Early Tax Birds 18/2025: § 1 Abs. 5 AStG dient nur Einkünftekorrektur und nicht Einkünfteermittlung

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 18/2025 (5. – 11. Mai 2025)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 12. Mai 2025 | Lesedauer ca. 6 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

die letzte Woche dürfte selbst die besten Politikjournalisten herausgefordert haben und Stoff genug für gleich mehrere Leitartikel liefern. Zwei Wahlen, zwei Systeme, zwei Rituale und zwei mehr oder weniger große Überraschungen:

In Berlin wurde Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt, allerdings nicht wie erwartet im ersten Anlauf. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik scheiterte ein Kanzlerkandidat an der erforderlichen Kanzlermehrheit im Bundestag, bevor er nach einigen Stunden des politischen Durcheinanders im zweiten Wahlgang schließlich doch das Vertrauen erhielt. Auch im Vatikan schrieb man Geschichte: Mit Robert Francis Prevost wurde erstmals ein US-Amerikaner zum Papst gewählt. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet aus Chicago der nächste Stellvertreter Christi auf Erden kommt?

Man könnte fast meinen, die Weltordnung sei diese Woche einmal kurz auf „Aktualisieren“ gegangen. Und während deutsche Politik und katholische Kirche in neuen Konstellationen ihre Wege finden müssen, bleibt uns immerhin eines verlässlich: das Steuerrecht. Hier gibt es keine zweiten Wahlgänge, keine Kardinalsversammlungen, keine Rauchzeichen. Denn anders als bei Kanzlerwahl oder Konklave gilt im Steuerrecht: Wer's im ersten Anlauf nicht hinbekommt, hat ein echtes Problem. Die Abgabefrist ist keine Einladung zur Verhandlung, sondern eine Deadline mit Konsequenzen. Ein Einspruch ersetzt keine Mehrheit, und göttlichen Beistand gibt es allenfalls in der Kirche, nicht jedoch beim Verspätungszuschlag, denn § 152 AO kennt da wenig Gnade.

Was wir dennoch aus der vergangenen Woche mitnehmen können? Dass selbst gut geölte Verfahren gelegentlich ins Stocken geraten, aber deshalb noch lange nicht schlecht sind. Im Gegenteil: Verfahren geben Sicherheit, auch wenn Ergebnisse ungewiss sind. Ob im Bundestag, im Vatikan oder im Steuerbescheid.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine stabile Woche, klare Verhältnisse, fristgerechte Abgaben und gerne auch ein wenig weißen Rauch, wo immer Sie ihn brauchen.​​

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße

Philip Nürnberg und das Redaktionsteam​​

  

Neues aus der Finanzverwaltung 

  
Beteiligung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts an einer Personengesellschaft

Das BMF hat mit Schreiben vom 5. Mai 2025 zu den Folgen aus den BFH-Urteilen I R 52/13​ vom 25. März 2015 und I R 16/19​ vom 18. Januar 2023 Stellung genommen. Das BMF-Schreiben ersetzt das Schreiben vom 8. Februar 2016​. Mit den Urteilen hat der BFH entschieden, dass die Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPöR) an einer Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bei der jPöR zu einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) führt. Die Grundsätze der Urteile sind laut BMF für die Veranlagungszeiträume bis 2008 über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden. Die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führt bei der jPöR selbst dann zu einem BgA, wenn die Tätigkeit der Mitunternehmerschaft, würde sie von der jPöR unmittelbar selbst ausgeübt, bei ihr keinen BgA begründen würde. In Fällen, in denen die Personengesellschaft als Holdinggesellschaft fungiert und ertragsteuerrechtliche Organschaften mit Tochter-Kapitalgesellschaften begründet, wird jedoch durch die Tätigkeiten der Tochtergesellschaften keine weiteren BgA vermittelt. Mit dem Schreiben wurden lediglich die Grundsätze aus dem BFH-Urteil I R 16/19 vom 18. Januar 2023 ergänzt. Zur Beteiligung einer jPöR an einer Personengesellschaft findet ab dem Veranlagungszeitraum 2009 das BMF-Schreiben vom 21. Juni 2017​ Anwendung.

Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
Arbeiten am automatischen Informationsaustausch schreiten voran

Die Arbeitsgruppe zum automatischen Informationsaustausch bei der Europäischen Kommission (Sub-group "Automatic exchange of information" (SG AEOI) (E01711/4)) hat ihre Agenda​ für das nächste, am 27. Mai 2025 stattfindende Gruppentreffen vorgelegt. Die Gruppe wird sich insbesondere der 2., 3., 7. und 8. Änderung der Amtshilferichtlinie sowie damit zusammenhängenden Datensammlungen, Statistiken und technischen Umsetzungen widmen. Hintergründe zur „Vision and Mission“ der Gruppe finden Sie hier.
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Vertragsverletzungsverfahren gegen Schweden und Griechenland im Steuerbereich eingeleitet​​

Die Europäische Kommission hat am 7. Mai 2025 jeweils ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Schweden und gegen Griechenland​ eingeleitet. Die Gründe und auch die rechtlichen Erwägungen sind dabei sehr unterschiedlich. Im Fall von Griechenland geht es um die griechische Zulassungssteuer, die grundsätzlich auf alle Kraftfahrzeuge erhoben wird, aber für bestimmte Kategorien von Gebrauchtwagen, die in anderen EU-Ländern gekauft wurden, höher ist als für ähnliche inländische Gebrauchtwagen. Außerdem gilt die griechische Steuer nur für importierte Gebrauchtwagen bestimmter Kategorien und nicht für inländische Fahrzeuge der entsprechenden Kategorien. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die griechischen Rechtsvorschriften nicht mit Artikel 110 AEUV vereinbar sind, da inländische (d.h. griechische) Fahrzeuge im Vergleich zu Fahrzeugen aus anderen EU-Ländern niedriger besteuert werden. 

Im Fall von Schweden geht es um einen möglichen Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Artikel 56 AEUV und Artikel 36 des EWR-Abkommens: Schwedische Kunden, die für Arbeiten/Dienstleistungen zahlen, die von in anderen EU- oder EWR-Ländern ansässigen Auftragnehmern ausgeführt werden, sind verpflichtet, eine vorläufige Einkommensteuer in Höhe von 30 % auf die an die Auftragnehmer gezahlten Vergütungen einzubehalten, sofern diese nicht von der schwedischen Steuerbehörde genehmigt wurden (allgemein als „F-Steuergenehmigung“ bekannt). Die Kommission ist der Ansicht, dass bereits eine solche Verpflichtung zum Einbehalt einer vorläufigen Einkommensteuer durch schwedische Kunden in Fällen, in denen ausländische Auftragnehmer keine schwedischen Betriebsstätten haben - und somit keine Einkommensteuerpflicht in Schweden - gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt. Über die weitere Entwicklungen halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.
  
    
​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
§ 1 Abs. 5 Satz 1 AStG als reine Einkünftekorrekturvorschrift

Unser Urteil der Woche befasst sich mit zwei inhaltsgleichen Entscheidungen des BFH vom 18. Dezember 2024, I R 45/22 und I R 49/23​Darin hatte der BFH zu entscheiden, ob § 1 Abs. 5 AStG eine eigenständige Regelung zur Betriebsstättengewinnermittlung darstellt. Im Streitfall betrieb eine ungarische Kapitalgesellschaft eine Betriebsstätte in Deutschland und erstellte im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht eine veranlassungsbezogene Gewinnermittlung. Das Finanzamt verwarf diese und setzte den steuerlichen Gewinn stattdessen auf Grundlage von § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG sowie § 32 der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) an. Dabei wandte es die kostenorientierte Verrechnungspreismethode gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BsGaV an. Das FG Nürnberg gab der Klage der Gesellschaft mit Urteil vom 27. September 2022​ statt. Der Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften des AStG sei nicht eröffnet, weshalb auch eine Anwendung der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung nicht in Betracht komme. Das FG München folgte der Entscheidung im inhaltsgleichen Fall mit seinem Urteil vom 10. Juli 2023.


Der BFH wies die Revision der​ Beklagten gegen die Urteile des FG Nürnberg und FG München als unbegründet zurück. Er stellte klar, dass § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 BsGaV keine hinreichende rechtliche Grundlage dafür bietet, eine veranlassungsbezogene Gewinnermittlung vollständig zu verwerfen und stattdessen ausschließlich die sog. Kostenaufschlagsmethode als eine der kostenorientierten Verrechnungspreismethoden anzuwenden. § 1 Abs. 5 AStG stellt keine eigenständige Vorschrift zur Ermittlung von Betriebsstättengewinnen dar, sondern eine Norm zur Einkünftekorrektur. Aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG ergibt sich nicht, dass außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 AStG eine Veranlassungsprüfung allein auf Basis der ausgeübten Personalfunktionen in den jeweiligen Unternehmensteilen erfolgen soll. Durch die Einfügung des § 1 Abs. 5 AStG sollte lediglich der Authorized OECD Approach (AOA) des Art. 7 OECD-MA in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Zudem setzt § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG für Verrechnungspreise voraus, dass eine Einkünfteminderung ursächlich auf eine nicht fremdvergleichsgerechte Vereinbarung zurückzuführen ist. Eine solche Minderung wird weder durch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG noch durch § 32 BsGaV gesetzlich fingiert. § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG ist eine bloße Ergänzung zu § 1 Abs. 1 AStG, welcher zwingend eine tatsächliche, konkret feststellbare Minderung der Einkünfte aufgrund nicht fremdüblicher Bedingungen verlangt. Die Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG in Verbindung mit § 32 BsGaV kann daher nicht dazu führen, dass die Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte ausschließlich anhand eines typisierten Gewinnaufschlags auf Selbstkosten ermittelt werden. Vor allem muss zuvor festgestellt werden, dass die ursprünglich erklärte Aufteilung nicht dem Fremdvergleich entspricht. Die BsGaV stellt keine eigenständige gesetzliche Grundlage für eine fiktive Gewinnermittlung dar, sondern dient lediglich zur Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Im Einzelfall ist stets zu prüfen, ob die vertraglichen und tatsächlichen Verhältnisse zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fremdvergleichskonform sind. Wenn dies nicht der Fall ist und keine hinreichenden Dokumentationen über die tatsächlichen Leistungen vorliegen, kann auf ergänzende Schätzungen oder modellhafte Methoden zurückgegriffen werden. Im Streitfall hatte das Finanzamt jedoch keine konkreten Mängel an der bisherigen Gewinnverteilung oder deren Fremdüblichkeit festgestellt. Die Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG kann nicht losgelöst vom Tatbestand des § 1 Abs. 1 AStG erfolgen.


Die Entscheidung des BFH ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Anwendung der BsGaV im Zusammenspiel mit § 1 AStG, insbesondere in Fällen grenzüberschreitender unternehmerischer Tätigkeiten von ausländischen Kapitalgesellschaften mit inländischer Betriebsstätte.


 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH und EuGH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
II R 14/22
​11. Dezember 2024
Gestaltungsmissbrauch bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren
IV R 7/22


​6. Februar 2025
Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach der Tonnage für ein Folgejahr - Prüfung der langfristigen Betriebsabsicht trotz bestandskräftiger Gewinnermittlung nach der Tonnage im Erstjahr
V R 28/23
12. Dezember 2024
​Zur allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens durch Bereitstellung einer Online-Plattform für Anliegen Dritter
V R 13/22
​5. Dezember 2024
Umsatzsteuer bei der Verwaltung "unselbständiger Stiftungen"
I B 51/22
23. April 2025
​Verwertungsverbot für von der Staatsanwaltschaft sichergestellte Festplatte im Besteuerungsverfahren
IV R 3/25​
​6. Februar 2025
​Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 6. Februar 2025 IV R 7/22 - Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach der Tonnage für ein Folgejahr - Prüfung der langfristigen Betriebsabsicht trotz bestandskräftiger Gewinnermittlung nach der Tonnage im Erstjahr
IX R 34/21
​11. März 2025
​Klage gegen Ablehnung der Akteneinsicht erst nach Vorverfahren
IX R 23/22

​11. März 2025
​Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO gegenüber einer obersten Landesbehörde
​IX R 24/22
11. März 2025​​Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO: Einsicht in interne Vermerke und Stellungnahmen
​IX R 14/24​
​11. Februar 2025
​Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen
VII R 21/22
​14. Januar 2025
​Auslegung einer Prozesserklärung
VIII B 26/24
​22. April 2025
​Revisionszulassung wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit
VIII B 88/24
​22. April 2025
​Tätigkeit eines Kfz-Meisters als Kfz-Sachverständiger als ingenieurähnliche Tätigkeit
C-615/23
8. Mai 2025
Steuerbemessungsgrundlage - Gegenleistung - Unmittelbar mit dem Preis eines steuerpflichtigen Umsatzes zusammenhängende Subventionen - Öffentliche Personenverkehrsdienste
C-405/24​
8. Mai 2025
Steuerbefreiungen bei der Einfuhr - Waren in Kleinsendungen nicht kommerzieller Art mit Herkunft aus Drittländern - Empfänger, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Einfuhrmitgliedstaat ansässig ist

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