Selbstanzeige: Letzte Chance – vorbei?

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​veröffentlicht am 12. Oktober 2017

 

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit für rund 2.000 mutmaßliche Steuersünder, die bei bundesweiten Durchsuchungen bei der Großbank UBS Ende September ins Visier der Bochumer Staats­an­walt­schaft geraten sind. Denn solange höchstrichterlich nicht geklärt ist, bis zu welchem Zeitpunkt eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich ist, sollten sich betroffene Anleger sputen.

 

  

Was ist passiert?

Auslöser für die deutschlandweiten Durchsuchungen war eine Steuer-CD mit gestohlenen Bankdaten eines Informanten, die das Land Nordrhein-Westfalen gekauft hatte. Pressemitteilungen zufolge enthielt die CD Daten über Kunden der UBS Luxembourg S.A., die seit Ende 2016 Teil der UBS Europe SE mit Sitz in Frankfurt ist.

 

Nach Auswertung der CD durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal werden ca. 2.000 UBS-Kunden verdächtigt, pflichtwidrig Erträge aus Kapitalanlagen in ihren Einkom­men­steu­er­er­klä­run­gen bzw. in Luxembourg angelegtes Kapital in ihren Erbschaftssteuerklärungen nicht angegeben zu haben.

 

Was erwartet die betroffenen Anleger?

  • Sollte sich der Verdacht der Steuerhinterziehung erhärten, wird die Finanzbehörde die Nachzahlung der Steuern für die letzten 10 Jahre sowie Zinsen in Höhe von 6 Prozent p.a. festsetzen, was zu einer nicht zu unter­schät­zen­den finanziellen Belastung führt.
  • Abhängig von der Höhe der hinterzogenen Steuern drohen daneben Geld- oder Freiheitsstrafen.

- Die Berechnung einer Geldstrafe ergibt sich aus 2 Faktoren.
  Zuerst wird die Anzahl der Tagessätze ermittelt: Sie kann zwischen 5 und max. 360 Tagessätzen  
  liegen. Im Falle der Tatmehrheit dürfen max. 720 Tagessätze verhängt werden. Wie hoch die Anzahl
  ausfällt, richtet sich nach den allgemeinen Strafzumessungskriterien. Das sind bspw. die Art der Straftat
  oder mögliche (einschlägige) Vorstrafen.
    
  Als weiterer Schritt folgt die Festlegung der Höhe des Tagessatzes. Ein Tagessatz beträgt mind. 1 Euro
  und höchstens 5.000 Euro. Die Tagessatzhöhe bemisst sich nach dem monatlichen Nettoeinkommen
  (Gewinn) geteilt durch 30. Als Nettoeinkommen zählen alle Einkünfte, die der Beschuldigte hat (z.B.
  auch Mieteinnahmen, BAföG, ALG-II, Kindergeld).


- Bei einer Freiheitsstrafe erstreckt sich der Strafrahmen für Steuerstraftaten bei „einfachen”
  Steuerhinterziehungen von 1 Monat bis zu 5 Jahren. Sollte gar ein besonders schwerer Fall der
  Steuerhinterziehung vorliegen, können die Behörden aus einem Rahmen von 6 Monaten bis zu 10
  Jahren (!) Freiheitsstrafe schöpfen. Ein besonders schwerer Fall ist insbesondere bei einer
  hinterzogenen Steuer in Höhe von mind. 50.000 Euro zu bejahen. Ob diese Schwelle überschritten wird,
  bestimmt sich pro Steuerart und Veranlagungszeitraum.
  
- Geldstrafen von mehr als insgesamt 90 Tagessätzen und Freiheitsstrafen von mehr als 3 Monaten
  werden in das Führungszeugnis aufgenommen. Im alltäglichen Leben kann das polizeiliche
  Führungszeugnis wichtig werden, wenn es im Bewerbungsverfahren vorgelegt werden muss.

  • Darüber hinaus sind auch die empfindlichen Nebenfolgen zu beachten: Jäger, Schützen und Piloten müssen mit dem Einzug des jeweiligen Berechtigungsscheins rechnen. Freiberuflern wie Ärzten, Apothekern, Steuerberatern, Rechtsanwälten oder Wirtschaftsprüfern droht ein zusätzliches Verfahren vor der entsprechenden Berufskammer. Allen Gewerbetreibenden droht zudem der Entzug der Gewerbeerlaubnis. Mit weitreichenderen beruflichen Auswirkungen müssen auch Angestellte des öffentlichen Diensts rechnen.

  

Was ist zu tun?

Um einer Strafe und den möglichen Nebenfolgen zu entgehen, muss gegenüber dem zuständigen Finanzamt eine Selbstanzeige eingereicht werden.

 

Mittels der Selbstanzeige wird unter bestimmten Gesichtspunkten die strafrechtliche Verfolgung des Steuerschuldners verhindert. Objektive Voraussetzung für die Erlangung der Straffreiheit bei einer Steuerstraftat ist die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern. Ohne Nachzahlung kann es keine Straffreiheit geben!

 

Des Weiteren muss vor Entdeckung der Tat und ohne Vorliegen eines weiteren Sperrgrunds (insbesondere einer Betriebsprüfung) reiner Tisch gemacht werden. Wann genau eine Tat entdeckt gilt, ist in Fachkreisen umstritten.

 

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig Holstein vom 30. Oktober 2015 (Az. 2 Ss 63/15) zufolge, ist eine strafbefreiende Selbstanzeige schon dann nicht mehr möglich, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einschlägiger Medienberichterstattung über den Ankauf einer Steuer-CD von „seiner” Bank informiert ist. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage steht bislang noch aus.

 

Dennoch gilt: Agieren ist besser als reagieren. Wer dem Finanzamt sein Fehlverhalten eingesteht und für den Schaden aufkommt, wird in einem möglichen Strafverfahren bessere Karten haben als derjenige, bei dem die Steuerfahndung vor der Tür steht. Auch wenn eine Selbstanzeige eigentlich nicht mehr möglich ist, kann sie dennoch günstiger sein, als die Fahnder ermitteln zu lassen. Macht der Steuerpflichtige von sich aus „reinen Tisch”, kann sich das bei einem möglichen Steuerstrafverfahren strafmildernd auswirken.

 

Vermögenden, die unversteuertes Vermögen im Ausland angelegt haben, ist daher die Prüfung einer Selbstanzeige zwingend zu empfehlen.

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