Umsatzsteuer Digitalpaket/E-Commerce-Paket: Änderun­gen für 2021 und weitere durch das Jahressteuergesetz 2020

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zuletzt aktualisiert am 5. Januar 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

​Kurz gelesen

Am 5. Dezember 2017 wurde vom Rat der Europäischen Union das sog. Legislativ-Paket zur Modernisierung der Mehrwertsteuer beim grenzüberschreitenden elektronischen Handel im Privatkundenbereich (sog. B2C-Geschäft) verabschiedet und dazu eine Richtlinie (2017/2455) sowie zwei Verordnungen (2017/2454 und 2017/2459) zur Vereinfachung der Umsatzbesteuerung im E-Commerce beschlossen. Eine erste Stufe wurde bereits zum 1. Januar 2019 umgesetzt. Die Umsetzung der zweiten Stufe war ursprünglich zum 1. Januar 2021 vorgesehen, aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurde jedoch auf EU-Ebene eine Verschiebung auf den 1. Juli 2021 beschlossen. Durch das am 18. Dezember 2020 vom Deutschen Bundesrat verabschiedete und am 28. Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt verkündete vom Deutschen Bundesrat verabschiedete und verkündete Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) werden mit Wirkung ab 1. Juli 2021 die Änderungen zur Umsetzung der 2. Stufe des Digitalpakets in das deutsche Recht umgesetzt. Ab 1. April 2021 gelten die neuen Vorschriften mit Registrierung zum sog. OSS-Verfahren. Vielzählige weitere Änderungen im JStG 2020 mit unterschiedlichen Daten zum Inkrafttreten sind ebenfalls zu beachten.

 

Die eingeführten Änderungen zum 1. Januar 2019 im deutschen Recht finden Sie in unserem Artikel

„Umsatzsteuer Digitalpaket: Vereinfachungen der Mehrwertbesteuerung im E-Commerce ”.

  
    
Das „Digitalpaket” oder auch E-Commerce-Paket genannt, dient insbesondere dazu, das Bestimmungs­landprinzip auch im Bereich der Leistungen (also Dienstleistungen und Lieferungen) an Privatpersonen möglichst weitgehend umzusetzen, d.h. eine Umsatzbesteuerung in dem EU-Mitgliedstaat zu erzielen, in dem der Kunde sitzt, also ein Verbrauch stattfindet. Um gleichwohl Registrierungen für umsatzsteuerliche Zwecke im sog. Bestimmungsland (Sitzland der Kunden als Ort des Verbrauchs) für den leistenden Unternehmer zu vermeiden, wird flankierend hierzu das System der „Einzigen Anlaufstelle” (sog. One Stop Shop, derzeit MOSS – Mini One Stop Shop – genannt bzw. als solcher nur für einen kleinen Bereich an Dienstleistungserbringung im B2C-Geschäft konzipiert) ausgedehnt, das es Unternehmern ermöglicht, sich in nur einem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registrieren zu lassen. Der Mitgliedstaat der Registrierung, das ist i.d.R. der Ansässigkeitsstaat des leistenden Unternehmers, leitet dann die umsatzsteuerlichen Erklärungen und Zahllasten an die betroffenen EU-Mitgliedstaaten weiter, in denen die Kunden des Unternehmens ansässig sind und in denen eine Umsatzbesteuerung zu erfolgen hat. Weitere Informationen lesen Sie in unserem Beitrag „E-Commerce Paket 2: Änderungen bei Fernverkäufen und Dienstleistungen im B2C-Geschäft ab 1. Juli 2021”.
   
Durch diese Modernisierungsmaßnahmen wird die steuerliche Erfassung bestimmter weiterer grenzüberschreitender elektronischer Dienstleistungen (B2C-Dienstleistungen) und sog. Innergemeinschaftlicher Fernverkäufe an Nichtunternehmer (B2C-Lieferungen) vereinfacht:
   
1) Änderungen beim (EU-)Versandhandel an Privatpersonen:
  • Materiell-rechtliche Änderungen zum Lieferort sowie für in der EU ansässige Unternehmer das One Stop Shop-Verfahren werden in Deutschland für ab Juli 2021 ausgeführte Warenlieferungen (etwa über Online-Verkauf) an Endverbraucher, d.h. für den sog. innergemeinschaftlichen Versandhandel, neu genannt Fernverkäufe (§ 3c UStG-neu, §§ 18j, 18k UStG-neu), sowie auf weitere Dienstleistungen im B2C-Geschäft, hier durch Drittänder (18i UStG-neu), vorgesehen.
  • Bei Warenlieferungen aus Ländern außerhalb der EU über einen elektronischen Marktplatz wird der Marktplatzbetreiber unter bestimmten Voraussetzungen Steuerschuldner für die im Inland zu diesen Lieferungen anfallenden Umsatzsteuern: Online-Plattformen („elektronische Marktplätze” bzw. eine „elektronische Schnittstelle“) „begründen” ab Juli 2021 bei bestimmten Lieferungen der Versandhändler an Kunden einen eigenen (fiktiven) Steuertatbestand der Umsatzsteuer durch eine fiktiv angenommene Lieferkette (ein Reihengeschäft). Es wird also umsatzsteuerlich eine nur (zivilrechtlich) erbrachte Vermittlungsleistung der elektronischen Schnittstelle (eines Betreibers der elektronischen Schnittstelle) ignoriert und stattdessen in bestimmten Fallkonstellationen eine Lieferung nicht des Händlers an den Endkunden angenommen, sondern eine Lieferung des Händlers an die elektronische Schnittstelle und eine Lieferung dieser an den Endkunden im Reihengeschäft (§ 3 Abs. 3a UStG-neu). Die Online-Plattformen sollen hierbei der sog. Ist-Besteuerung unterliegen, so dass sie den Umsatz erst besteuern müssen, wenn sie das Entgelt vom Endkunden vereinnahmt haben.
 
Aufgrund dessen werden die geltenden Regelungen zur Haftung von Betreibern elektronischer Marktplätze angepasst und die Papierbescheinigungen über die steuerliche Erfassung der auf elektronischen Marktplätzen tätigen Händler durch die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer abgelöst. Seit 1. Januar 2019 hatte Deutschland bereits vorgreiflich mit § 25e UStG eine Regelung eingeführt, wonach der Marktplatzbetreiber für die nicht entrichtete Umsatzsteuer aus der Lieferung eines Onlinehändlers haftet, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist. Damit normierte der Gesetzgeber eine „verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung“. Mit § 22f UStG sind zudem sehr umfangreiche Aufzeichnungspflichten vorgesehen, die auch weiter – neben diesen neuen Regelungen zur (fiktiven) Steuerschuld des Betreibers der elektronischen Schnittstelle – gelten. Nach dem am 14. Dezember 2018 verkündeten „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften” waren bereits Marktplatzbetreiber angehalten, nur noch mit Onlinehändlern zusammenzuarbeiten, die nachweisen, dass sie in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke registriert sind.
 
2) Ausdehnung des bestehenden (besonderen) Besteuerungsverfahrens für nicht im EU-Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die bestimmte Dienstleistungen erbringen (sog. ECOM-Verfahren), auf alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Privatpersonen in der EU
 
3) Einführung eines neuen Import One Stop Shop-Verfahrens (IOSS) für Fernverkäufe von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 Euro aus Staaten außerhalb der EU an Privatpersonen in der EU
 
4) Schaffung einer (optionalen) Sonderregelung (Special Arrangement) ebenfalls für Sendungen mit einem Sachwert bis 150 Euro, bei denen der IOSS-Verfahren nicht genutzt wird: Die Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhren eines Monats kann dabei durch die Beförderer (Post- bzw. Expresskurierdienstleister) von den Sendungsempfängern erhoben und im Folgemonat gesammelt an die Zollverwaltung entrichtet werden
 
5) Abschaffung der 22 Euro-Freigrenze bei der Einfuhrumsatzsteuer
 

Überblick der Änderungen ab April 2021 / Juli 2021 – Fernverkauf und OSS-Verfahren

Ab 1. Juli 2021 treten also weitere umfangreiche Änderungen beim E-Commerce in Kraft, die auch als Vereinfachungen für Versandhandelsunternehmen gedacht sind, in der Praxis aber vielzählige Implikationen und Anpassungen, etwa dadurch auch der schuldrechtlichen Vereinbarungen und Preisgestaltung bedingt.
   
Unternehmen, die im grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Versandhandel („Fernverkauf”) tätig sind, d.h. Waren an private EU-Abnehmer (Nichtunternehmer) mit Sitz im EU-Ausland liefern und dorthin transportieren (sog. B2C-Geschäft), können von den Vorteilen des One Stop Shop-Verfahrens als spezielles Erfassungs- und Meldeverfahren profitieren. Die Kernpunkte sind dabei insbesondere:
  • Die bisher in den EU-Mitgliedstaaten vorgesehenen, unterschiedlichen Lieferschwellen für den innergemeinschaftlichen Versandhandel, d.h. Lieferungen an Privatkunden mit physischer Warenbewegung in einen anderen EU-Mitgliedstaat, werden abgeschafft. Der Schwellenwert von 10.000 Euro (netto) gilt ab 1. Juli 2021 europaweit einheitlich auch im Rahmen des grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Fernverkaufs.
  • Zudem gibt es Erleichterungen bei der Abgabe und den Angaben einer One Stop Shop-Umsatzsteuererklärung geben. Die Erklärungen müssen zudem nicht mehr bis zum 20. Tag nach Ablauf des jeweiligen Besteuerungszeitraums eingereicht werden, sondern dann bis zum 30. Tag. Die One Stop Shop-Verfahren (§§ 18j, 18k UStG-neu, auch § 18i UStG-neu für Drittländer) sind ab 1. April 2021 möglich bzw. dazu besteht die Anmeldemöglichkeit und das formale Inkrafttreten.
  • Im Bereich der „Fernverkäufe” aus Drittgebieten oder Drittländern soll mit Bezug auf deutsches Recht die derzeit vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinsendungen bis 22 Euro entfallen. Stattdessen gilt das neue System der Besteuerung von bestimmten Importen (Warensendungen) bis 150 Euro (netto), wofür das IOSS-Verfahren Anwendung finden kann. Durch die Abschaffung der Freigrenze von 22 Euro sollen derzeit bestehende Wettbewerbsnachteile von EU-Unternehmern beseitigt werden, die bislang ohne Möglichkeit einer Freigrenze bereits ab dem ersten Euro eine Umsatzbesteuerung vornehmen müssen. In allen Fällen, in denen für eine angedachte Einfuhr der One Stop Shop nicht genutzt wird, müssten Kleinstbeträge von wenigen Cent in einem aufwändigen Verfahren erhoben werden.
  • Weiter bestehen in § 21a UStG-neu komplexe Sonderregelungen bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro, in denen sog. Zusteller / gestellende Personen, z.B. Postdienstleister, Spediteure usw. involviert sind. Die eingeführten Sonderregelungen sollen die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro aus dem Drittlandsgebiet in Fällen vereinfachen, in denen das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht genutzt wird und die Gegenstände im EU-Mitgliedstaat des Verbrauchs eingeführt werden. Die Regelung gilt nicht für Sendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren enthalten. Die Anwendung von § 21a UStG-neu muss jeweils in der Zollanmeldung beantragt werden. Des Weiteren kann die Nutzung der Sonderregelungen an die Erfüllung der Voraussetzungen für die Bewilligung eines zollrechtlichen Zahlungsaufschubs knüpfen. Das kann im Rahmen der Abfertigung unkompliziert nachgewiesen werden, indem auf eine im Vorfeld erteilte Bewilligung verwiesen wird. Damit wird ein bekanntes und bewährtes Instrument des Zollrechts auch für dieses Verfahren nutzbar gemacht.

    Die Person, die die Gegenstände beim Zoll gestellt und von dieser Sonderregelung Gebrauch machen möchte (in der Regel der Beförderer, d. h. Post- bzw. Expresskurierdienstleister), meldet die jeweiligen Sendungen in direkter oder indirekter Stellvertretung (Artikel 18 Zollkodex der Union) für Rechnung der jeweiligen Empfänger zur Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Wenn die gestellende Person ihre Absicht erklärt, von dieser Sonderregelung Gebrauch zu machen und die Einfuhrumsatzsteuer von der Person, für die die Gegenstände bestimmt sind, zu erheben, kann diese Sonderregelung angewendet werden. Auf eine gesonderte Bevollmächtigung durch die Empfänger der Sendung und eines Nachweises darüber kann im Interesse schneller und unbürokratischer Abläufe verzichtet werden. Das ist laut Gesetzesbegründung vertretbar, weil die Empfänger das Handeln für ihre Rechnung durch Annahme der Sendung und Entrichtung der angefallenen Einfuhrabgaben genehmigen oder – durch Zurückweisung der Sendung – ablehnen und so für sie unerwünschte Folgen vermeiden können. Das stellt aber für die Praxis und derartige Unternehmen / gestellende Personen enormen Aufwand und Risiken dar, die vor allem die Bevollmächtigung, auch die Vollmachtskette bei Unterbeauftragungen sowie zivilrechtliche Themen und einen etwaigen Ausgleich über den Preis für ihre Dienstleistungen betreffen.

  
Der Rat der Europäischen Union verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten mit diesem Digitalpaket insgesamt zu einem erweiterten Informationsaustausch hinsichtlich des One Stop Shop-Verfahrens. Dadurch kommt es zu einer Ausweitung der Bereitstellung von Informationen und der Überweisung von Geldbeträgen zwischen dem Mitgliedstaat der Identifizierung und den Mitgliedstaaten des Verbrauchs (z.B. in praktischer Sicht auch zur Verlängerung der Frist zur Übermittlung der Informationen aus den umsatzsteuerlichen Erklärungen zwischen den Mitgliedstaaten).
   

Hinweise für die Praxis

Auf EU-Ebene zeigt sich durch diese zeitnahe Umsetzung des Digitalpakets / E-Commerce-Pakets die priorisierte Umsetzung der Strategie zum digitalen Binnenmarkt. Durch die Ausdehnung der Anwendbarkeit der zentralen Anlaufstelle (One Stop Shop) werden insbesondere Online-/Versandhändler von der Pflicht befreit, sich in jedem EU-Mitgliedstaat ihrer Kunden umsatzsteuerlich registrieren lassen zu müssen. Die geplanten Regelungen und Vereinfachungen sind daher insbesondere aus administrativer/IT-technischer Sicht für Unternehmer und die Praxis zu begrüßen. Es kommt dadurch zu einer Reduzierung des Verwaltungsaufwands und somit längerfristig auch zu Kosteneinsparungen. Zudem wird Rechtssicherheit durch einheitliche Schwellenwerte und eine einfache Rechtsanwendung bei der Rechnungsstellung geschaffen.
   
Zugleich bedeutet es aber auch weiteren Anpassungsbedarf der ERP- und Abrechnungssysteme. Eine frühzeitige Beschäftigung mit den Änderungen für den erforderlichen zeitlichen Vorlauf ist daher empfohlen. Es ist betriebswirtschaftlich zu überlegen, ob bewusst Deregistrierungen erfolgen sollen in EU-Ländern, um nur in einem Land das OSS-Verfahren anwenden zu können. Das indiziert aber gerade auch die besondere Verschärfung, die derzeit wohl mit der Systemumstellung bzw. -ausdehnung vom Mini One Stop Shop-Verfahren auf das OSS-Verfahren einhergeht. Das OSS-Verfahren soll nur „einheitlich“ anwendbar sein, d.h. es darf keine andere EU-ausländische Registrierung für umsatzsteuerliche Zwecke in einem anderen EU-Mitgliedstaat abweichend zum OSS-Registrierungsstaat bestehen. Unternehmen, die derzeit das MOSS-Verfahren etwa nur – wie möglich – für elektronische Dienstleistungen verwenden und daneben weitere – aus anderen umsatzsteuerlichen Gründen / erbrachten steuerbaren Umsätzen – Auslandsregistrierungen haben, können diese Umsätze nicht mehr auch im OSS-Verfahren melden; sie müssten diese im Rahmen ihrer Deklarationspflichten durch Auslandsregistrierungen erfassen. Weiter bedeutet das aber auch, dass in anderen EU-Mitgliedstaaten, in denen bisher keine Auslandsregistrierungen bestehen, nun aber weiter steuerbare und steuerpflichtige Umsätze (elektronische Dienstleistungen, z.B. Download von Liedern, Software etc.) über bestimmte Umsatzschwellen an private Abnehmer erbracht werden, gerade neu nun wohl Registrierungspflichten entstehen (mangels Anmelde- / Erklärungsmöglichkeit via OSS-Verfahren).
    

Weitere Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020)

  • Es wird nun auch nach Gesetzeswortlaut in § 14 UStG-neu – mit Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung des Gesetzes – darauf hingewiesen, dass die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 233a Abs. 2a AO ist. Damit bestehen verfahrensrechtliche Grenzen, etwa neben zivilrechtlichen, zur Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung, die grundsätzlich mittels Rechnungsergänzung oder Stornierung möglich ist. Die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung wurde auch endlich durch die deutsche Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 18. September 2020 (Az. III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001) mit bestimmten Voraussetzungen an die Rechnung und bestimmten formellen Rechnungsangaben bestätigt.
  • Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage („Entgeltminderung nach § 17 UStG) nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. D.h. das Entgelt etwa auf Ebene des Händlers mindert sich nicht durch Rabatt oder Preisnachlass des Hersteller direkt gegenüber dem Kunden seines Händlers, wenn der Hersteller an den Händler etwa steuerfreie Ausfuhrlieferungen oder innergemeinschaftliche Lieferungen erbringt. Das sieht nun auch der Gesetzeswortlaut – mit Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung des Gesetzes – vor, wo zuvor bereits Rechtsprechung sowie eine dieser folgende Verwaltungsauffassung existierte. Ein Vorsteuerabzug ist also beim letzten inländischen Unternehmer einer Lieferkette nicht zu korrigieren, wenn dieser einen Preisnachlass durch den ersten ausländischen Unternehmer der Lieferkette erhält und dieser preisnachlassgewährende ausländische Unternehmer eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an einen im Inland ansässigen Unternehmer erbringt. Das sollte analog auch für Ausfuhrlieferungen gelten.
  • Es bestehen zahlreiche Änderungen mit Inkrafttreten zum 1.1.2021 im Bereich der Steuerbefreiungen im Bereich Gesundheit und Pflege, v.a. für die Leistungen, die der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens dienen, für Sanitätsdienstleistungen, für Pflege- und Betreuungsleistungen.
  • Ausdehnung des Reverse Charge-Verfahrens (Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG-neu) auf Telekommunikationsdienstleistungen an sog. Wiederverkäufer mit Inkrafttreten zum 1.1.2021. Der Empfänger von Telekommunikationsdienstleistungen wird Steuerschuldner der Umsatzsteuer, wenn er ein sog. Wiederverkäufer ist, d.h. wenn er derartige Leistungen üblicherweise einkauft, um sie weiter zu veräußern, z.B. im Handel mit Voice over IP (VOIP).
  • Erweiterungen und Anpassungen bei den Strafvorschriften / Bußgeldvorschriften – mit Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung des Gesetzes: Das betrifft vor allem § 26b UStG-neu, der von der Steuerhinterziehung nach den §§ 370, 378 AO streng abzugrenzen ist. Anders als bei der Steuerhinterziehung, bei der die Umsatzsteuer nicht oder nicht in voller Höhe bzw. nicht rechtzeitig festgesetzt wird, sanktioniert der Bußgeldtatbestand des § 26b UStG die nicht oder nicht vollständige Entrichtung der Umsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt. Der zuvor in § 26a Abs. 2 und § 26b Abs. 2 UStG geregelte Bußgeldrahmen wird mit Anpassungen in § 26a Abs. 3 UStG zusammengefasst. Die vorsätzliche Nichtzahlung bzw. nicht vollständige Zahlung der festgesetzten Umsatzsteuer zum Fälligkeitstag kann mit einem Ordnungsgeld von bis zu 30.000 Euro – vormals 50.000 Euro – geahndet werden.
      
    Hinweise für die Praxis: Die Ausweitung dieser Sanktionierung birgt ein enormes Risiko für Unternehmer. Allein die vorsätzliche Nichtzahlung bzw. nicht vollständige Zahlung der festgesetzten Umsatzsteuer bis zum Ablauf des Fälligkeitstags soll geahndet werden und das grundsätzlich bereits ab dem erstmaligen Verstoß. Eine Ahndung setzt aber gemäß Gesetzesbegründung vorsätzliches Verhalten voraus. Um einen solchen Vorwurf zu entkräften zu können, sollte ein Unternehmer durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass er seiner umsatzsteuerlichen Zahlungsverpflichtung rechtzeitig nachkommt. Daneben sind ohnehin Ordnungsgelder sowie die Möglichkeit der Festsetzung eines Säumniszuschlags als auch ein Organisationsverschulden nach §§ 130, 30 OWiG mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro zu bedenken. Dafür sollte z.B. die Erteilung einer Einzugsermächtigung überlegt werden, daneben grundlegend interne Prozesse und Arbeitsanweisungen im Rahmen eines steuerlichen Kontrollsystems bzw. Tax Compliance Management Systems, um eine fristgerechte Entrichtung fälliger Umsatzsteuer sicherzustellen.
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