Überblick über die wichtigsten Änderungen des EU-Sanktionsregimes gegen Belarus und Russland im Juli 2025

PrintMailRate-it

​​veröffentli​cht am 25.07.2025

Im Juli 2025 hat die Europäische Union die rechtliche und wirtschaftliche Architektur ihres Sanktionsregimes gegen Belarus und die Russische Föderation entscheidend gestärkt. Die erlassenen Rechtsakte – darunter insbesondere die Verordnung (EU) 2025/1494, gestützt auf Artikel 215 AEUV, sowie der Beschluss (GASP) 2025/1495 – erweiterten nicht nur den Katalog restriktiver Maßnahmen, sondern führten auch neue rechtliche Instrumente ein.
 



 ​​ 

Sanktionen gegen die Russische Föderation

1. Erweiterung der Exportkontrollen und Kontrollmechanismus für nicht gelistete Güter


Die Verordnung (EU) 2025/1494 vom 18. Juli 2025 änderte die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in mehreren Schlüsselbereichen. Unter anderem wurde der Anwendungsbereich der Genehmigungspflicht auf nicht gelistete Güter ausgeweitet, sofern ein militärischer Endverwendungszweck vermutet werden kann (z. B. für Drohnen, Luftverteidigung oder Kommunikationssysteme).
 
Dies erfolgt über das Instrument der sogenannten Kontrollmechanismus für nicht gelistete Güter, welche den Mitgliedstaaten erlaubt, eine Genehmigungspflicht für jegliche Güter zu verlangen, sofern ihnen bekannt ist oder sie den begründeten Verdacht haben, dass diese Güter für militärische Zwecke oder zur Umgehung bestehender Sanktionen verwendet werden. Dieses flexible Instrument verleiht dem Sanktionssystem Dynamik und verhindert Umgehungsstrategien. In der Fachsprache ist dieser Kontrollmechanismus auch als „Catch-all“-Ansatz bekannt.
 
Die Kontrollmechanismus für nicht gelistete Güter ist insbesondere in Art. 2a Abs. 1aa–6a und Art. 3k Abs. 5h und 5i der geänderten Verordnung kodifiziert.
 

2. Finanzielle Isolation und Banksanktionen

 
Die Verordnung (EU) 2025/1494 und der Beschluss (GASP) 2025/1495 vom 18. Juli 2025 unterwarfen neue russische Banken restriktiven Maßnahmen, darunter Institute mit Bezug zum Russischen Direktinvestitionsfonds (RDIF) und Unternehmen, die das nationale Zahlungssystem Russlands (SPFS) betreiben oder unterstützen.
 
Bemerkenswert ist etwa der in Erwägungsgrund (19) der Verordnung 2025/1494 begründete Ausschluss des Russischen Direktinvestitionsfonds (RDIF) und seiner Tochtergesellschaften, gestützt auf deren strukturelle Rolle bei der Finanzierung staatsnaher Projekte, einschließlich solcher mit militärischer Relevanz.
 

3. Einschränkungen bei Kryptowährungen und Ersatzinstrumenten

 
Zum ersten Mal unterliegen auch Kryptowährungsplattformen und verbundene Finanzvermittler einem ausdrücklichen Verbot. Art. 5ad untersagt den Zugang russischer Akteure zum EU-Kryptomarkt sowie jegliche Umgehung durch alternative Zahlungskanäle.
 

4. Kontrolle des Energiesektors, der Schifffahrt und der Verarbeitung

 
Besonderes Augenmerk gilt dem Ölsektor. Die bisherige Preisobergrenze von 60 USD pro Barrel wurde durch einen dynamischen Mechanismus ersetzt. Ab Juli 2025 gilt: Die Obergrenze liegt 15 % unter dem durchschnittlichen Marktpreis für Urals-Öl des vorangegangenen Halbjahres – was etwa 47,6 USD pro Barrel entspricht. Die Regelung findet sich in Art. 3n der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in der Fassung der Verordnung 2025/1494, in Verbindung mit Anhang XXVIII, der die methodische Berechnung und Anpassung der Preisobergrenze festlegt.
 
Zudem wurde ein umfassendes Transaktionsverbot im Zusammenhang mit Nord Stream 1 und 2 eingeführt. Art. 5af spielt hierbei eine zentrale Rolle: Er untersagt Transaktionen, Versicherungen und technische Dienstleistungen für Schiffe, die im Zusammenhang mit der Wartung oder dem Betrieb dieser Pipelines eingesetzt werden.
 
Ebenfalls verboten ist der Import von Erdölprodukten, die aus russischem Öl im Ausland hergestellt wurden. Ziel ist es, jegliche indirekte Einfuhr von russischem Rohöl in die EU zu unterbinden.
 

5. Übergangsregelungen für bestehende Verträge

 
Für bestimmte Kategorien von Verträgen, die vor dem 20. Juli 2025 geschlossen wurden, gelten Übergangsfristen, die eine vorübergehende Abwicklung unter bestimmten Bedingungen ermöglichen.  Beispielsweise wurde gemäß Anhang VII ein Übergangszeitraum bis zum 18. Oktober 2025 festgelegt für die Erfüllung von vor dem 20. Juli 2025 geschlossenen Verträgen, die zum Zeitpunkt ihres Abschlusses mit dem Preis von 60 USD pro Barrel vereinbar waren.
 

6. Verbot der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsgerichtsentscheidungen

 
Die EU schließt in Artikel 11 Absätze 2a und 2b die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichts- oder Schiedsentscheidungen sowie Rechtshilfeersuchen aus Drittstaaten aus, wenn sie im Zusammenhang mit Investor-Staat-Streitigkeiten gegen einen EU-Mitgliedstaat im Kontext von Sanktionen stehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn solche Entscheidungen von sanktionierten Personen oder ihnen zuzurechnenden Organisationen geltend gemacht werden. Ziel ist es, die Wirksamkeit der EU-Sanktionen zu sichern und deren Umgehung über ausländische Verfahren zu verhindern. Die Artikel 11d bis 11f stärken den rechtlichen Schutz der EU-Mitgliedstaaten gegenüber Investor-Staat-Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit EU-Sanktionen eingeleitet wurden. Sie ermöglichen es den Staaten, auch dann vor nationalen Gerichten Schadenersatz zu fordern, wenn keine andere Zuständigkeit besteht, und geben ihnen das Recht, Ersatz von sanktionierten Akteuren oder deren Eigentümern zu verlangen.
 

7. Sekundärsanktionen

 
Sekundärsanktionen gegen Akteure aus Drittstaaten, die an Umgehungsstrategien beteiligt sind, sind kein völlig neues Instrument der EU-Sanktionspolitik. Bereits in früheren Sanktionspaketen wurden solche Maßnahmen eingesetzt, um die Umgehung der Verbote zu erschweren. Neu und bemerkenswert am 18. Sanktionspaket ist jedoch die systematische und kohärente Anwendung dieses Mechanismus. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet insbesondere Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014, das wissentliche und vorsätzliche Mitwirken an Umgehungsaktivitäten. Die Verordnung  (EU) 2025/1494 18. Juli 2025ergänzt dies durch die Aufnahme einer größeren Anzahl von Unternehmen aus Drittstaaten – insbesondere aus China /Hong Kong und der Türkei – in Anhang I, die aufgrund ihrer Beteiligung an der Lieferung sensibler Güter und Technologien an Russland sanktioniert werden. Dies unterstreicht den Fokus auf die Bekämpfung und Unterbindung globaler Umgehungsnetzwerke. So wird die Wirkung der Sanktionen nicht nur auf direkte Zielpersonen in Russland begrenzt, sondern umfasst auch die strukturelle Disruption der internationalen Umgehungsarchitektur.
 

8. Aktualisierung der Sanktionsliste

 
Mit Beschluss (GASP) 2025/1478 vom 18. Juli 2025 wurden bestimmte Personen und Organisationen aus der Sanktionsliste gestrichen – etwa aufgrund von Tod, Auflösung der Organisation oder dokumentiertem Kurswechsel im Hinblick auf Distanzierung von der Aggression.


Sanktionen gegen die Republik Belarus

1. Einführung einer Catch-all-Kontrolle und erweiterte Exportverbote

Die Verordnung (EU) 2025/1472 vom 18. Juli 2025 änderte die Verordnung (EG) Nr. 765/2006. In Art. 1f Abs. 1aa–6a wurde eine neue Grundlage für den Genehmigungsvorbehalt eingeführt, die es erlaubt, den Export auch nicht gelisteter Güter zu untersagen, wenn Belarus mittelbar als Endempfänger angenommen wird. Der Anhang „V a“  wurde erheblich erweitert und umfasst nun Werkzeugmaschinen, Mikroelektronik, Dual-Use-Güter und chemische Komponenten.
 

2. Verbot der Anerkennung und Vollstreckung schiedsgerichtlicher Entscheidungen

 
Mit Art. 8d Abs. 2a–2b der geänderten Verordnung 765/2006 wurde klargestellt: Entscheidungen von Schieds- oder staatlichen Gerichten, die zugunsten belarussischer Akteure im Kontext von Sanktionen ergangen sind, widersprechen der öffentlichen Ordnung der Union und dürfen nicht anerkannt oder vollstreckt werden. Dieses Instrument dient dem Schutz der unionsrechtlichen Autonomie und verhindert, dass Sanktionen durch ausländische Urteile ausgehebelt werden.
 

3. Finanzielle Beschränkungen und Transaktionsverbote

 
Gemäß Art. 1zb Abs. 1–1b sind jegliche Geschäfte mit in Anhang XV genannten Organisationen verboten. Ausnahmen gelten ausschließlich für diplomatische Vertretungen und Transaktionen durch vor dem 24. Februar 2022 in Belarus ansässige EU-Bürger.
 

4. Übergangsregelungen für bestehende Verträge
 

Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 in der Fassung von 2025/1472 enthält Übergangsbestimmungen, die eine vorübergehende Durchführung vertraglicher Verpflichtungen erlauben, sofern diese vor dem 19. Juli 2025 eingegangen wurden. Auch hier sind Meldung und ggf. Genehmigung durch nationale Behörden erforderlich.
 

5. Aktualisierung der Sanktionslisten

 
Die Durchführungsverordnung (EU) 2025/1461 vom 18. Juli 2025 fügte acht belarussische Rüstungsunternehmen – darunter OKB TSP und UAVHeli – in Anhang I der Verordnung 765/2006 ein. Beide ​gelten als zentrale Akteure des belarussischen militärisch-industriellen Komplexes.
 
  

Fazit

Die im Juli 2025 verabschiedeten EU-Maßnahmen zeigen, dass das Sanktionsregime der Union kontinuierlich weiterentwickelt und an neue geopolitische und technische Herausforderungen angepasst wird. Mit jedem neuen Sanktionspaket werden bestehende Mechanismen gezielt ergänzt oder verstärkt – etwa durch präzisere Kontrollinstrumente, klarere Vorgaben zur Umgehungsvermeidung oder zusätzliche sektorale Beschränkungen. Ziel bleibt es, die wirtschaftlichen und technologischen Handlungsspielräume Russlands und Belarus schrittweise einzuschränken und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit der europäischen Rechts- und Sicherheitsordnung zu stärken.

Für Unternehmen, Finanzdienstleister bedeutet das: erhöhte Aufmerksamkeit und eine konsequente Anpassung ihrer Compliance- und Risikomanagementsysteme sind unerlässlich, um rechtssicher agieren zu können.

Kontakt

Contact Person Picture

Ewald Plum

Dipl. Finanzwirt (Zoll), Experte für Zoll-, Verbrauchsteuer- und Außenwirtschaftsrecht

Partner

+49 711 7819 144 97

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Dr. Tatiana Vukolova

Juristin

Associate Partner

+49 911 9193 1713

Anfrage senden

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu