Kapitalkosten bei internationalen Unternehmenskäufen: Stolperstein auf dem Weg zu einem angemessenen Kaufpreis

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zuletzt aktualisiert am 20. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Die Kombination aus Globalisierung und Niedrigzinsphase hat in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Zunahme von nationalen und internationalen M&A-Trans­aktionen geführt. Auch die weltweite Coronapandemie konnte dem M&A-Markt nur einen kurzen Dämpfer verpassen. Die aktuelle Ukrainekrise, geopolitische Spannun­gen wie bspw. zwischen China und den USA sowie die aufkommende Zinswende führen nun zu neuen Herausforderungen, bei denen die korrekte Berücksichtigung von Länderrisiken zunehmend an Bedeutung gewinnt.



 

  
Zur Ermittlung von Unternehmenswerten bei der Kaufpreisfindung wird in Verhandlungen häufig auf sog. „Multiplikator-Verfahren” zurückgegriffen, bei denen ein entsprechender Multiplikator auf eine Ertragsgröße bspw. Umsatz, EBITDA oder EBIT angewandt wird. Im Hintergrund setzen professionelle Käufer auch auf die theoretisch besser fundierten Kapitalwert-Verfahren wie das Discounted Cash Flow (DCF)-Verfahren oder das Ertragswertverfahren. Denn im Vergleich zu den in der Praxis beliebten Multiplikator-Verfahren lassen sich bei den kapitalwertorientierten Verfahren die künftigen Erwartungen des Investors bei der Geschäftsentwicklung oder potenzieller (Dis-)Synergien explizit abbilden. Insbesondere bei einer Fairness Opinion sowie einer rechtlichen oder rechnungslegungsbedingten Bewertung ist das detaillierte Vorgehen unabdingbar. Zur Anwendung der Verfahren ist die Ermittlung der Rendite einer risiko­äquivalenten Alternativanlage notwendig. Die Rendite wird auch Kapitalkosten genannt und zur Abzinsung der Zahlungsströme der Zielgesellschaft auf den Bewertungsstichtag herangezogen.
 
Aber nicht nur in Transaktionen, sondern auch, wenn es um Bewertungen aus Sicht eines neutralen Gutachters geht, wie bei Impairment Tests, gesellschaftsrechtlich oder steuerlich veranlassten Bewertungen spielen die Kapitalkosten eine große Rolle.
 
In dem Artikel wird der Fokus auf das international gebräuchlichere DCF-Verfahren und damit die als „WACC” (Weighted-Average-Cost-of-Capital) bekannten Kapitalkosten gelegt. Der WACC entspricht einem durch­schnittlichen Kapitalkostensatz aller Geldgeber (Eigen- und Fremdkapital) des Unternehmens.

Länderrisiken finden über Anpassung der Kapitalkosten Eingang in die Kaufpreisfindung

Generell gilt bei kapitalwertorientierten Verfahren, dass eine Äquivalenz zwischen Zähler (Zahlungsstrom des jeweiligen Zielunternehmens im Ausland) und Nenner (Kapitalkosten) herrschen muss. Konkret bedeutet das, dass die Cashflows und die zur Diskontierung verwendeten Kapitalkosten dasselbe Profil hinsichtlich Laufzeit, Steuern sowie operativer und finanzwirtschaftlicher Risiken aufweisen müssen. Ist das nicht der Fall und die Kapitalkosten weisen bspw. ein geringeres Risikoprofil auf, so sind die Kapitalkosten entsprechend zu niedrig, der resultierende Unternehmenswert tendenziell zu hoch und Investoren laufen Gefahr überhöhte Kaufpreise zu zahlen. Zusätzlich kann das zu einem sofortigen Impairment-Bedarf beim nächsten Jahres­abschluss führen. Umgekehrt führen zu hohe Kapitalkosten zu einem zu niedrigen Unternehmenswert, was für Investoren zur Folge haben kann, dass sie aufgrund eines zu niedrigen Angebots aus dem Auktionsprozess ausscheiden.
     

Insbesondere bei einer internationalen Transaktionen ist darauf zu achten, dass die der Bewertung zugrunde liegenden Cashflows und der Diskontierungszinssatz konsistente Währungs- bzw. Inflationsprofile aufweisen und etwaige länderspezifische Risiken adäquat berücksichtigt werden. Die häufigsten länderspezifischen Risiken sind erhöhte Ausfallrisiken im Geschäftsverkehr, mangelnde Rechtssicherheit, Risiken aus schwachem Produkt- und Markenschutz, mögliche Unruhen oder Aufstände sowie eine hohe Volatilität von makro­ökono­mischen Größen. Aktuelle Vorkommnisse, die länderspezifische Risiken begünstigen, sind bspw. die Ukraine­krise, bilaterale Handelskriege oder länderspezifische Lockdowns in Folge von Corona-Ausbrüchen, die zu massiven Störungen der lokalen Produktion (bspw. in China) führen.
   
Grundlage jeder Bewertung ist der Businessplan des jeweiligen ausländischen Zielunternehmens, der in der Regel in lokaler Währung erstellt wird. Zur Sicherstellung der Äquivalenz können die lokalen Cashflows mit einem risikoäquivalenten lokalen Kapitalkostensatz diskontiert und der resultierende Unternehmenswert mit dem Wechselkurs am Bewertungsstichtag umgerechnet werden. Alternativ können die Cashflows auf Basis adäquater Wechselkursprognosen in Euro umgerechnet und mit risiko­äquivalenten Euro-Kapitalkosten diskontiert werden. Zur Vermeidung der Doppelerfassung von länderspezifischen Risiken, können sie entweder bereits bei der Prognose der Cash­flows oder alternativ, wie in der Praxis weit verbreitet, bei der Ableitung der Kapitalkosten berücksichtigt werden.
   

Im Folgenden wird exemplarisch dargestellt, welche Anpassungen bei der Ermittlung des WACC notwendig sind, wenn die der Bewertung zugrunde liegenden Cashflows in lokaler Währung vorliegen und keine länder­spezifischen Risiken berücksichtigen.
  

Berücksichtigung des Inflations-differentials im risikolosen Zinssatz

Der risikolose Zinssatz bzw. Basiszinssatz spiegelt die Anlage in eine risikofreie Alternativanlage wieder. Um Äquivalent zu den lokalen Cashflows zu sein, muss sich der Basiszinssatz auf die lokale Währung und die ent­sprechende lokale Inflationserwartung beziehen. Zur Anpassung des Basiszinssatzes an die erwartete Inflation im Ausland kann die international anerkannte „Fisher-Formel” verwendet werden, bei der ein deutscher Basis­zinssatz um die Differenz zwischen der deutschen und ausländischen Inflationserwartung (Inflations­differential) angepasst wird. Alternativ kann insbesondere bei aus­gereiften, stabilen Volks­wirt­schaften auch auf lokale quasi-risikofreie Anleihen abgestellt werden, deren Zins­satz die Inflations­erwartung bereits beinhaltet (z.B. Treasury Bonds in den USA).
   

Länderrisikoprämie

Typische Länderrisiken lassen sich schlecht im Business­plan und somit in den Zahlungsströmen quantifizieren, deswegen werden sie häufig in den Kapitalkosten in Form einer Länderrisikoprämie ab­ge­bildet. Da die Risiken Eigen- und Fremdkapitalgeber gleichermaßen betreffen, werden sowohl die Eigen- als auch die Fremdkapitalkosten um eine derartige Länderrisikoprämie erweitert.


Der Ansatz einer länderspezifischen Prämie ist in der Theorie umstritten, lässt sich allerdings empirisch nach­weisen, weshalb sie in der Bewertungspraxis in der Mehr­heit aller Fälle zum Einsatz kommt. Zur Bestimmung der jeweiligen Höhe der Länderrisikoprämie haben sich verschiedene theoretische Ansätze herausgebildet. Zu den bekanntesten zählen bspw. die Ermittlung auf Grundlage von Länder­ratings von Ratingagenturen wie Standard & Poor‘s oder Moodys oder auf Basis am Markt beobachtbarer Kreditausfallversicherungen (sog. Credit Default Swaps).



Bei der hier dargestellten Variante handelt es sich um die in der Bewertungspraxis gebräuchlichste Methode, es gibt allerdings auch noch alternative Methoden, die bspw. das Beta auch auf die Länderrisikoprämie anwenden.
  

Ohne Anpassung der Kapitalkosten werden für Unternehmenskäufe im Ausland tendenziell überhöhte Kaufpreise gezahlt

Entscheiden sich deutsche Unternehmen für einen Unternehmenskauf im Ausland, so betrifft das häufig aufstrebende Schwellenländer in Wachstumsregionen oder in bereits etablierten Länder, in denen jedoch der Marktzugang für ausländische Investoren eingeschränkt ist. Je nach Land liegt eine Vielzahl an Risiken vor, die es in Deutschland nicht in der Form gibt. So ist jedem klar, dass ein Unternehmenskauf in Griechen­land, auf den Philippinen oder in Brasilien andere (mitunter höhere) Risiken mit sich bringt als ein Unternehmenskauf in Deutschland.
 
Werden die Risiken im Ausland nicht adäquat bei einer Unternehmensbewertung berücksichtigt, so spiegeln die Bewertungen nicht den wahren Wert des Unternehmens wider. Neben eines möglichen überhöhten Kaufpreises bei Transaktionen kann das insbesondere bei steuerlichen oder gesell­schafts­recht­lich motivierten Bewertungen zu erheblichen Bewertungsfehlern führen.

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