„Sind Sie schwanger oder ist Ihre Diät gescheitert?” – Umgang mit Sexismus am Arbeitsplatz

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Die sogenannte Sexismusdebatte hat auch Arbeitgeber aufgeschreckt. Müssen Unternehmer fürchten, in Zukunft öfter wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung an den Pranger gestellt zu werden? Rödl-Arbeitsrechtsexpertin Andrea Müller erläutert, welche Folgen geschlechtsbezogene Diskriminierung am Arbeitsplatz hat und warum arbeitsrechtliche Compliance immer wichtiger wird.

 

Was in Politik und Gesellschaft seit Jahresbeginn unter dem Schlagwort Sexismus diskutiert wird, beschäftigt verantwortungsvolle Arbeitgeber schon länger: Was ist geschlechtsbezogenes diskriminierendes Verhalten? Und welche Risiken oder gar Haftungsgefahren entstehen daraus für Unternehmen?

 

Sexuelle Belästigung ist keine Bagatelle

„Von einer akuten Gefahr, als Arbeitgeber wegen diskriminierenden Verhaltens in Anspruch genommen  zu werden, kann man noch nicht sprechen”, sagt Andrea Müller, Associate Partnerin von Rödl & Partner in Nürnberg. Zwar ist die Zahl der wegen Diskriminierung und damit  Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geführten Gerichtsverfahren in den letzten Jahren gewachsen. In der jüngeren Vergangenheit haben Gerichte jedoch vor allem Fragen der Benachteiligung wegen des Alters und nicht wegen des Geschlechts oder der sexuellen Identität entschieden.

 

Doch zurücklehnen sollten sich Arbeitgeber nicht, warnt Müller. In der Praxis spielen die Themen sexuelle Belästigung und geschlechtsbezogene Benachteiligung durchaus eine Rolle. Mitarbeiterinnen werden bei Beförderungen übergangen, verdienen weniger als der Kollege mit der gleichen Aufgabe oder – das Thema der Sexismusdebatte – fühlen sich durch ein bestimmtes Verhalten ihres Chefs oder eines Kollegen diskriminiert, und wenn es zum Kündigungsschutzprozess kommt, bringen sie die Vorwürfe auf den Tisch.

 

Die Aufklärung von geschlechtsbezogener Benachteiligung ist schwierig

Dass Prozesse eher mit einem Vergleich als mit einem schlagzeilenträchtigen Urteil enden, liegt zum einen daran, dass Betroffene häufig Hemmungen haben, über diese Situationen zu sprechen, zum anderen aber auch daran, dass sich die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten eine sexuelle Belästigung darstellt, oft nur schwer aufklären lässt. Denn wie soll die subjektiv erfahrene Belästigung objektiv festgestellt werden? Geht es um eine Bemerkung wie „Sind sie schwanger oder ist Ihre Diät gescheitert?”, lässt sich der verletzende Charakter des Verhaltens ziemlich eindeutig feststellen. Das trifft aber nur auf wenige Bemerkungen so klar zu. „Von einer Äußerung, welche die eine Mitarbeiterin noch mit einer schlagfertigen Antwort pariert, fühlt sich die andere Kollegin in ihrem Persönlichkeitsrecht zutiefst angegriffen oder erniedrigt”, erläutert Müller.

 

Zwar lässt das Gesetz zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bereits Indizien ausreichen, um eine Diskriminierung anzunehmen, die der Arbeitgeber dann widerlegen muss. „Trotzdem bleiben oft Fragen offen”, sagt Müller.

  

Compliance hilft, die Vermutung einer Diskriminierung zu entkräften

Der Betriebsfrieden ist häufig jedoch schon viel früher gestört. Umso wichtiger wird es für den Arbeitgeber, effektive Mechanismen zu installieren, um in der jeweiligen Konstellation schnell und effektiv zu reagieren. „Arbeitsrechtliche Compliance hilft Arbeitgebern, Konflikte zu vermeiden, zu lösen und die Vermutung  einer Diskriminierung zu entkräften”, sagt Müller.

 
Das AGG verpflichtet Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer vor Diskriminierung zu schützen. Dazu gehört als wichtiges Element die Beschwerdestelle. Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern die Gelegenheit geben, sich vertraulich an einen Ansprechpartner zu wenden. In größeren Betrieben erfüllen der Betriebsrat, Compliance-Officer oder der Ombudsmann diese Rolle.
 

Eine Beschwerdestelle hilft, den Betriebsfrieden wieder herzustellen

In mittelständischen Betrieben sieht Rechtsanwältin Müller noch Nachholbedarf. Dabei nützt es Unternehmern in jeder Hinsicht, eine Beschwerdestelle einzurichten. Zunächst hilft es, die Beteiligten zum Gespräch zusammenzubringen. „Vielfach reicht schon ein simples „Ich habe es nicht so gemeint, es tut mir leid” aus, um den Konflikt zu lösen und den Betriebsfrieden wieder herzustellen”, sagt Müller.

  
Und wenn sich das diskriminierende Verhalten fortsetzt, kann der Arbeitgeber aufgrund der Tätigkeit der Beschwerdestelle schneller reagieren. Das bedeutet, im Wiederholungsfall muss er den Täter ermahnen oder abmahnen, und wenn das nicht reicht, ihn versetzen oder gar kündigen.
 
Zusätzlicher Vorteil: Im Prozess kann sich der Unternehmer mit Hinweis auf die Compliance entlasten und belegen, dass ihn kein Organisationsverschulden trifft.

 

Ein weiteres Element der AGG-Compliance sind die Richtlinien zur Gleichbehandlung. „Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter aufklären, klare Richtlinien erstellen und diese regelmäßig überprüfen”, rät Müller. Ferner sollten sie ihr Führungspersonal im Umgang mit den Richtlinien schulen. „Wenn sie das beherzigen, verhindern sie zwar nicht jeden Konflikt, aber sie sind besser vorbereitet.”
 

AGG in Kürze: Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitern das AGG zugänglich machen, ihnen Ansprechpartner für Konfliktfälle zur Verfügung stellen, Richtlinien erstellen und regelmäßig überprüfen und das Führungspersonal schulen. Denn ergreift der Arbeitgeber keine oder ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Diskriminierung, könnten Mitarbeiter im Einzelfall ihre Leistung verweigern; sie müssen allerdings nachweisen, dass dies zu ihrem Schutz erforderlich ist.
  
Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot kann der oder die Betroffene Schadenersatz oder eine Entschädigung geltend machen. Wenn der Arbeitgeber sich hier entlasten kann, dass er Pflichtverletzungen nicht zu vertreten hat, können derlei Forderungen oft abgewehrt werden, so Müller.

 

zuletzt aktualisiert am 19.04.2013

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