Neue Umsatzbesteuerung bei Festvergütung des Auf­sichts­rats: Geänderte Auffassung der Finanz­ver­waltung und weitere Modifizierungen nach EuGH- und BFH-Rechtsprechung

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​zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023 | Lesedauer ca. 11 Minuten

  

Der EuGH hat mit Urteil vom 13. Juni 2019 in der Rechts­sache C-420/18 erstmals zu einem niederländischen Fall die Selbständigkeit eines Mitglieds des Aufsichtsrats einer Stiftung verneint. Das Aufsichtsratsmitglied werde weder im eigenen Namen noch auf eigene Rechnung oder Verantwortung tätig und trage auch nicht ein wirt­schaft­liches Risiko mit seiner Tätig­keit. Folglich gelte das Aufsichtsratsmitglied nicht als umsatz­steuerlicher Unternehmer, so dass seine Vergütungen bzw. Entschädi­gungen gerade nicht der Umsatz­steuer unterliegen. Zuletzt veröffentlichte die Finanz­verwaltung weitere Klarstellungen bzw. auch Modifizierungen zum Leistungszeitpunkt und zur sog. 10-Prozent-Grenze bei variabler Vergütung, also zu einigen Anwender­fragen. Nun liegt ein weiteres EuGH-Urteil vor, was auch für Aufsichtsräte bei variabler Vergütung zu beachten ist – die Unternehmerstellung eines Verwaltungs­rats­mit­glieds hängt nicht allein von der Zahlung einer variablen Vergütung ab. 

 

     

 

Umsatzsteuerliche Behandlung der Vergütungen von Aufsichtsratsmitgliedern

Nach bisheriger Auffassung der deutschen Finanzverwaltung galt ein Aufsichtsrats- bzw. Beiratsmitglied grundsätzlich als umsatzsteuerlicher Unternehmer (vgl. bisher Abschn. 2.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE). Als einzelnes Mitglied des Aufsichtsrats erbrachte er oder sie folglich mit seiner Tätigkeit steuerbare und umsatz­steuer­pflichtige Leistungen (bei Leistungsort im Inland). Die dafür erhaltenen Vergütungen bzw. Entschädigungen unterlagen bisher der Umsatzsteuer – soweit der Unternehmer nicht unter die sog. Kleinunternehmerregelung fällt, d.h. wenn die Gesamtumsätze im vorangegangenem Kalenderjahr nicht mehr als (aktuell) 22.000 Euro (19.500 Euro bis einschließlich Veranlagungsjahr 2019) betragen haben und voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro nicht überschreiten.

 

Mit Blick auf die Urteile des EuGH und BFH sowie seither einiger Finanzgerichte war die Annahme der deutschen Finanzverwaltung, Aufsichtsräte stets als Unternehmer i.S.d. §2 UStG zu qualifizieren, ohne dabei nach der weiteren Ausgestaltung etwa der Vergütung oder den Begleitumständen dieser Tätigkeit zu unterscheiden, nicht mehr haltbar.

Geänderte Auffassung der Finanzverwaltung: Aufsichtsräte sind grundsätzlich keine Unternehmer mehr

Zunächst hat das BMF mit Referenzierung v.a. auf ein vorheriges BFH-Urteil aus dem November 2019 ein Schreiben vom 8. Juli 2021 (Az. III C 2 – S 7104/19/10001:003) veröffentlicht, das die daraufhin geänderte Auffassung enthält: Die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds, das eine Festvergütung oder bis zu 10 Prozent variable Vergütung erhält, kein Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuerrechts (§2 UStG) mehr ist und damit grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Das BMF hat sich hiermit an die Rechtsprechung angeschlossen und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass in Abschnitt 2.2 dementsprechend geändert.
 
Mit der Änderung des Anwendungserlasses sind Aufsichtsräte bei mangelndem Vergütungsrisiko nicht mehr selbstständig tätig, wenn sie eine Fixvergütung erhalten oder der variable Anteil ihrer Vergütung bis zu 10 Prozent der Gesamtvergütung beträgt. Festvergütungen sind dabei pauschale Aufwandentschädigungen, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Variable Vergütung sind bspw. Sitzungsgelder, die in Abhängigkeit von der Teilnahme an den Sitzungen gezahlt werden und nach tatsächlichem Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen.
 
Unterschieden wird nunmehr auch seitens der Finanzverwaltung anhand einer Festvergütung oder variablen Vergütung. Eine Vergütung kann sowohl in Geldzahlungen als auch in Sachzuwendungen bestehen. Eine Festvergütung soll insbesondere im Fall einer pauschalen Aufwandsentschädigung vorliegen, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Sitzungsgelder, die das Mitglied des Aufsichtsrats nur erhält, wenn es tatsächlich an der Sitzung teilnimmt, sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwands­ent­schädigungen sind dagegen keine solche Festvergütung. Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen (also aus einer gemischten Vergütung), ist es grundsätzlich selbständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 Prozent der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen. Reisekostenerstattungen sind keine Vergütungsbestandteile und demzufolge bei der Ermittlung der 10 Prozent-Grenze nicht zu berücksichtigen. Zur Fixvergütung sind wohl dabei auch die zusätzlichen Vergütungen zu rechnen, die für das Tätigwerden als Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats oder als Ausschussvorsitzender entrichtet werden.
 
Gemäß der jüngeren Rechtsprechung soll Nichtselbständigkeit und damit keine Unternehmereigenschaft anzunehmen sein bei jährlich gleich hoher Festvergütung und variablen Vergütungsbestandteilen von bis zu 10 Prozent und für Fälle, in denen eine Fahrlässigkeit des Handels eines Aufsichtsratsmitglieds keinen unmittelbaren Einfluss auf seine Vergütung hat.
 
Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht selbständig tätig. Im Ergebnis qualifiziert sich das Aufsichtsratsmitglied mit Festvergütung folglich nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer i.S.d. §2 UStG und unterliegt damit nicht der Umsatzbesteuerung. Diese Grundsätze gelten ebenfalls für Mitglieder anderer Kontrollgremien, nicht aber für Mitglieder von Leitungsgremien.

 

Klärung wichtiger Anwendungsfragen durch das BMF: Leistungszeitpunkt und Berechnung der 10-Prozent-Grenze

In der Praxis haben sich im Zusammenhang mit dem BMF-Schreiben vom 8. Juli 2021 zwischenzeitlich vor allem Fragen in Bezug auf den Leistungszeitpunkt und die Berechnung der sog. 10-Prozent-Grenze ergeben. Mit Schreiben vom 29. März 2022 (Az. III C 2 - S 7104/19/10001 :005) sind für diese Anwenderfragen Antworten gegeben, die auch im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) in Abschnitt 2.2 aufgenommen sind und nunmehr grundsätzlich für alle offenen Fälle gelten; Nichtbeanstandungsregelungen sind dabei erneut für diese Punkte vorgesehen. Zum Beispiel wird zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die bis zur Aufhebung durch das BMF-Schreiben geltenden bisherigen Regelungen auf Leistungen angewendet werden, die in einem Geschäftsjahr der Gesellschaft ausgeführt worden sind, das vor dem 1. Januar 2022 begonnen hat.

 
Mit Änderung des UStAE ist der maßgebliche Leistungszeitpunkt nun mit Ablauf eines Geschäftsjahres der Gesellschaft vorgesehen. Das zuvor verwendete Wort „Kalenderjahr“ wurde durch die Worte „Geschäftsjahr der Gesellschaft“ im UStAE ersetzt und so der Leistungszeitpunkt im Sinne der Vollendung der sonstigen Leistung verschoben. Die frühere Rechtsauffassung aus dem BMF-Schreiben vom 15. September 1980 (Az. IV A 2-S 7270-6/80) wird nicht weiter aufrechterhalten. Für Geschäftsjahre der Gesellschaft, die vor dem 1. Januar 2022 enden, wird es nicht beanstandet, wenn als Leistungszeitpunkt für die allgemeine Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats die Teilnahme an der Hauptversammlung mit dem Ziel der Entlastung zu Grunde gelegt wird. Nun ist maßgeblicher Leistungszeitpunkt für die allgemeine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds der Ablauf des Geschäftsjahres der Gesellschaft. Erhält ein Aufsichtsratsmitglied für die tatsächliche Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung Auslagenersatz und Sitzungsgeld, ist Leistungszeitpunkt der Tag der Aufsichtsratssitzung.
 

Hinsichtlich der Berechnung der 10-Prozent-Grenze wurde der Anwendungserlass dahingehend angepasst, dass Vergütungsbestandteile nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie für Leistungen gezahlt werden, die in dem betreffenden Geschäftsjahr ausgeführt werden. Es wird auch hier nicht mehr auf das Kalenderjahr abgestellt, sondern auf das Geschäftsjahr der Gesellschaft; die maßgeblichen zu berücksichtigenden Zeit­punkte also auch hier verschoben.

 
Zudem kommt es bei der Berechnung der 10-Prozent-Grenze künftig auf eine Prognose an: Zu beachten ist hierbei der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung dieser Grenze, da dieser nun – als neuer Ausgangspunkt – am Beginn des Geschäftsjahres anzunehmen ist. In die Prognose einzubeziehen sind dabei Sitzungsgelder, die für alle geplanten Sitzungen eines Geschäftsjahres gezahlt werden „sollen“. Nachträgliche Änderungen bleiben unbeachtlich, d.h. nimmt ein Aufsichtsratsmitglied tatsächlich an einzelnen Sitzungen nicht teil, bleibt es bei der Prognose zu Beginn des Geschäftsjahres. Ob diese 10-Prozent-Grenze noch mit Blick auf die aktuelle EuGH-Rechtsprechung vom 21. Dezember 2023 haltbar ist bzw. nicht anders differenziert werden muss, bleibt zu bedenken. 
 

Kurze Historie der Rechtsprechung

Urteil des EuGH in der Rechtssache C-420/18 nach niederländischer Vorlage

Bereits nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „IO” (Urteil vom 13. Juni 2019) wurde heiß dis­kutiert, ob sich die bisherige Auffassung der deutschen Finanzverwaltung und unsere seit Langem in Deutsch­land allseits gefestigte Meinung der umsatzsteuerlichen Behandlung ändern müsste. Der niederländische Streitfall erging zur Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds einer Stiftung, für die das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhielt, welche weder von der Teilnahme an Sitzungen noch den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhing.
 
Der EuGH hat in diesem Fall die Selbständigkeit des Aufsichtsratsmitglieds verneint. Es fehle an einer Tätigkeit auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung sowie an einem mit der Tätigkeit wirtschaftlichen Risiko. Das Aufsichtsratsmitglied ist nach Ansicht des EuGH dem Aufsichtsrat untergeordnet und gilt daher nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer, sodass seine Aufsichtsratsvergütungen auch nicht der Umsatz­steuer unterliegen können.
 

Urteil des BFH vom 27. November 2019 (Az. V R 23/19)

Unter Bezugnahme auf das o.g. Urteil des EuGH erkannte zwischenzeitlich auch der BFH erstmals 2019 die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds als nicht umsatzsteuerbar an. Er schließt sich der Auffassung des EuGH für den Fall an, in dem ein Mitglied des Aufsichtsrats kein wirtschaftliches Risiko trägt.
 
Laut BFH liegt nämlich dann keine selbständige Tätigkeit und somit keine Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhält, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig ist und das Aufsichtsrats­mitglied somit auch kein Vergütungsrisiko trägt. Insbesondere habe auch im entschiedenen Fall ein etwaiges fahrlässiges Handeln von ihm keinen Einfluss auf seine Vergütung gehabt. Der BFH kommt daher zu dem Ergebnis, dass das Aufsichtsratsmitglied nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer i.S.d. §2 UStG qualifiziert und daher bei Leistungserbringung an eine in Deutschland ansässige AG keine deutsche Umsatzsteuer entsteht. 
  

Urteil des FG Köln vom 26. November 2020 (Az. 8 K 2333/18, rkr.)

Auch ein finanzgerichtliches Urteil des FG Köln befasste sich zwischenzeitlich rechtskräftig mit der Frage der Steuerbarkeit einer entgeltlichen Tätigkeit als Aufsichtsrat, hier eines Aufsichtsratsmitglieds eines einge­tragenen Vereins, also ob die vom Aufsichtsratsmitglied eines e.V. erhaltenen Sachbezüge der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Die Aufsichtsratsmitglieder waren im vorliegenden Fall „ehrenamtlich“ tätig. Das Finanzamt beurteilte diese Tätigkeit als steuerbare Aufsichtsratstätigkeit, für die im vorliegenden Fall Umsatzsteuer geschuldet sei. 
  
Nach der Begründung FG ist die Aufsichtsratstätigkeit jedoch nicht als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren und damit ist das Aufsichtsratsmitglied auch kein Unternehmer. Ein Aufsichtsratsmitglied sei nur dann unter­nehmerisch tätig, wenn es seine Tätigkeit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausübe und das hiermit verbundene wirtschaftliche Risiko trage. Das ist nicht der Fall, wenn lediglich Zahlungen aufgrund eines garantierten Auslagenersatzanspruchs erfolgen und eine ein wirtschaftliches Risiko begründende persönliche Haftung für Pflichtverletzungen für Aufsichtsratsmitglieder in der Vereinssatzung nicht vorgesehen ist. Ein fehlendes Unterordnungsverhältnis bzw. die fehlende Weisungsgebundenheit des Aufsichtsratsmitglieds reichen dabei für die sowohl in § 2 Abs. 1 S. 1 UStG als auch in Art. 9 Abs. 1 S. 1 MwStSystRL zur Unter­nehmereigenschaft vorausgesetzte „selbständige Ausübung“ der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nicht aus.
  
Die Revision beim BFH (Az. V R 6/20) zu einem weiteren FG-Urteil (vgl. hier FG Niedersachsen vom 19. November 2019, 5 K 282/18) wurde zwischenzeitlich zurückgenommen. In diesem FG-Urteil wurden die Maßstäbe des BFH auch auf Mitglieder von Leitungsgremien, nicht nur auf Kontrollgremien (wie vom BMF vorgesehen), ausgelegt. Da dies höchstrichterlich also nicht auch für Leitungsgremien entschieden ist, ist derzeit die geänderte Auffassung „nur“ zu Kontrollgremien zu berücksichtigen.

 

AKTUELLES URTEIL DES EUGH IN DER RECHTSSACHE C-288/22 NACH LUXEMBURGISCHER VORLAGE

Nach aktuellem Urteil des EuGH vom 21.12.2023 (Rechtssache C-288/22, TP) sollen bei der Prüfung zur Unternehmereigenschaft vor allem die nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sein, welche die Verantwortlichkeiten und die Haftung der Beteiligten regeln. 
 
Im Ausgangsverfahren war TP als Anwalt Mitglied des Verwaltungsrats mehrerer Aktiengesellschaften nach luxemburgischem Recht und nimmt in diesem Rahmen mehrere Aufgaben wahr. Aufgrund dieser Tätigkeiten erhielt TP in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrats der betreffenden Gesellschaften durch Beschluss der Hauptversammlungen der Aktionäre der Gesellschaften Tantiemen aus dem von den Gesellschaften erzielten Gewinn. Seine Vergütung bestand entweder aus einer Festvergütung oder einer Tantieme, die vom Erfolg der Aktiengesellschaften abhing. TP selbst stufte seine Verwaltungsratstätigkeit als nichtselbständig ein, während die Finanzbehörde die Selbständigkeit und damit eine Umsatzsteuerpflicht bejahte.
 
TP beriet die Gesellschaft und nahm an Abstimmungen teil, haftet jedoch grundsätzlich nicht persönlich für Verpflichtungen der Gesellschaft. Daher trägt die Gesellschaft und nicht TP mögliche negative Folgen der Entscheidungen des Verwaltungsrats und somit das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit des TP. TP übernimmt auch mit der Tantieme, die von den erwirtschafteten Gewinnen abhängt, kein eigenes Gewinn- und Verlust­risiko. Denn TP partizipiert wie ein Aktionär nur am Erfolg der Gesellschaft und deren wirtschaftlichem Risiko, da die Tantieme im schlimmsten Fall Null betragen kann und keinen Verlust der Gesellschaft umfasst. In diesem Fall, also auch nicht abhängig von der Form der Vergütung, wird kein Unternehmerstatus im umsatzsteuerlichen Sinn begründet. 
  
Schon nach den Ausführungen in den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott aus Juli 2023 sollte für eine Unternehmereigenschaft entscheidend sein, ob die betreffende Person im Rahmen der gebotenen Gesamt­betrachtung ein wirtschaftliches Risiko selbst trägt und eine eigene wirtschaftliche Initiative ergreift. Dies hätte aber anhand des Sachverhalts das vorlegende Gericht, nicht der EuGH, festzustellen und zu beur­tei­len.Dabei folgt aus dem Grundsatz der Rechtsformneutralität, dass eine natürliche Person, die Mitglied eines gesetzlich zwingend vorgesehenen Organs einer Gesellschaft ist und für diese Tätigkeit als Mitglied des Organs eine Vergütung erhält, insoweit nicht als selbständig wirtschaftlich tätig angesehen werden kann.
 

Hinweise für die Praxis

Seit nun schon einiger Zeit wird für die Qualifizierung der Aufsichtsratstätigkeit als selbständige Tätigkeit i.S.d. §2 UStG insbesondere darauf abgestellt, ob das Mitglied des Aufsichtsrats für eigene Rechnung und auf eigene Ver­antwortung handelt und dabei ein wirtschaftliches Risiko trägt, wie also die jeweilige Vergütung vereinbart und gelebt ist. Das Mitglied eines Aufsichtsrats trägt laut Finanzverwaltung nicht schon deshalb ein Ver­gü­tungs­risiko, weil seine Vergütung nachträglich für mehrere Jahre ausgezahlt wird. Trägt das Mitglied des Aufsichts­rats kein Vergütungsrisiko, ist es nicht deshalb selbständig tätig, weil es unter den Voraussetzungen des §116 AktG für pflichtwidriges Verhalten haftet. Die Differenzierungen der Sachverhalte sind vorzunehmen und Vergütungen, z.B. variabel, Festvergütung, sollten dringend daraufhin durchgesehen, ggf. (klarstellend) an­ge­passt bzw. geregelt werden, um eine eindeutige umsatzsteuerliche Beurteilung auch leisten zu können. Die Differenzierungen sind für jedes Mandat eines Aufsichtsrats separat zu prüfen. Eine gestaltende Idee der variablen Vergütung dahingehend, dass die 10-Prozent-Grenze nicht erreicht wird und das Aufsichtsrats­mitglied folglich kein Unternehmer ist, kann ggf. vorteilhaft sein: Beim Aufsichtsratsmitglied entfällt der Erklärungsaufwand, wobei zugleich das Recht zum Vorsteuerabzug für die Aufsichtsratstätigkeit damit zusammenhängender Eingangsleistungen entfällt. Bei Gesellschaften, etwa bei eingetragenen Vereinen, die nicht oder nur partiell zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, sollten sich infolge nicht berechneter Umsatzsteuer finanzielle Vorteile ergeben.

 
Die teils (erneut) geänderte und weiter beschriebene Auffassung des BMF zur Klärung wichtiger Anwen­dungs­fragen nun (mit Schreiben vom 29. März 2022) ist wiederum in allen offenen Fällen anzuwenden, mit einigen vorgesehenen Nichtbeanstandungsregelungen. Gem. BMF-Schreiben von zuvor (vom 8. Juli 2021) war die geänderte Auffassung der Finanzverwaltung in allen offenen Fällen anzuwenden mit einer Nichtbe­an­stan­dungs­regelung bis einschließlich 31. Dezember 2021; diese ist bereits ausgelaufen, wonach noch galt: Auf­sichtsratsmitglieder und Gesellschaften mussten spätestens für Leistungen seit dem 1. Januar 2022 die Wertgrenze von 10 Prozent variabler Vergütung beachten. D.h. für Umsätze jedenfalls seit 1. Januar 2022 sind von Aufsichtsräten keine Rechnungen mehr mit gesondertem Ausweis etwa deutscher Umsatzsteuer (bei entsprechendem Leistungsort im Inland und den bisher betreffenden Fallkonstellationen mit Festvergütungen etwa) zu erteilen, da keine deutsche Umsatzsteuer mehr gesetzlich geschuldet ist. Das Unternehmen hätte aus einer solchen Rechnung keinen Vorsteuerabzug mehr. Für bereits offene Veranlagungsjahre/-zeiträume und erfolgte Rechnungsstellungen über erbrachte Leistungen bis einschließlich 2021 ist eine Berichtigung (der Rechnungen, der Erklärungen, auch eines vorgenommenen Vorsteuerabzugs) durch die verwaltungsseitig glücklicherweise vorgesehene Nichtbeanstandungsregelung bis Ende 2021 nicht erforderlich gewesen.
 
Zu bedenken sind durch das BMF-Schreiben vom 29. März 2022 die Referenzierungen auf das Geschäftsjahr und dessen Maßgeblichkeit zum Leistungszeitpunkt, was sonst grundsätzlich in der Umsatzbesteuerung unbekannt ist, da sich die Umsatzsteuer als Jahressteuer für die Erfassung von Umsätzen periodengenau in Jahresabgrenzung auf das Kalenderjahr bezieht.

 

Die Klarstellung zum Zeitpunkt der etwaigen Leistungsausführung ist zu begrüßen, da sich das BMF bisher nicht äußerte; hier wurde in der jüngsten Vergangenheit (v.a. in der Corona Pandemie-bedingten Homeoffice-Zeit bzw. Zeit der Online Versammlungen) diskutiert, wann und wo die Leistung erbracht wurde, um vom jeweiligen Aufsichtsratsmitglied auch den Leistungsort dessen zu bestimmen. Bisher sollte man annehmen: Sieht man die Leistung als in demjenigen Voranmeldungszeitraum erbracht an, in dem die Hauptversammlung stattfindet, wäre zu diesem Zeitpunkt die Höhe der variablen Vergütung und damit das Erreichen der 10-Prozent-Grenze als feststehend anzunehmen gewesen. Der Zeitpunkt der Leistung des Aufsichtsratsmitglieds ist jetzt klar und vereinfachend zum Ende des Geschäftsjahres festgelegt.
 
Für die Prognose der variablen Vergütungsbestandteile bei der Berechnung der 10-Prozent-Grenze sind bisher die tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr relevant, womit keine Korrekturen mehr erforderlich sind. Denn die Prognose erfolgt zu Beginn des Geschäftsjahres. Die Klärung der Anwendungsfragen durch die Finanz­ver­waltung bietet in Bezug auf die 10-Prozent-Grenze derzeit nicht nur mehr Rechtssicherheit, sondern das Abstellen auf eine Prognose zu Beginn des Geschäftsjahres (ohne nachträgliche Anpassung bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse), vermeidet Korrekturbedarf (sowohl auf Ebene des Aufsichtsratsmitglieds als auch auf Ebene der leistungsempfangenden Gesellschaft bezüglich des Vorsteuerabzugs und jeweils jährliche Schwankungen bei der Erreichung der 10-Prozent-Grenze.

 

Zu beachten ist jedoch die aktuelle Rechtsprechung des EuGH vom 21. Dezember 2023, wonach unabhängig von einer festen oder variablen Vergütung anhand eines unternehmerischen Risikos (einer Verantwortung und Haftung) für ein Organ eine Unternehmereigenschaft zu beurteilen ist. Der Ausgangsfall betrifft einen sog. Verwaltungsrat luxemburgischer Aktiengesellschaften, sollte aber wohl klar auch auf Aufsichtsräte nach deutschem Recht übertragbar sein und zu den Abgrenzungsfragen nun gelten müssen, weshalb man wohl auch Anpassungen der Ausführungen der deutschen Finanzverwaltung erwarten darf. 

 

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Unternehmereigenschaft und letztlich eine Umsatzsteuerpflicht bisher und auch weiterhin schon nicht für Beamte und andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft greift (sowie für Minister/Staatssekretäre), wenn diese die Tätigkeit auf Verlangen oder Veranlassung ihres Dienst­herrn übernehmen und verpflichtet sind, die Vergütung ganz oder teilweise an den Dienstherrn abzuführen. In diesen Fällen wird die Aufsichtsratstätigkeit grds. nach Auffassung der Finanzverwaltung (z.B. bereits OFD Frankfurt a.M. vom 4. Oktober 2013) als Teil der unselbstständigen Tätigkeit angesehen; daher mangelt es bereits insoweit an der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft. Dies wird auch in den nun vorliegenden BMF-Schreiben erwähnt und weiter ergänzt etwa um Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung.

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