Die Post von einem Zivilgericht aus Polen – was tun, um den Brief korrekt abzuholen

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 24. März 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 
Wie sieht das Verfahren in der Praxis aus, um einen Brief von einem Zivilgericht aus Polen korrekt abzuholen? Wie soll sich der Empfänger einer gerichtlichen Sendung aus dem Ausland verhalten und worauf muss er achten, damit die Zustellung nicht nur wirksam, sondern vor allem auch sicher stattfindet? 

  

  

    Das Zustellungsverfahren – Schritt für Schritt

Die Infrastruktur für das Zustellungsverfahren nach der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates (EU) 2020/1784 („Verordnung“) bilden die Zentralstelle und die Übermittlungsstellen und Empfangs­stellen, die von den Mitgliedstaaten zwecks Durchführung der Verordnung benannt wurden. Ausgenommen ist das Königreich Dänemark. Dort erfolgen Zustellungen grundsätzlich auf dieselbe Weise, aber nicht auf der Grundlage der Vorschriften der Verordnung, sondern auf der Grundlage eines gesonderten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen. Aufgabe der Zentralstelle (in Polen das Justiz­ministerium) ist es, die Gerichte über die zuständigen Empfangsstellen zu informieren, problematische Zustellungen zu koordinieren und in Ausnahmefällen die Korrespondenz der zuständigen Empfangsstelle auszuhändigen. In der Praxis jedoch werden die Funktionen der Übermittlungs- und Empfangsstellen von den entsprechenden Abteilungen oder Präsidenten auf Bezirksebene ausgeübt.
 
In Polen erstellt das Gericht, das mit der betreffenden Sache befasst ist, die zuzustellenden Schriftstücke und die Zustellungen nimmt formell der Präsident des betreffenden Bezirksgerichts vor. Die von der Über­mittlungs­stelle versandten Schriftstücke werden der Empfangsstelle zugestellt und diese nimmt letztlich die Zustellung an den Empfänger vor (in flächenmäßig größeren Staaten wird das Schriftstück noch an das Amtsgericht, das sich am nächsten beim Empfänger befindet, übersandt). Die Kommunikation zwischen den Übermittlungs- und den Empfangsstellen in Bezug auf die Versendung, den Eingang und die Annahme von Schriftstücken findet über ein dezentralisiertes IT-System (oder mithilfe anderer Mittel) statt. 
 

Obligatorischer Inhalt einer Sendung

Die Sendung, die das Gericht einem Empfänger mit Wohnsitz oder Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat zustellen will, besteht, unabhängig davon, welche Sache es betrifft, grundsätzlich aus zwei Elementen. Den ersten Teil dieser Elemente bilden die Zustellungsformblätter, die Anhänge zur Verordnung sind. Sie sind so strukturiert, dass das übermittelnde Gericht, unabhängig von der Amtssprache des Mitgliedstaates, in den das Schriftstück gelangen soll, in der Lage ist, sie auszufüllen. Das zweite Element der Sendung ist das eigentliche Schriftstück, also die konkreten Dokumente, die dem Empfänger zugestellt werden sollen. Es muss jedoch bedacht werden, dass sie von einem vereidigten Übersetzer zumindest in die Amtssprache des Mitgliedstaates, in dem die Zustellung erfolgen soll, übersetzt werden müssen, und im Falle von Staaten mit mehreren Sprachen – in eine der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung an den Empfänger stattfinden soll. Die Empfangsstelle muss die Zustellung binnen eines Monats nach Eingang des Schriftstücks vornehmen. 
 
Andere Arten der Zustellung, die mit einem gewissen Risiko in Bezug auf die Wirksamkeit der Zustellung verbunden sind, für die sich aber das Gericht des übermittelnden Staates entscheiden kann, sind: 
  • die Zustellung von Schriftstücken durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete
  • die Zustellung durch Postdienste (per Einschreiben mit Rückschein oder einen gleichwertigen Beleg) 
  • die elektronische Zustellung (mit Zustimmung des Empfängers und an die von ihm genannte E-Mail-Adresse)
  • die unmittelbare Zustellung (unter der Bedingung, dass diese Art der Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist).
 

Annahme einer gerichtlichen Sendung aus einem anderen EU-Mitgliedstaat 

Die grundlegende sorgfältige Handlung bei der Annahme eines solchen Schriftstücks ist die genaue Über­prüfung des gesamten Inhalts, d.h. aller Seiten des betreffenden Schriftstücks, vor allem im Hinblick auf die Vollständigkeit der Übersetzungen. Jedes Schriftstück, ob Begleitschreiben oder Aufforderung oder Ver­fah­rens­schrift­satz, muss dem Empfänger mitsamt beglaubigter Übersetzung zugestellt werden. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Übersetzungen unvollständig sind: Einmal fehlt die Übersetzung des Be­gleit­schrei­bens mit der Verpflichtung und der Fristsetzung für die Einreichung des Schreibens, ein anderes Mal fehlt die Übersetzung der obligatorischen Rechtsbelehrungen, die an den Empfänger gerichtet sind, oft fehlt auch die Übersetzung der Anlagen zu Schriftstücken etc. Diese vorläufige Überprüfung sollte am besten noch vor Ort, in der Empfangsstelle vorgenommen werden. 
 
Warum ist das so wichtig? Praktisch jede Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken löst eine Verfahrensfolge aus – der Lauf einer Frist für die Vornahme eine Handlung beginnt. Meistens handelt es sich dabei um die Einreichung eines Schreibens. Das Versäumnis einer solchen Frist wiederum wird in den meisten Fällen negative prozessuale Folgen für den Empfänger des Schriftstücks haben. 
 

Recht zur Verweigerung der Annahme der Sendung

Wenn jedoch der Empfänger nicht in der Lage ist, selbst die Vollständigkeit der Übersetzungen zu überprüfen, kann er die Sendung vorläufig abholen und innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Überprüfung entweder selbst vornehmen oder mit der Überprüfung des Inhalts der Sendung eine Person, die der Sprache des übermittelnden Staates kundig ist, oder einen Profi – einen im übermittelnden Staat praktizierenden Rechts­anwalt – beauftragen. Wenn sich herausstellt, dass die Schriftstücke nicht ordnungsgemäß übersetzt wurden oder die Übersetzung unvollständig ist, oder wenn sich zeigt, dass der Empfänger der Sprache, in die das Schriftstück übersetzt wurde, überhaupt nicht mächtig ist, kann und muss der Empfänger von seinem Recht zur Verweigerung der Annahme der Sendung Gebrauch machen. Dieses Recht wird durch die Abgabe einer schriftlichen Erklärung zum Zeitpunkt der Zustellung oder eben innerhalb von zwei Wochen ab der Zustellung ausgeübt. Die Erklärung wird auf dem Formularblatt L in Anhang 1 (diese Anlagen werden zusammen mit dem Schriftstück zugestellt) oder einfach schriftlich mit dem Hinweis abgegeben, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks wegen der Sprache, in der das Schriftstück zugestellt wurde, verweigert. Nachdem eine solche Erklärung abgegeben wurde, informiert die Empfangsstelle die übermittelnde Stelle darüber und schickt das Schriftstück zurück. Dann überprüft das übermittelnde Gericht, ob in der Tat eine zusätzliche Übersetzung der Schriftstücke (oder eine andere Art der Ergänzung der zuzustellenden Schriftstücke) erforderlich ist oder ob die Verweigerung durch den Empfänger ungerechtfertigt war. 
 
Im ersten Fall kann das Gericht die Zustellung heilen und das Verfahren wiederholen, indem dem Empfänger alle Schriftstücke mitsamt Übersetzung zugestellt werden. Wenn das Gericht jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die Zustellung ordnungsgemäß und die Verweigerung der Annahme ungerechtfertigt war, können Handlungen zum Schutz der eigenen Rechte möglicherweise schon nicht mehr vorgenommen werden, weil die Frist abgelaufen ist. Es besteht zwar die formale Möglichkeit, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen (z.B. wenn der Beklagte ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück erlangt hat, dass er sich hätte verteidigen können, oder nicht so rechtzeitig Kenntnis von der Entscheidung erlangt, dass er ein Rechtsmittel hätte einlegen können, und wenn die Verteidigung des Beklagten nicht von vornherein in der Sache aussichtslos scheint), jedoch ist dies nicht nur mit dem sehr großen Risiko, dass das Gericht die Zustellung dennoch als wirksam erachtet, sondern auch mit beschränkten Möglichkeiten der Anfechtbarkeit von Entscheidungen oder der Wiederaufnahme von Verfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten verbunden. 
 
Daher sollte im Falle der Zustellung einer Sendung durch das Gericht eines anderen Mitgliedstaates zwingend professionelle Unterstützung eingeholt werden. Die Experten von Rödl & Partner in jedem EU-Mitgliedstaat stehen Ihnen natürlich zur Verfügung und sind Ihnen gerne behilflich.
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu