Synthese des „White Papers” der Regierung Großbritanniens vom 12. Juli 2018

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​veröffentlicht am 16. Juli 2018

 

Mit der Veröffentlichung des sog. „White Papers” am 12. Juli 2018 hat die Regierung Großbritanniens nach ausgiebiger Vorlaufzeit einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung künftige Zusammenarbeit mit der EU für die Zeit nach dem Austritt am 29. Juli 2019 gemacht. Theresa May und ihr Kabinett haben mit der gespannt erwarteten Regierungserklärung ihre Vorschläge zur Gestaltung der Kooperation mit der EU vorgelegt und damit eine erste Diskussionsgrundlage für eingehende Verhandlungen geliefert.
 

 
Die zentralen Inhalte sind darin insb. die bevorstehende wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU, die Freizügigkeit von EU-In- und Ausländern innerhalb Großbritanniens sowie die verbleibende Entscheidungsgewalt des EuGH.
 
Das Wichtigste hierzu lässt sich wie folgt zusammenfassen:
 

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Der Austritt Großbritanniens aus der EU bedeutet zugleich die Auflösung der gemeinsamen Wirtschafts- und Zollunion. Es drängt sich somit die Frage auf, wie eine künftige Zusammenarbeit in wirtschaftlichen Angelegenheiten, von der beide Seiten größtmöglich profitieren möchten, gestaltet werden kann. Die beiden wohl bedeutendsten Bereiche sind dabei der Handel mit Waren und Dienstleistungen, welche aus Sicht Großbritanniens nahezu konträr ausgerichtet werden sollen.
 

a. Handel mit Waren

Beim Handel mit Waren, insb. industriell hergestellten, landwirtschaftlichen Produkten sowie Lebensmitteln, beabsichtigt Großbritanniens Regierung einen „soften” Brexit. Das bedeutet, dass weiterhin ein gemeinsamer Standard v.a. hinsichtlich Qualität und Abmessungen für den grenzüberschreitenden Verkehr dieser Produkte gelten soll. Die britische Regierung sieht das als notwendiges und adäquates Mittel an, um die langjährige enge Verbindung beider Volkswirtschaften zu erhalten sowie die Vielzahl an hiervon abhängigen Arbeitsplätzen zu garantieren. Zudem verspricht man sich davon, unnötige Reibungsverlust durch abweichende Produktions­standards zu vermeiden. Entsprechende Vorgaben will die britische Regierung im Parlament verabschieden.
 

b. Handel mit Dienstleistungen

Diametral hierzu möchte Großbritannien den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr mit der EU  ausgestalten. Der hierfür zur Verhandlung gestellte „harte” Brexit enthält eine grundlegende Abkehr vom bisherigen Handelssystem, wonach auch Dienstleistungen wechselseitig barrierefrei angeboten und ausgetauscht werden können.
 
Die britische Regierung beabsichtigt in ihrem White Paper umfassende Neuregelungen, unter welchen Voraussetzungen grenzüberschreitende Dienstleistungen überhaupt in Großbritannien angeboten werden dürfen und wann diese ggfs. aufgrund diskriminierender Wirkung nicht zugelassen werden. Weiterhin sollen gemeinsame Vorgaben zur Anerkennung beruflicher Ausbildungen entworfen sowie der Austausch von Finanzdienstleistungen auf neue Beine gestellt werden. Der Hintergrund dieser „harten” Linie dürfte die enorme Bedeutung des Dienstleistungssektors für die britische Volkswirtschaft sein, deren Bruttowertschöpfung immerhin zu 79 Prozent hierauf fußt.
 

Freizügigkeit

Hinsichtlich der Frage der Freizügigkeit von Personen, die nach Großbritannien einreisen möchten, gibt das White Paper zunächst eine scheinbar klare Antwort: Die bisherige erlaubnisfreie Einreise sowie der Aufenthalt von Personen ohne britische Staatsangehörigkeit soll zugleich mit dem Austritt sein Ende finden. Großbritannien beabsichtigt, künftig mittels nationaler Vorschriften die Einreise in das Land detailliert und abschließend zu regeln. Gleichzeitig listet die Regierung in ihrem White Paper vereinzelte Ausnahmen. Hiernach sollen Einreise und Aufenthalt ohne Visum erlaubt werden, wenn es touristisch oder zeitlich begrenzten beruflichen Zwecken dient. Die anfänglich scheinbar klare Zielvorgabe relativiert sich hierdurch, indem die sprachliche Fassung Interpretationsspielräume eröffnet.
 

Gerichtsbarkeit des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)

Eine weitere Folge des Austritts Großbritanniens aus der EU ist das Ende der Entscheidungsgewalt des EuGH über staatliches Handeln.
 
Ohne Partner der europäischen Verträge zu sein und damit europäisches Recht anwenden zu dürfen und müssen, hat der EuGH keine Entscheidungshoheit mehr über die Rechtmäßigkeit staatlicher Maßnahmen seitens Großbritanniens insb. gegenüber Privatpersonen und Unternehmen. Die britische Regierung erklärt in ihrem White Paper dennoch, den EuGH als normauslegende Instanz anzuerkennen, soweit Großbritannien sich vereinzelt der Bindung europäischer Regelungen, vermutlich insb. im Bereich des Handels mit Waren (siehe unter „a”), unterwerfen sollte.
 

Das White Paper wird nun im Spannungsfeld mit den Vorstellungen der EU von den politisch Verantwortlichen samt deren Unterhändlern verhandelt werden, um so zeitnah klare, handhabbare Regelungen für die weitere Zusammenarbeit zu vereinbaren.
 

Wenn Sie genauere Informationen benötigen oder Fragen dazu haben, wie der Standpunkt der britischen Regierung Ihre Aktivitäten beinflussen könnte, stehen wir gerne zur Erläuterung und Unterstützung zur Verfügung.

 

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