ASEAN: Wirtschaftsregion im Aufwind

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zuletzt aktualisiert am 11. Dezember 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten

von Beate Kürstner-Heß
 

ASEAN prosperiert und zählt im internationalen Vergleich nicht nur zu den wirtschaft­lich stabil wachsenden, sondern sogar zu den dynamischsten Regionen weltweit. Die einzelnen Mitgliedstaaten unterscheiden sich enorm – sozial, kulturell und in puncto Religion; aber auch bei wirtschaftlichen, regulatorischen und steuerlichen Rahmen­bedingungen; oder dem BIP pro Kopf. So unterschiedlich die Länder sich in der indi­vi­duellen Betrachtung darstellen, so vielfältig sind auch die Chancen und Heraus­for­derungen im jeweiligen Markt. Daher lohnt sich ein genauer Blick in die Region und ihre einzelnen Mitgliedstaaten. 

 

Der Staatenbund ASEAN bestehend aus den Ländern Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, den Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam gilt als eine der dynamischsten Wirtschafts­regionen der Welt. Verglichen mit der EU und ihren 28 Mitgliedstaaten sowie etwa 500 Mio. Menschen bietet das Staatenbündnis ASEAN mit über 600 Mio. Einwohnern in nur zehn Mitgliedstaaten einen bemerkenswert starken und beständig wachsenden Absatzmarkt. Die Zusammenschlüsse – ob EU oder ASEAN – punkten auf dem internationalen Handelsparkett durch mehr Gewicht in der Interessenvertretung und -durchsetzung für die jeweiligen Regionen.

 
Wirtschaftlich und politisch wird sich ASEAN auch in den kommenden Jahren kontinuierlich weiterentwickeln. Neben Wahlen in einzelnen Ländern, deren Ausgang mitunter richtungsweisend sein dürfte, versprechen seriöse Wirtschaftsprognosen für die nächsten Jahre eine Fortsetzung der aktuellen Entwicklung und damit ein stabiles und bisweilen weiter steigendes Wirtschaftswachstum.

 

BIP der ASEAN Länder in Milliarden US-Dollar

Reales BIP Wachstum im Vergleich zum Vorjahr

BIP pro Kopf in US-Dollar

Quelle: https://www.statista.com/

 

So vielversprechend die Zahlen sind, deutsche und europäische Unternehmen sind gut beraten, größte Sorgfalt in die Vorbereitung ihres Markteintritts oder der Ausweitung ihrer bestehenden Aktivitäten zu investieren. Die Vielfalt der einzelnen Länder spiegelt sich u.a. in einem durchaus verwirrenden Geflecht wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Neben großen Potenzialen, wie in Myanmar oder Vietnam, erwarten ausländische Unternehmen durchaus zahlreiche Herausforderungen. Auch das sonnigste Investitionsklima wartet gelegentlich mit Schattenseiten auf.

 
Die rechtlichen und steuerlichen Voraussetzungen variieren mitunter stark und können sich entscheidend auf den geplanten Markteintritt oder auf die lokale Expansion auswirken. Die genaue Betrachtung der gegenwärtigen Gesetzgebung und ihrer Auswirkungen ist daher oberste Pflicht.

 

Wichtige Signale zum Freihandel

Der Abbau von Handelsbarrieren steht in den kommenden Jahren nicht nur seitens der EU auf der Agenda. Ende November 2019 trat das Freihandelsabkommen zwischen Singapur und der EU in Kraft. Es ist in der Form das erste bilaterale Abkommen, das zwischen einem einzelnen Mitgliedsstaat der ASEAN und der EU wirksam wird. Verhandlungen seitens der EU mit weiteren Staaten laufen noch, bspw. mit Vietnam. Die ruhenden Verhandlungen mit Thailand sollen 2020 wieder aufgenommen werden, nachdem sich die politische Lage seit Abbruch der Verhandlungen erfreulich stabilisiert hat. Das langfristige Ziel beider Regionen wird es sein, den Freihandel und weiteren Abbau von Handelshemmnissen für die Wirtschaftsräume zu ermöglichen.

 
Mit der Gründung der AEC (kurz für: „ASEAN Economic Community”) wurde ein Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb ASEAN gelegt. Unter dem Dach der Wirtschaftsgemeinschaft AEC wurden u.a. die Vereinbarungen zur AFTA (kurz für: „ASEAN Free Trade Area”) geschlossen sowie das AFAS (kurz für: „ASEAN Framework Agreement on Services”) in Kraft gesetzt, das den Dienstleistungssektor in der Region weiter öffnen soll. Auch ausländische Investoren und Unternehmen profitieren bspw. durch das AFTA und den damit verbundenen Abbau von Zollbarrieren.

 
Darüber hinaus ist ein weiteres Freihandelsabkommen in Verhandlung, das bei erfolgreichem Abschluss zu einem der größten weltweit werden könnte. Die Verhandlungen zum „Regional Comprehensive Economic Partnership” (RCEP) wurden 2019 intensiviert, auch auf Drängen der Chinesischen Volksrepublik,. Neben allen Mitgliedstaaten der ASEAN-Region sind auch Australien, China, Indien, Japan, Neuseeland und Südkorea an den Verhandlungen beteiligt. Zwar haben die einzelnen Staaten bereits eigene Abkommen mit ASEAN getroffen, jedoch würde unter dem RCEP der Asien-Pazifik-Raum einen zusätzlichen wirtschaftlichen Schub durch die Abschaffung oder Senkung von Zöllen und Handelsbarrieren sowie durch die Standardisierung von Prozessen erfahren. Bei der Abschlussvereinbarung der letzten Verhandlungsrunde im November hat sich Indien, das große Bedenken zum RCEP und dessen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft geäußert hat, vorerst aus den Verhandlungen zurückgezogen. Die beteiligten Länder werden in den kommenden Monaten versuchen, die Bedenken zusammen mit Indien weiter zu diskutieren, um zu einem für alle Seiten tragfähigen Konsens zu kommen. Sollten sich die weiteren Verhandlungen und die Beseitigung der Differenzen mit Indien 2020 positiv entwickeln, würde das Abkommen mit den geplanten 16 Ländern rund 3,5 Mrd. Menschen und ein gemeinsames Bruttoinlandsprodukt von ca. 50 Bio. US-Dollar umfassen.

 

Ein entscheidendes Signal für den Freihandel, das zugleich die Lücke schließt, die durch das Scheitern der bereits ausgehandelten, aber durch den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump aufgekündigten, „Transpazifischen Partnerschaft” (TPP) entstanden ist. 
 

ASEAN ist innerhalb Asiens der zweitgrößte Handelspartner der deutschen Wirtschaft. So stiegen die Exporte 2018 für die ASEAN-Region insg. auf 28 Mrd. Euro – das ist ein Anstieg um ca. 11 Prozent im Vergleich zu 2017. Die Prognosen für 2019 sehen zwar eine leichte Abschwächung vor, die jedoch auf die derzeitigen Differenzen zwischen China und den USA zurückzuführen sind, die sich insg. hemmend auf die deutschen Ausfuhren nach Asien auswirken.

 

Dennoch oder gerade aufgrund der angesprochenen aktuellen Handelsstreitigkeiten zwischen den zwei größten Wirtschaftsnationen rückt ASEAN weiter in den Fokus deutscher und anderer ausländischer Investoren. So verzeichnet China vermehrt die Abwanderung von Produktionsunternehmen. Die Verlagerung dieser Produktionsstätten, bspw. in die Nachbarländer Vietnam oder Thailand, sind nur eine mögliche Option. Niedrige Löhne und Kosten sind weitere Pluspunkte, von denen die ASEAN-Region derzeit gegenüber der Volksrepublik profitiert.

 

ASEAN sowie die deutsche Wirtschaft können zudem von der wachsenden Mittelschicht profitieren, die besonders Produkte aus Deutschland wertschätzen – wie im gesamten asiatischen Raum – und als qualitativ hochwertig bewerten. Das Label „Made in Germany” ist in Asien ein Wettbewerbsvorteil, den deutsche Unternehmen in der Kommunikation nicht vernachlässigen sollten. Grundsätzlich ist jedoch vor Markteintritt das jeweilige Zielland genau zu prüfen. Es sollte ermittelt werden, in welchen Branchen und Sektoren ein Investment lohnend sein kann.

 

In der Gesamtbetrachtung lassen sich viele Potenziale in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz, dem Anlagen- und Maschinenbau, der Automobil- und Automotive-Branche, in den Bereichen Nahrungs- und Genussmittel, der Textil- und Elektroindustrie sowie bei Erneuerbaren Energien und dem Infrastrukturausbau identifizieren.

 

Mehr zu den Chancen und Herausforderungen in den einzelnen Ländern können Sie in unserem Themenspecial ASEAN nachlesen.
 

Fazit

ASEAN zählt zu den wirtschaftlich dynamischsten Regionen weltweit. Wenngleich das Wachstum der einzelnen Länder in den letzten Jahren recht stabil bei durchschnittlich 5 Prozent über die zehn Mitgliedstaaten gerechnet liegt, zeigen sich neben vielen Chancen in der Region auch nicht zu vernachlässigende Herausforderungen. Ziel für die nächsten Jahre wird es sein, dass die Mitgliedstaaten den Weg zur Vereinheitlichen und Angleichung von Standards weiter vorantreiben und so die Interessen des Staatenbundes geeinigt international durchsetzen können. 

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