Umsatzsteuer: Entgeltliche Garantiezusagen als Ver­si­che­rungs­leistungen – wichtige Änderung für alle Branchen

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zuletzte aktualisiert am 18. April 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 
 

Jüngste Entwicklung durch Verlautbarungen des BZSt
 
 
Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hat auf seiner Homepage jüngst einen Fragen-und-Antworten-Katalog (FAQ) zur umsatz- und versicherungsteuerrechtlichen Behandlung von sog. entgeltlichen Garantiezusagen veröffentlicht. In Abstimmung mit dem BMF sollen diese FAQ als Interpretationshilfe für die veröffentlichten – und untenstehend näher erläuterten – BMF-Schreiben dienen und Zweifelsfragen aus der Praxis adressieren und beantworten. 


 
  
Neben Erläuterungen zur umsatzsteuerlichen Beurteilung ausgangs- und eingangsseitig von Garantieleistungen werden Unsicherheiten mit Blick auf die durch das BMF verwendete Begrifflichkeiten ausgeräumt. So wird z.B. geklärt, dass unter einem „Vollwartungsvertrag“ ein Vertrag zu verstehen ist, bei dem der Händler oder ein Dritter verspricht, die Funktionalität der Ware während der insoweit vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit umfassend zu erhalten. Ebenfalls wird das „entgeltlichen Garantieversprechen“ definiert und klargestellt, dass mit dem Begriff eines entgeltlichen Garantieversprechens ein solches gemeint ist, für das der Garantiegeber ein gesondertes Entgelt verlangt. Der Händler schließt in diesem Fall zwei gesonderte Verträge ab, den Kaufvertrag und gegen gesondertes (zusätzliches) Entgelt die – auch nur optional zu erwerbende – Garantievereinbarung. 
 
Zudem wird der Anwendungsbereich der BMF-Schreiben näher definiert: die Anwendungsregelungen zu ent­gelt­lichen Garantiezusagen gelten z.B. auch für entgeltliche Herstellergarantien bzw. Hersteller­an­schluss­ga­rantien und branchenunabhängig (über die Anwendung im Kfz-Bereich und für Kfz-Händler hinaus). Erwähnt wird auch, dass die steuerlichen Regelungen zu Garantiezusagen auch bei sog. Lieferketten Anwendung finden.
 
Obwohl auch nach dieser Interpretationshilfe des BZSt noch Fragen offen bleiben, bringt diese Klarstellung für zahlreiche Unternehmen Rechtssicherheit in der praktischen Handhabung der Neuregelung der umsatz- und versicherungsteuerrechtliche Behandlung von sog. Garantiezusagen. 

 

Hintergrund

Die umsatz- und versicherungsteuerrechtliche Behandlung von sog. Garantiezusagen hat sich zum 1. Januar 2023 mit Auslaufen der seitens der deutschen Finanzverwaltung bisher gewährten Übergangsfrist grundlegend geändert. Hintergrund ist eine geänderte Verwaltungsauffassung, die eine bestehende Rechtsprechung das BFH umsetzt (vgl. BMF-Schreiben v. 11.5.2021 – III C 3 – S 7163/19/10001 :001, BStBl. I 2021, 781).

 
Auf zahlreiche Unternehmen und ihre Kunden könnte daher ab 1. Januar 2023 ein erheblicher administrativer und finanzieller Mehraufwand aufgrund der geänderten rechtlichen Beurteilung von entgeltlichen Garantie­zusagen zukommen, in umsatzsteuerlicher, aber auch versicherungsteuerlicher Hinsicht.  
 

Inhalt und zeitliche Geltung der geänderten Rechtslage

Die Finanzverwaltung hat mit zwei BMF-Schreiben im Mai 2021 und Juni 2021 eine grundlegend geänderte rechtliche Beurteilung entgeltlicher Garantiezusagen veröffentlicht (vgl. BMF v. 11.5.2021 – III C 3 – S 7163/19/10001 :001, BStBl. I 2021, 781; BMF v. 18.6.2021 – III C 3 –S 7163/19/10001 :001, BStBl. I 2021, 871). Die Änderungen betreffen sowohl die umsatz- als auch die versicherungsteuerrechtliche Behandlung derartiger Sachverhalte und finden nach Auslaufen der Nichtbeanstandungsfrist auf alle nach dem 31. Dezember 2022 geschlossenen Garantiezusagen Anwendung.
 
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung teilten Garantiezusagen umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung, wodurch diese nicht als eigenständige Leistung, sondern als unselbstständige Neben­leistung behandelt wurden (vgl. Abschn. 3.10. Abs. 6 Nr. 3 UStAE a.F.). Auch unterlagen die Garantiezusagen bislang nicht der Versicherungsteuer, da eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses i.S.d. VersStG verneint wurde, sofern sich der Verkäufer selbst auch Sachleistungen (z.B. Reparaturleistungen im Schadensfall) vorbehielt.
 
Mit BMF-Schreiben vom 11. Mai 2021 zu sog. Garantiezusagen setzt die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des BFH vom 14. November 2018 (XI R 16/17, BStBl. II 2021, 461) um, nach der die entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers keine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern in umsatzsteuerlicher Betrachtung eine eigenständige Leistung ist.
 
Mit einer Garantiezusage, durch die der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung ver­spricht, liegt eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetz vor, die nach § 4 Nr. 10 Buchstabe a UStG umsatzsteuerfrei ist. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH wurde zudem durch den BFH festgestellt, dass die Leistung, zu deren Erbringung der Versicherer im Versicherungsfall verpflichtet ist, nicht zwingend in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen muss, sondern auch in Beistandsleistungen, entweder durch Geldzahlung oder Sachleistungen, bestehen kann.
 
Dieses Schreiben der Finanzverwaltung vom 11. Mai 2021 bezog sich hierbei zunächst (nur) auf den Kfz-Handel. In einem zweiten Schreiben vom 18. Juni 2021 hat das BMF jedoch zu Garantiezusagen klargestellt, dass die steuerlichen Grundsätze zu Garantiezusagen „branchenunabhängig Geltung beanspruchen und über die Anwendung im Kfz-Bereich und für Kfz-Händler“ hinausgehen. D.h. es sind grundsätzlich alle entgeltlichen Garantiezusagen betroffen. 
 
Es bleibt festzuhalten, dass sich o.g. Grundsätze nach dem Wortlaut des BMF-Schreibens wohl eher nicht auf Herstellergarantien (verlängerte Herstellergarantien) beziehen, so dass aufgrund des Wortlauts in den BMF-Schreiben sowie dem zugrundeliegenden Urteil, das sich auf einen Kfz-Händler bezog, nicht von einer Rechtsänderung für Herstellergarantien ausgehen ist.
 

Geänderte Rechtslage zu sog. Garantiezusagen

Laut BMF-Schreiben vom 11. Mai 2021 wird im Fall einer vertraglichen entgeltlichen Garantiezusage eines Ver­käufers/Händlers zwischen Verkäufer/Händler und Käufer ein Versicherungsverhältnis im Sinne des VersStG begründet, wenn der Verkäufer im Falle eines Schadens an der Kaufsache in der Weise für den Schaden einzustehen hat, dass der Käufer einen Anspruch auf Reparatur oder Reparaturkostenersatz gegen den Ver­käufer erhält. Das für die Garantiezusage an den Verkäufer bzw. Garantiegeber gezahlte Entgelt ist Versich­erungsentgelt im Sinne des § 3 VersStG. 
 
Eine Ausnahme soll bestehen, wenn die Garantiezusage nur in Verbindung mit dem Abschluss eines Voll­wartungsvertrags für den Kaufgegenstand erteilt wird. In diesem Fall liegt keine Versicherungs-, sondern eine grundsätzlich umsatzsteuerbare und -pflichtige Leistung eigener Art vor.
 
Zudem regelt das BMF-Schreiben weitere Fälle: Sichert sich der Verkäufer/Garantiegeber als Versicherer sei­ner­seits bei einem anderen Versicherer gegen den Eintritt von Garantiefällen ab, wird hierdurch grundsätzlich ein sog. Rückversicherungsverhältnis begründet. Steht dem Käufer im Garantiefall ein Wahlrecht zwischen 1) Reparatur durch den Verkäufer oder 2) aufgrund eines Versicherungsvertrags für fremde Rechnung ein Reparaturkostenersatz durch einen anderen Versicherer zu, bestehen zwei Versicherungsverhältnisse. Das auf Reparaturleistung gerichtete Versicherungsverhältnis besteht zwischen dem Käufer und dem Verkäufer; das auf Reparaturkostenersatz gerichtete Versicherungsverhältnis besteht zwischen dem Verkäufer und dem anderen Versicherer.
 
Umsatzsteuerlich sind sämtliche Leistungen im Rahmen der Gewährung des Versicherungsschutzes, sowie die Leistung – sowohl Geldzahlung als auch Sachleistung – des Verkäufers (Versicherer) an den Käufer im Schadensfall umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 10 Buchstabe a UStG), aber versicherungsteuerpflichtig (wozu man kein Versicherungsunternehmen sein muss). Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug des Verkäufers (Versicherers) aus Eingangsleistungen, die im Zusammenhang mit diesen steuerfreien Umsätzen stehen, ausgeschlossen.
 
Die neuen Grundsätze sollen auf alle nach dem 31. Dezember 2022 geschlossenen, entgeltlichen Garantie­zu­sagen Anwendung finden; die bisherige Beurteilung nicht steuerbarer unselbständiger Nebenleistungen auf vor dem 1. Januar 2023 abgegebene Garantiezusagen soll nicht beanstandet werden.
 

Praxishinweise

In Anbetracht der noch offenen Fragestellungen ist eine weitere Klarstellung von Seiten der Finanzverwaltung wünschenswert. Bislang klar ist jedoch eine Anwendung der geänderten Rechtslage branchenunabhängig auf sog. Händlergarantien. 
 
Ausnahmen sind sog. Vollwartungsverträge; hierbei handelt es sich um umsatzsteuerpflichtige Leistungen eigener Art (und demnach nicht um Versicherungsleistungen). Der Garantiegeber versichert in diesen Fällen sein eigenes unternehmerisches Risiko. Erste Klarheit diesbezüglich bringt die durch das BZSt jüngst veröffentlichte Interpretationshilfe i.S. eines Frage- und Antwortkatalogs (FAQ). Gleichwohl sind noch einige Fragestellungen offen.
 
Bis dahin ist in allen Branchen mit Blick auf die umsatz- und versicherungsteuerrechtlichen Konsequenzen eine genaue Sichtung und Clusterung bestehender vertraglicher Bedingungen im Zusammenhang mit Garantie­zu­sagen geboten, um eine zutreffende Einordnung der Garantiezusagen zu treffen und die umsatz- und ver­sicherungsteuerrechtliche Behandlung ab dem 1. Januar 2023 zu gewährleisten. In Zweifelsfällen bietet sich eine Abstimmung mit dem Veranlagungsfinanzamt (für die Umsatzsteuer) und dem BZSt (für die Versiche­rungsteuer) an. 
 
Diesbezüglich sind an sich die Angebote dazu an Kunden zu überlegen und AGBs zu überdenken, im worst case, ob gar Angebote dazu mit Blick auf die steuerlichen Konsequenzen wegfallen sollten. Zu beachten und zu verifizieren sind auch die bisher anfallenden, potentiell direkt zuzurechnenden Vorsteuerbeträge, für die künftig gegebenenfalls ein Abzugsverbot besteht. Die Ausgangsseite betrachtend sind im Fall dann bei vorliegender Steuerbarkeit und Umsatzsteuerbefreiung für diese Geschäftsvorfälle die Rechnungstellungen mit Hinweis auf die Steuerbefreiung anzupassen, ein entsprechender Steuerschlüssel/Steuerkonten einzurichten und die Deklaration in umsatzsteuerlicher und versicherungsteuerlicher Hinsicht zu beachten.  
 
Wir stehen Ihnen zu diesem Thema sehr gerne für einen Umsatzsteuer-Check im Sinne einer Betroffenheits­analyse der vertraglichen Regelungen in etwaig betroffenen Geschäftsvorfällen und/oder mit diesbezüglichen Überblicks-Schulungen zur Verfügung. 
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