Hurra, ein Konflikt - Einvernehmliche Konfliktbewältigung und Zukunftsgestaltung in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft durch Mediation

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veröffentlicht am 31. Mai 2023

 

Konflikte. Jeder hat sie, niemand will sie. Egal ob zwischen Ärzten/Pflegekräften und dem Management, innerhalb des Gesellschafterkreises oder Unstimmigkeiten innerhalb des Managements: Neben den besonderen Herausforderungen im Gesundheitswesen werden zusätzlich durch verschiedenste Konflikte wichtige Ressourcen wie Zeit, Geld und Nerven verschwendet, die dann für die eigentlich wichtigen Aufgaben nicht zur Verfügung stehen. Ist ein Konflikt erstmal entfacht, wird der Ruf nach Anwälten laut und endet im schlimmsten Fall vor Gericht. Zu allem Überfluss belasten Konflikte zusätzlich noch die wechselseitigen Beziehungen. Das muss nicht sein, sagt unser Partner und Mediator Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M. In unserem Interview erläutert er, warum nicht der Konflikt als solcher, sondern der Blick auf diesen das eigentliche Problem ist und wie die Mediation als alternative Konfliktlösungsmethode helfen kann.

 

Herr Lenger-Bauchowitz, Ihre Aussage „Hurra, ein Konflikt” ist doch sehr provokant. Freuen Sie sich wirklich, wenn es Spannungen, belastende Situationen und Konflikte zwischen Parteien gibt?

Vielen Dank für diese Frage, die ich für mich und aus meiner mediativen Haltung heraus gerne und klar mit „Ja“ beantworten möchte. Natürlich freue ich mich nicht darüber, dass die Parteien oft unter einem Konflikt leiden. Ich freue mich lediglich, dass es den Konflikt als solchen zwischen zwei Parteien gibt. Das klingt zunächst merkwürdig. Nur folgt die Einordnung als Merkwürdigkeit aus dem Umstand heraus, dass es oft am tiefgreifenden Verständnis für Konflikte fehlt und wir nie wirklich gelernt haben, wie wir angemessen in einem Konfliktfall agieren können. Vielleicht lassen Sie mal folgenden Gedanken zu: Konflikte gehen Menschen grundsätzlich nur in Erwartung einer gemeinsamen Zukunft ein. Und da ist es egal, ob es die Beziehung betrifft, Freundschaften unsere Kinder, im Gesellschafterkreis oder im Arbeitsverhältnis. Wenn ich keine gemeinsame Zukunftserwartung habe, dann brauche ich auch keinen Konflikt, denn dann ist mir mein Gegenüber schlichtweg egal. Unser Bestreben sollte daher nicht sein, Konflikte zu vermeiden. Wenn man auf Konflikte angemessen reagiert, dann belebt er, schafft neue Sichtweisen, führt zu persönlichem und gemeinsamem Wachstum und bringt Fortschritt.

Sie sehen, es kommt nicht darauf an, den Konflikt zu vermeiden, sondern angemessen und souverän damit umzugehen.

 

Und das schafft ein Mediationsverfahren ? Oder welche Vorteile ergeben sich aus diesem Verfahren?

Genau so ist es. Wenn zwei Medianden mit einem Konflikt zu mir kommen, dann ist mal eins klar: Die Kommunikation zwischen den beiden ist gestört. Denn Konfliktverhalten ist immer kommunikatives Verhalten. Und es gibt im zwischenmenschlichen Umgang grundsätzlich zwei Ebenen, nämlich die Sachebene und die Beziehungsebene. Auf der Sachebene geht es oft um die Beeinträchtigung der eigenen Interessendurchsetzung, die sich durch die aufeinanderprallenden Anliegen und Verhaltensweisen ergibt. Auf der Beziehungsebene wiederum geht es um das gestörte persönliche Verhältnis zwischen den Konfliktparteien. Hier geht es dann oft um wechselseitiges zuschieben von Schuld und Verantwortlichkeiten. Und die Mediation ist genau das Verfahren, das diese Besonderheiten berücksichtigt. Es geht hier um eine reine Interessenorientierung. Wir Mediatoren versuchen durch unsere Allparteilichkeit ein tiefes Verständnis für die wirklichen Interessen – nicht Positionen – beider Medianden zu entwickeln und die jeweiligen Interessen dem jeweils anderen sichtbar zu machen. Und dies geschieht in voller Eigenverantwortlichkeit der Medianden. Das bedeutet der Mediator unterstützt die Konfliktbeteiligten bei der Suche nach eigenen, tragfähigen Lösungen. Ich bin in dieser Rolle weder Anwalt noch Experte. Ich bin ausschließlich für die Struktur des Verfahrens und den Prozessverlauf verantwortlich. Die Vorteile eines solchen Verfahrens liegen für die Medianden auf der Hand: Jede Vereinbarung wird von den Medianden, weil sie ja von ihnen selbst kommt, eine viel höhere Akzeptanz und damit auch eine nachhaltige Umsetzung erfahren. Die Medianden haben eine große Zeitersparnis, weil Mediationsverfahren Konflikte in der Regel schneller lösen können, als ein Gerichtsverfahren oder eine Schlichtung. Ein Gerichtsverfahren kann Monate oder sogar Jahre dauern, während eine Mediation oft innerhalb von Tagen oder Wochen abgeschlossen werden kann. Zudem können die Medianden ihre Geschäftsbeziehungen erhalten, ihre Kommunikation verbessern und zuletzt greift natürlich auch hier ein Kostenargument. Denn die Mediation ist in der Regel viel kostengünstiger als ein Gerichtsverfahren oder eine Schlichtung. Der allerwichtigste Punkt ist meines Erachtens aber: Die Medianden bestimmen was besprochen wird und worüber sie sich verständigen wollen. 

 

Sie haben gerade noch Streitschlichtung und Schiedsverfahren erwähnt. Warum sollte ich eine Mediation diesen anderen Verfahren vorziehen?

Ich sage nicht, dass die Mediation immer das vorzugswürdigere Verfahren ist. Ob das so ist, hängt von der jeweiligen Konfliktsituation ab und erfordert natürlich auch eine grundlegende Offenheit und Freiwilligkeit der Medianden, dieses Verfahren bestmöglich zu nutzen. Aber die Mediation unterscheidet sich in zentralen Punkten von anderen Konfliktlösungsverfahren. Schiedsverfahren und Schlichtungsverfahren sind z.B. sehr rechte-, und positionenorientiert, d.h. es geht darum, die eigene Position durchzusetzen. Die Mediation dagegen setzt auf die Interessenorientierung. Das hat natürlich den Charme, dass die Positionen, die die Beteiligten einnehmen, für die mögliche Lösung gar nicht relevant sind. Trotz unterschiedlicher Positionen können in einem Mediationsverfahren gerade die dahinterstehenden Interessen der Lösungsansatz sein. Sie kennen mit Sicherheit das Beispiel mit den zwei Schwestern, die um eine Orange streiten. Die Positionen sind auf jeder Seite klar: Beide wollen die Orange. Ein Schiedsverfahren würde möglicherweise – rechteorientiert – klären, wer welches Recht an der Orange hat und im Zweifel 50/50 urteilen. Möglicherweise gibt es auch einen Vergleich, jeder erhält eine halbe Orange. In einem Mediationsverfahren würde z.B. geklärt, warum die beiden ihre Orangenposition eingenommen haben. Welches wirkliche Interesse steckt dahinter? Es kommt heraus, dass die eine Schwester die Schale für einen Kuchen braucht, die andere den Saft der Orange für ein Getränk. Ein Klassiker, aber sehr plakativ und nachvollziehbar. Noch ein weiterer Aspekt: Schiedsverfahren und Schlichtungsverfahren sind sogenannte entscheidungsorientierte Verfahren. Ein Dritter entscheidet über den Konflikt, nämlich der Schiedsrichter oder Streitschlichter. Die Mediation ist jedoch ein autonomieorientiertes Verfahren. Die Parteien wählen damit ein Verfahren, das vom gemeinsamen Bemühen um eine Einigung geprägt ist. Der Mediator ist kein Entscheider. Dadurch, dass die Parteien selbst verantwortlich sind für das Ergebnis einer Mediation, wird die potentielle Lösung aller Voraussicht nach auch eine viel größere Akzeptanz haben. 
 

Gibt es auch Stolpersteine im Mediationsverfahren bzw. für wen ist ein solches Verfahren überhaupt geeignet?

Selbstverständlich gibt es die. Die Mediation ist natürlich kein Allheilmittel. Deswegen klären wir auch in einem Vorgespräch die sog. Mediationsgeeignetheit des Konflikts. Das kommt beispielsweise vor, wenn zwischen den Parteien ein erhebliches Ungleichgewicht in Bezug auf Macht, Ressourcen oder Verhandlungsmacht besteht. Dann könnte eine Mediation möglicherweise nicht effektiv sein, weil eine Partei z.B. auch die Entscheidung eines Dritten zwingend benötigt. Dann kann ein Klageverfahren sinnvoller sein, um den Rechtsstreit vor einem Gericht zu klären, wo die rechtlichen Prinzipien und Regeln angewendet werden, um eine – rechteorientierte – Entscheidung zu treffen. Ob die dann immer fair ist, wage ich zu bezweifeln. Dann kann ein Konflikt möglicherweise auch grundsätzliche zu klärende Rechtsfragen enthalten. Wenn der Streitpunkt eine grundsätzliche Rechtsfrage betrifft oder die Auslegung von Gesetzen und Vorschriften erforderlich ist, wäre vermutlich ein Klageverfahren sinnvoller. Auch hier geht es wieder um eine Rechteorientierung. Ein letzter Aspekt kann natürlich auch sein, dass die Konfliktparteien stark polarisieren und keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit oder Kompromissbereitschaft zeigen. Dann fehlt es auch bereits an einem wichtigen Grundprinzip für die Mediation, nämlich die Freiwilligkeit. D.h. wenn eine Konfliktpartei oder der Mediator zu dem Schluss kommen, dass die Voraussetzungen für eine Mediation bzw. konstruktive Arbeit nicht (mehr) gegeben sind, dann macht eine Mediation wenig Sinn. Sie kann dann vom Mediator und/oder den Parteien beendet werden. Letztlich sind die Konfliktparteien auch für das inhaltliche Ergebnis einer Mediation verantwortlich.

Was passiert, wenn eine Mediation scheitert ? Kann ich dann immer noch klagen oder vergebe ich mir da was?

Ja, wenn eine Mediation scheitert, steht es den Beteiligten in der Regel frei, ein Klageverfahren einzuleiten. Eine gescheiterte Mediation führt nicht automatisch dazu, dass die Beteiligten ihr Recht auf ein Klageverfahren verlieren. Wie gesagt: Die Mediation ist ein freiwilliger Prozess, bei dem die Parteien versuchen, ihre Streitigkeiten außergerichtlich in einem vertraulichen Umfeld beizulegen. Wenn die Mediation nicht zu einer Einigung führt oder eine der Parteien beschließt, den Mediationsprozess abzubrechen, kann der Konflikt weiterhin vor Gericht gebracht werden. Hier stellen die Medianden dann immer zwei Fragen: Kann das, was im Mediationsverfahren besprochen und auch im Rahmen des Grundsatzes der Offenheit offengelegt wurde, im anschließenden Klageverfahren eingeführt werden und was ist mit der Verjährung meiner Ansprüche, wenn ich erst ein Mediationsverfahren vorschalte? Zur ersten Frage kann ich sagen, dass alles, was in der Mediation besprochen wird – jedenfalls wenn der Mediator Profi ist und die Parteien da hinbringt – im Nachhinein nicht im Gerichtsprozess verwertet werden kann. In die von den Medianden und dem Mediator zu schließende Mediationsvereinbarung gehören also unbedingt Vertraulichkeitsklauseln und Verwertungsverbote von Informationen aus diesem Verfahren. In meinen Verträgen befindet sich z.B. auch eine Klausel, die es den Medianden verbietet, mich als Mediator in einem möglichen Folgeprozess als Zeugen zu benennen. Dies ist auch notwendig, damit die Medianden offen sprechen und nicht aus prozesstaktischen Gründen oder aus Angst vor einem sich anschließenden Klageverfahren nicht offen reden. Was die Verjährung angeht, so wirkt das Mediationsverfahren verjährungshemmend. Das bedeutet, dass die Verjährungsfrist für Ansprüche während des Mediationsverfahrens angehalten wird.


 

INTERVIEWERIN

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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