Innergemeinschaftliche Versandhandelsgeschäfte in Frankreich noch bis 30. September 2022 sanktionsfrei regularisieren

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veröffentlicht am 1. Juli 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Unternehmen, die nicht in Frankreich ansässig sind, die vor dem Inkrafttreten der einheitlichen Anlaufstelle OSS am 1. Juli 2021 innergemeinschaftliche Versandhandelsgeschäfte nach Frankreich getätigt haben, und die es versäumt haben, die Umsatzsteuer in Frankreich abzuführen, können ihre Situation bis zum 30. September 2022 ohne Anwendung von Verzugszinsen regularisieren. Nach Ablauf dieser Frist und bei Nichtregularisierung riskieren sie hohe Strafen.

 

 

      

Was ist der Hintergrund?

Zur Erinnerung: Ein innergemeinschaftliches Versandhandelsgeschäft ist die Lieferung eines beweglichen physischen Gegenstandes, der vom Verkäufer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder in dessen Auftrag dorthin befördert wird, wenn der im Bestimmungsmitgliedstaat ansässige Erwerber des Gegenstandes eine Privatperson oder eine Person ist, für die eine Ausnahmeregelung gilt.

  

Bis zum 30. Juni 2021 basierte die Regelung für Versandhandelsgeschäfte auf dem Grundsatz, dass die Umsatzsteuer im Versandzielland der Ware erhoben wurde, wenn die jährlichen Verkäufe einen bestimmten Schwellenwert überschritten, dessen Höhe von jedem EU-Mitgliedstaat festgelegt wurde (zwischen 35.000 Euro und 100.000 Euro). In Frankreich lag dieser Schwellenwert bei 35.000 Euro.

 

Diese Regelung wurde durch das Finanzgesetz 2020 mit der Einführung der einheitlichen Anlaufstelle OSS geändert, die am 1. Juli 2021 in Kraft trat und die es einem Unternehmen erspart, sich in jedem Staat, in dem es Versandhandelsgeschäft tätigt, registrieren zu müssen, indem es diese Geschäfte direkt in seinem Wohnsitzstaat meldet. Darüber hinaus wurde der Schwellenwert für Versandhandelsgeschäfte, die eine Besteuerung im Bestimmungsland der Waren zur Folge haben, harmonisiert und liegt nunmehr bei 10.000 Euro, die auf Basis aller europäischen Staaten und nicht mehr einzelner Länder ermittelt wird.

 

Im Zuge dieser Reform stellten einige Unternehmer, die Versandhandelsgeschäft tätigten, fest, dass sie fälschlicherweise alle ihre in der Europäischen Union getätigten Verkäufe im Herkunftsland der Waren der Umsatzsteuer unterzogen hatten. Aufgrund dieser Feststellung hatte die Finanzbehörde bereits in einem Antwortschreiben vom 1. Dezember 2021 die Möglichkeit für ausländische Unternehmen vorgesehen, die zu Unrecht in Frankreich gezahlte Umsatzsteuer zurückzufordern.

 

Am 24. Mai 2022 ergänzte die Verwaltung ihre Ausführungen durch die Veröffentlichung eines Merkblatts mit Einzelheiten zur Vorgehensweise, um die Situation von Unternehmern zu regularisieren, die vor dem 1. Juli 2021 ihre Versandhandelsgeschäfte zu Unrecht in anderen EU-Mitgliedstaaten der Umsatzsteuer unterzogen haben, obwohl sie in Frankreich hätten besteuert werden müssten.

    

Welche Unternehmen sind von der Regularisierung betroffen?

Von dieser Regularisierungsmaßnahme sind jene Unternehmen betroffen, die :

  • spontane Erklärungen gegenüber der Finanzbehörde abgegeben haben. Von dieser Maßnahme ausgeschlossen sind somit Unternehmen, die Gegenstand einer bereits von der Verwaltung eingeleiteten Steuerprüfung sind; und
  • im Ursprungsmitgliedstaat der Waren die Umsatzsteuer auf die betreffenden Versandhandelsgeschäfte tatsächlich entrichtet haben. Hierfür müssen sie eine Bescheinigung vorlegen, die diese Zahlung belegt. Von dieser Regelung ausgeschlossen sind somit Unternehmen, die ihre Versandhandelsgeschäfte weder im Herkunfts- noch im Bestimmungsmitgliedstaat der Waren der Umsatzsteuer unterworfen haben.
       

Welche Modalitäten gelten für die Regularisierung?

Ein Antrag, in dem der Grund für den Regularisierungsantrag genau und ausführlich dargelegt wird, muss vor dem 30. September 2022 bei der Finanzbehörde für ausländische Unternehmen (SIEE) eingereicht werden, damit die Finanzbehörde keine Strafen zur Anwendung bringt.

Diese Unterlagen müssen folgende Elemente enthalten:

  • die berichtigenden USt-Erklärungen (CA3) in Papierform oder elektronischer Form, wobei pro Jahr die Umsatzsteuerbeträge der ausgelassenen Versandhandelsgeschäfte anzugeben sind, sowie ihre Belege für diese Geschäfte anzuführen sind; oder
  • eine Tabelle, als praktische Maßnahme, insbesondere bei einer sehr hohen Anzahl von Geschäften, in der Jahr für Jahr und pro Geschäft der Betrag der getätigten Versandhandelsgeschäfte und die entsprechende Umsatzsteuer detailliert aufgeführt sind.

Die Verwaltung wird im Anschluss, anhand dieser Elemente, eine Kohärenzkontrolle durchführen.

    

Was sind die Folgen einer solchen Regularisierung?

Aufgrund einer solchen Berichtigung werden diese Unternehmen doppelt besteuert, da sie ihre Versandhandelsgeschäfte, die sie ursprünglich im Herkunftsstaat der Waren der Umsatzsteuer unterworfen hatten, nun auch im Ziel-Staat der Umsatzsteuer unterwerfen werden.  Um diese Doppelbesteuerung aufzuheben, können die Unternehmen die Erstattung der fälschlicherweise im Herkunftsstaat der Waren einbehaltenen Umsatzsteuer beantragen.

 

Um jedoch zu vermeiden, dass ein Umsatz in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerpflichtig ist, müssen Unternehmen auch nachweisen, dass sie bei der Finanzbehörde des Herkunftsstaats der Waren keinen Antrag auf Entlastung von zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer auf die betreffenden Versandhandelsgeschäfte für einen längeren Zeitraum als den, auf den sich ihr Antrag auf Berichtigung bezieht, gestellt haben und das auch nicht beabsichtigen.

 

Somit sind zwei Hypothesen denkbar:

   

Wenn das Unternehmen eine Entlastung im Herkunftsstaat der Waren verlangt
Das Unternehmen muss für den Zeitraum, der nicht durch die Regularisierung bei der französischen
Finanzbehörde abgedeckt ist, darauf verzichten.
Wenn das Unternehmen bereits eine Entlastung im Herkunftsstaat der Waren erhalten hatDas Unternehmen ist verpflichtet, den Zeitraum der Entlastung mit dem Zeitraum der Regularisierung in Frankreich in Einklang zu bringen.

     

Anmerkung: Um eine Nichtbesteuerungssituation zu vermeiden, plant die französische Finanzbehörde, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, aus denen die Waren kommen, systematisch über die in Frankreich vorgenommenen Regularisierungen sowie über den von diesen Regularisierungen erfassten Zeitraum zu informieren, damit die Zeiträume der Entlastung und der Regularisierung zusammenfallen. Die Finanzbehörde wird auch verlangen, dass diese ausländischen Behörden informiert werden, wenn die betroffenen Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag auf Entlastung stellen.

    

Beispiele

Ein Unternehmen hat einen Regularisierungsantrag gestellt, da es in den Jahren 2019 und 2020 innergemeinschaftliche Versandhandelsgeschäfte ins Zielland Frankreich getätigt hat.

  • Wenn das Unternehmen eine Erstattung der im Herkunftsland der Waren zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer nur für diese beiden Jahre erhalten hat oder erhalten kann, dann bezieht sich die Regularisierung nur auf Umsätze, die im Rahmen der Jahre 2019 und 2020 getätigt wurden ;
  • Wenn das Unternehmen auch in den Jahren 2017 und 2018 eine Umsatzsteuererstattung erhalten hat, dann bezieht sich das Regularisierung in Frankreich auf die Umsätze aus den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020, auch wenn einige dieser Jahre grundsätzlich unter die Steuerverjährung fallen.

 

Welche Sanktionen drohen bei Nicht-Regulariserung?

Nicht in Frankreich ansässige Unternehmen, die alle notwendigen Schritte unternommen haben, um ihre Situation vor dem 30. September 2022 zu regularisieren, müssen lediglich die zusätzlichen Steuern, die ihnen von der französischen Steuerbehörde auferlegt werden, sowie die entsprechenden Verzugszinsen in Höhe von 0,2 Prozent pro Monat zahlen (Artikel 1727 des CGI).

Darin liegt der Vorteil der spontanen Regularisierung. Die Sanktionen, die den Unternehmen drohen, wenn sie ihre in Frankreich steuerpflichtigen Versandhandelsgeschäfte nicht regularisieren, können in der Tat sehr schwerwiegend sein:

  • Anwendung des Zuschlags von 10 Prozent des in Frankreich geschuldeten Umsatzsteuerbetrags bei Nichtabgabe der Erklärung bzw. von 40 Prozent bei vorsätzlicher Nichtabgabe (die Strafe von 5% für verspätete Zahlung kann vermieden werden, wenn die Zahlung gleichzeitig mit der Abgabe der verspäteten Erklärung erfolgt);
  • Anwendung von Verzugszinsen in Höhe von 0,2 Prozent pro Monat;
  • Mögliche Anwendung von Strafen für die Nichtabgabe der alten Intrastat-Meldungen, d.h. bis zu 1.500 Euro pro nicht abgegebener oder falscher Erklärung;
  • Für den Fall, dass die Steuerbehörde im Rahmen einer Steuerprüfung die Ausübung einer verdeckten Tätigkeit als gegeben ansieht:
    - Verlängerung der Rückforderungsfrist der französischen Steuerbehörde von 3 auf 10 Jahre (Art. L176 Abs.2 LPF).
    - Anwendung eines Zuschlags von 80 Prozent auf die dem Akteur auferlegte Umsatzsteuernachzahlung (Art. 1728-1 c CGI).

In der Praxis hat die französische Steuerbehörde bislang die oben genannten Strafen bei spontaner Regularisierung nicht oder nur in geringem Umfang angewendet. In Anbetracht der Veröffentlichung dieser Erläuterungen raten wir den Unternehmen, die noch von einer Regularisierung der Umsatzsteuer auf ihre Versandhandelsgeschäfte, die sich auf den Zeitraum vor dem 1. Juli 2021 beziehen, betroffen sein könnten, dringend, diese Regularisierung vor dem 30. September 2022 vorzunehmen. Es ist nämlich zu befürchten, dass die Steuerbehörde nach diesem Datum weniger nachsichtig sein wird und diese Strafen systematisch anwenden wird.

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