Digitale Produkte: Neues Kaufrecht im B2C-Geschäftsverkehr zum 1. Januar 2022

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veröffentlicht am 15. Dezember 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten

      
Zum 1. Januar 2022 tritt das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen in Kraft. Das Gesetz dient der Umsetzung der europäischen Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Digitale-Inhalte-Richtlinie).

 

  

  

 

 

Einführung einer neuen Vertragsart für digitale Produkte

Für digitale Produkte wird in § 327 Abs. 1 BGB n.F. eine neue Vertragsart eingeführt. Das betrifft Verträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen (digitale Produkte) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben.

 

Die Regelungen gelten für Verbraucherverträge - also Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Kern der Neuregelung ist insbesondere die Pflicht des Unternehmens zur mangelfreien Leistung sowie entsprechende Gewährleistungsrechte für Verbraucher, die das deutsche Recht bislang nur bei Kauf-, Werk- und Mietverträgen kennt.

 

Welche digitalen Produkte davon betroffen sind

Die neuen Begriffe sind in § 327 Abs. 2 BGB n.F. legaldefiniert. Danach sind digitale Inhalte Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden (z.B. Computerprogramme, Videodateien, Audiodateien, Musikdateien, digitale Spiele, eBooks und andere elektronische Publikationen).

 

Digitale Dienstleistungen hingegen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen, oder die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen, einschließlich Software-as-a-Service, wie z. B. die gemeinsame Nutzung von Video- oder Audioinhalten und andere Formen des Datei-Hosting, Textverarbeitung oder Spiele, die in einer Cloud-Computing-Umgebung und in sozialen Medien angeboten werden

 

Nach § 327 Abs. 3 BGB n.F. finden die Vorschriften auch auf Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte Anwendung, bei denen der Verbraucher an Stelle oder neben der Zahlung eines Preises personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet.

 

Die neuen Regelungen sind auch auf Verträge über körperliche Datenträger anwendbar, die nur als Träger digitaler Inhalte dienen (§ 327 Abs. 5 BGB n.F.)

 

Von digitalen Produkten abzugrenzen sind Waren mit digitalen Elementen i.S.d. §§ 475b ff. BGB n.F., wie z.B. Smartphones oder Haushaltsgeräte mit sog. Smart-Funktion.

 

Pflicht zur Bereitstellung digitaler Produkte

Die Pflicht zur Bereitstellung digitaler Produkte ist in § 327b BGB n.F. geregelt:

  • Sofern die Vertragsparteien keine Zeit für die Bereitstellung des digitalen Produkts vereinbart haben, kann der Verbraucher die Bereitstellung unverzüglich nach Vertragsschluss verlangen, der Unternehmer sie sofort bewirken.
  • Ein digitaler Inhalt ist bereitgestellt, sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung  zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist.
  • Eine digitale Dienstleistung ist bereitgestellt, sobald die digitale Dienstleistung dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zugänglich gemacht worden ist.

 

Kommt der Unternehmer seiner fälligen Verpflichtung zur Bereitstellung des digitalen Produkts auf Aufforderung des Verbrauchers nicht unverzüglich nach, so kann der Verbraucher den Vertrag beenden oder Schadensersatz verlangen (§ 327c BGB n.F.). Die Beweislast für die erfolgte Bereitstellung trifft den Unternehmer.

 

Anforderungen an digitale Produkte - Mangelhaftigkeit

Gemäß § 327d BGB n.F. hat der Unternehmer das digitale Produkt frei von Produkt- und Rechtsmängeln bereitzustellen. Die Anforderungen im Einzelnen sind in den §§ 327e bis 327g BGB n.F. geregelt.

 

Das digitale Produkt ist frei von Produktmängeln, wenn es zum maßgeblichen Zeitpunkt (Bereitstellung oder Bereitstellungszeitraum)

  • den subjektiven Anforderungen,
  • und den objektiven Anforderungen
  • und den Anforderungen an die Integration entspricht.

 

Subjektive Anforderungen

Das digitale Produkt entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn

  • das digitale Produkt (i) die vereinbarte Beschaffenheit hat, einschließlich der Anforderungen an seine Menge, seine Funktionalität, seine Kompatibilität und seine Interoperabilität, (ii) sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet,
  • es wie im Vertrag vereinbart mit Zubehör, Anleitungen und Kundendienst bereitgestellt wird und
  • die im Vertrag vereinbarten Aktualisierungen während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums bereitgestellt werden.

  

Objektive Anforderungen

Das digitale Produkt entspricht den objektiven Anforderungen, wenn

  • es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
  • es eine Beschaffenheit, einschließlich der Menge, der Funktionalität, der Kompatibilität, der Zugänglichkeit, der Kontinuität und der Sicherheit aufweist, die bei digitalen Produkten derselben Art üblich ist und die der Verbraucher unter Berücksichtigung der Art des digitalen Produkts erwarten kann,
  • es der Beschaffenheit einer Testversion oder Voranzeige entspricht, die der Unternehmer dem Verbraucher vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat,
  • es mit dem Zubehör und den Anleitungen bereitgestellt wird, deren Erhalt der Verbraucher erwarten kann,
  • dem Verbraucher Aktualisierungen bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird und
  • sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, es in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses neuesten verfügbaren Version bereitgestellt wird.

    

Integration

Soweit eine Integration durchzuführen ist, entspricht das digitale Produkt den Anforderungen an die Integration, wenn die Integration

  • sachgemäß durchgeführt worden ist oder
  • zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Integration durch den Unternehmer noch auf einem Mangel in der vom Unternehmer bereitgestellten Anleitung beruht.

 

Aktualisierungen

Nach § 327f BGB n.F. hat der Unternehmer sicherzustellen, dass dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. Zu den erforderlichen Aktualisierungen gehören auch Sicherheitsaktualisierungen. Der maßgebliche Zeitraum ist bei einem Vertrag über die dauerhafte Bereitstellung eines digitalen Produkts der Bereitstellungszeitraum. In allen anderen Fällen ist das der Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann.

 

Damit wird die Aktualisierungspflicht letztlich auf unbestimmte Zeit ausgedehnt. Insbesondere in den Fällen, in denen Händler die digitalen Produkte vertreiben sind sie auf den Hersteller angewiesen, was künftig über entsprechende vertragliche Regelungen sichergestellt werden sollte.

 

Gewährleistungsansprüche des Käufers

Ist ein digitales Produkt mangelhaft stehen dem Verbraucher folgende Rechtsbehelfe zur Verfügung:

  • Anspruch auf Nacherfüllung (§ 327l BGB n.F.);
  • Recht zur Vertragsbeendigung (§ 327m BGB n.F.)
  • Recht zur Minderung (§ 327n BGB n.F.)
  • Anspruch auf Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz (§ 327m Abs. 3 BGB n.F.).

   

Änderungen digitaler Produkte

Bei einer dauerhaften Bereitstellung darf der Unternehmer Änderungen des digitalen Produkts, die über das zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit erforderliche Maß hinausgehen, nur vornehmen, wenn

  • der Vertrag diese Möglichkeit vorsieht und einen triftigen Grund dafür enthält,
  • dem Verbraucher durch die Änderung keine zusätzlichen Kosten entstehen und
  • der Verbraucher klar und verständlich über die Änderung informiert wird.

  

Eine Änderung des digitalen Produkts, welche die Zugriffsmöglichkeit des Verbrauchers auf das digitale Produkt oder welche die Nutzbarkeit des digitalen Produkts für den Verbraucher beeinträchtigt, darf der Unternehmer nur vornehmen, wenn er den Verbraucher darüber hinaus innerhalb einer angemessenen Frist vor dem Zeitpunkt der Änderung mittels eines dauerhaften Datenträgers informiert

  

Beeinträchtigt eine Änderung des digitalen Produkts die Zugriffsmöglichkeit oder die Nutzbarkeit, so kann der Verbraucher den Vertrag innerhalb von 30 Tagen unentgeltlich beenden.

  

Verjährung, Beweislastumkehr

Die Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers verjähren nach zwei Jahren ab Bereitstellung. Im Fall der dauerhaften Bereitstellung verjähren die Ansprüche nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums.

 

Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht verjähren nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des für die Aktualisierungspflicht maßgeblichen Zeitraums. Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.

 

Zeigt sich bei einem digitalen Produkt innerhalb eines Jahres seit seiner Bereitstellung ein Mangel, so wird vermutet, dass das digitale Produkt bereits bei Bereitstellung mangelhaft war. Bei einem dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkt wird vermutet, dass das digitale Produkt während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft war.

 

Was Unternehmen nun tun müssen

Für Unternehmen, die (auch) im B2C-Geschäftsverkehr tätig sind und digitale Produkte anbieten, bedeuten die am 1. Januar 2022 in Kraft tretenden Änderungen dringenden Handlungsbedarf. Insbesondere sollten die aktuell genutzten AGB und Vertragsvorlagen auf die neuen Vorgaben hin überprüft und bei Bedarf entsprechend angepasst werden. Ferner sind die Unternehmen gut beraten, ihre digitalen Produkte im Lichte des neuen Mängelbegriffs zu überprüfen. Darüber hinaus sind die neue Updatepflicht und die Voraussetzungen für künftige Änderungen an digitalen zu Produkten zu beachten. Das kann dazu führen, dass sich Händler künftig durch entsprechende Vereinbarungen mit dem Hersteller absichern müssen.

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