BFH urteilt zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundstücken bei einer Obergesellschaft im Falle von share deals (BFH II R 44/18)

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veröffentlicht am 22. September 2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten

 
Am 7.7.2022 wurde das lange erwartete Grundsatzurteil des BFH im Verfahren II R 44/18 (Entscheidungsdatum: 1.12.2021) zur Zurechnung des Grundstücks einer Untergesellschaft bei ihrer Muttergesellschaft für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG veröffentlicht. Kernfrage des Verfahrens war, ob ein Grundstück einer AG, die zu mehr als 95% von einer Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) gehalten wurde, bei maßgeblicher Anteilsbewegung an der GmbH & Co. KG dort der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG unterfällt.
 
Der BFH hat systematisch stringent entschieden, dass für eine Zurechnung eines Grundstücks der Untergesellschaft bei der Obergesellschaft nicht alleine die Beteiligungsquote maßgebend ist, sondern ob die Anteile an der Untergesellschaft bezüglich des Grundstücks steuerbar erworben wurden. Für die Beurteilung des § 1 Abs. 2a GrEStG „gehöre” ein Grundstück einer Gesellschaft, wenn es ihr aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist.
 
Damit ist das Grundstück einer 100%igen Tochter-AG der Mutter-GmbH & Co. KG für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG zum Beispiel zuzurechnen, wenn die GmbH & Co. KG Anfang 2021 die zweite Hälfte der Aktien einer AG gekauft hat und zu diesem Zeitpunkt das Grundstück dort schon gehalten wurde. Keine Zurechnung erfolgt dagegen bei der Mutter, wenn die AG den Grundstückskaufvertrag abgeschlossen hat, als sie bereits zu 100% der Mutter gehörte. Spielt das Beispiel dagegen nach dem 30.6.2021, also nach Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG, kann sich im Ausgangsfall Abweichendes ergeben.
 
Der BFH schiebt damit einer überbordenden Zurechnung auf übergeordneter Ebene einen Riegel vor. Konsequenz der Entscheidung II R 44/18 ist aber auch, dass die Beurteilung von Zurechnungsfragen künftig einen Blick in die gesellschaftsrechtliche Historie (und zwar im Prinzip bis zur Einführung der share deal-Tatbestände bzw. einem späteren Grundstückserwerb durch die Untergesellschaft) erfordert sowie auch ein entsprechendes Monitoring früherer share deal-Tatbestände in der Gruppe.
 
Vordergründig könnte man meinen, die Zurechnungsfrage im Urteilsfall habe mit Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG zum 1.7.2021 an Bedeutung verloren, der seitdem eine Besteuerung des Grundstücks der AG als (mittelbare) Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG auf Ebene der AG ermöglicht. Das Gegenteil ist der Fall: Durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG entstehen entsprechende Fragestellungen auch, wenn es sich bei der Obergesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt. Tatsächlich ist das Urteil weiterhin von größter Bedeutung, etwa als Vorfrage für das Problem, ob nach neuem Recht eine Besteuerung auf Ebene der Obergesellschaft, der Untergesellschaft oder gar auf beiden Ebenen erfolgen kann. Die Ausführungen in der Urteilsbegründung, wonach ein Grundstück grunderwerbsteuerlich nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft „gehört”, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war, könnten dafür sprechen, dass trotz zivilrechtlichen Eigentums bei der Untergesellschaft dort keine Besteuerung erfolgen darf, wenn eine Zurechnung bei der Muttergesellschaft erfolgt, weil diese die Untergesellschaft im Wege einer erstmaligen steuerbaren Anteilsvereinigung erworben hat. Verlässlich ist das nicht.
 
Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber über Konkurrenzregelungen (Vorrang § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG? Vorrang unmittelbare oder mittelbare Ebene?) Klarheit schafft. Es kann kaum gewollt sein, eine Mehrfachbesteuerung desselben Grundstücks auf unterschiedlichen Ebenen und ggf. nach unterschiedlichen Vorschriften auszulösen. Zumindest sollte die Verwaltung im Erlasswege eine Regelung im Sinne einer von der OFD Rheinland vom 4.2.2011 veröffentlichten Verfügung treffen, welche eine vorrangige Besteuerungsebene definiert.
 
Die Ebene der Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG ist unter anderem maßgeblich für die Person des Steuerschuldners, für bestehende Anzeige- und Erklärungspflichten nach share deals, sowie auch in der Transaktionspraxis für zivilrechtliche Regelungen wie Steuerklauseln.
 
Hinzuweisen ist auch auf das Revisionsverfahren II R 33/20 zur Grundstückszurechnung in einer Konstellation des § 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsvereinigung). Eine Entscheidung hierzu, aus der sich weitere relevante Aspekte ergeben können, ist zur Stunde noch nicht veröffentlicht.

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Franz Lindner

Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt, Steuerberater

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