschriften. Von besonderer Relevanz sind hierbei:

 

  • Grundsätzliche Anwendung erstmals auf Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2019 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 17 GrEStG-E).
  • Wer mit Ablauf des 31.12.2019 Altgesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG ist (z. B. weil er seine Anteile bereits länger als fünf Jahre hält) bleibt dies auch unter neuem Recht, trotz Verlängerung der maßgeblichen Frist auf zehn Jahre. Für Veränderungen auf mittelbare Ebene gelten Besonderheiten (§ 23 Abs. 18 GrEStG-E).
  • Für eine Übergangsfrist von fünf Jahren (bis 31.12.2024) gelten § 1 Abs. 2a GrEStG bisherige Fassung und § 1 Abs. 2a GrEStG-E nebeneinander. Ziel ist zu vermeiden, dass eine bislang nicht steuerbare Bewegung von Anteilen am Vermögen einer Personengesellschaft zu mindestens 90 %, aber noch unterhalb der 95 %-Schwelle, ergänzt werden kann ohne den Tatbestand auszulösen (§ 23 Abs. 19 GrEStG-E).
  • § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG aktuelle Fassung (Anteilsvereinigung) sowie § 1 Abs. 3a GrEStG aktuelle Fassung (wirtschaftliche Anteilsvereinigung) sind – zeitlich unbegrenzt – weiter anwendbar, wenn am 31.12.2019 unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 %, aber weniger als 95 %, gehalten werden. Damit soll eine nicht steuerbare Aufstockungsmöglichkeit vermieden werden (§ 23 Abs. 20 und Abs. 21 GrEStG-E).
  • § 1 Abs. 2a GrEStG-E sowie § 1 Abs. 2b GrEStG-E sind auf Übergänge von Anteilen nicht anzuwenden, die auf einem Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag) beruhen, welches innerhalb eines Jahres vor einer Einbringung des Gesetzesentwurfes in den Bundestag (Achtung: Nicht relevant ist das Datum der Veröffentlichung des Referentenentwurfs oder der grundsätzlichen Anwendung neuen Rechts ab 1.1.2020!) abgeschlossen wurde und innerhalb eines Jahres danach erfüllt wird (dinglicher Übergang) (dazu § 23 Abs. 22 und Abs. 23 GrEStG-E). Geschützt werden soll hiermit das Vertrauen in bereits abgeschlossene, aber noch nicht erfüllte Verträge, da die Steuerbarkeit für § 1 Abs. 2a GrEStG-E und § 1 Abs. 2b GrEStG-E auf den von einer Partei oft nicht mehr beeinflussbaren Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts abstellt.
  • Die verlängerten Vorbesitzzeiten und Nachbehaltefristen greifen nicht, wenn diese nach derzeitigem Recht bereits abgelaufen waren (dazu § 23 Abs. 24 GrEStG-E). Insofern besteht eine gewisse „Besitzstandswahrung”.
 
Vorstehende Zusammenfassung kann nur eine verkürzte Skizzierung wesentlicher Punkte aus den grunderwerbsteuerlich relevanten Vorschriften des Referentenentwurfs leisten. Vor Planung einer konkreten Gestaltung oder Durchführung einer Maßnahme sollte diese anhand des bisherigen Entwurfstextes im Detail geprüft werden. Außerdem wäre das weitere Gesetzgebungsverfahren zu verfolgen, im Rahmen dessen es noch zu Änderungen kommen kann. Unsere Spezialisten unterstützen Sie gerne.

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