Rückwirkende Änderung der Umsatzbesteuerung von Bauleistungen an Bauträger vorerst ausgeschlossen? Zinsansprüche für Bauträger bejaht?

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zuletzt aktualisiert am 14. Februar 2019 | Lesedauer: ca. 5 Minuten
  
Unternehmer, die Bauleistungen an Bauträger erbracht haben, dürfen nach diesem Beschluss vor­erst nicht rückwirkend zur Zahlung der auf ihre Leistungen angefallenen Umsatz­steuer heran­gezogen werden. Das hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 3. Juni 2015 (Az.: 5 V 5026/15) entschieden (Pressemitteilung des FG Berlin-Brandenburg).
 

 
Der Antragsteller in dem Verfahren hatte im Jahre 2009 Bauleistungen an mehrere Bauträger ausgeführt und sie entsprechend den damals maßgeblichen Richtlinien des Bundesministeriums der Finanzen nicht der Umsatz­steuer unterworfen. Die Steuerschuld hatten vielmehr die Bauträger als Leistungsempfänger zu tragen (sog. Reverse-Charge-Verfahren). Nachdem der Bundesfinanzhof im August 2013 entschied, dass der für die Umkehr der Steuerschuld maßgebliche § 13b Abs. 2 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) entgegen der Auf­fassung der Finanzverwaltung auf Bauträger regelmäßig nicht anzuwenden sei, und die Bauträger hierauf die von ihnen gezahlte Umsatzsteuer zurückgefordert hatten, setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer gegen­über dem Antragsteller fest. Es stützte sich dabei auf die vom Gesetzgeber im Juli 2014 – in Reaktion auf die BFH-Entscheidung – neu geschaffene Regelung des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG, die den Vertrauensschutz für die hier in Rede stehenden Fälle rückwirkend ausschließt.
 
Das Gericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass
  • erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dieser Regelung bestehen, da nach § 176 Abs. 2 AO bei der Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen Vertrauensschutz greift, wenn ein oberster Gerichtshof des Bundes entscheidet, dass eine allgemeine Ver­waltungs­vorschrift der Bundes­regierung nicht mit dem geltenden Recht in Einklang steht.
  • der Ausschluss des Vertrauensschutzes möglicherweise gegen das im Grundgesetz verankerte Verbot der Rückwirkung von Gesetzen verstößt. Der Gesetzgeber habe mit § 27 Abs. 19 UStG in die im Zeitpunkt seiner Verkündung bereits entstandene Steuerschuld für 2009 nachträglich eingegriffen, sodass eine unzulässige sog. echte Rückwirkung jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheine. Dem Antragsteller drohe auch ein erheblicher Vermögensschaden, da er die Steuer wegen der zivilrechtlichen Verjährung seinem Vertragspartner nicht nachträglich in Rechnung stellen könne.
 
Da die verfassungsrechtlichen Zweifel nur eine einzelne Norm betreffen, war die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht aus den im Verfahren betreffend die Übernachtungsteuer maßgebenden Erwägungen ausgeschlossen.
 
Hinsichtlich der möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abtretungsregelung des § 27 Abs. 19 UStG sieht die Bundesregierung derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage zur möglichen Rechtsunsicherheit bei der Umsatzsteuerschuldnerschaft für Bauleistungen (BT-Drs. 18/5603) erläutert die Bundesregierung zudem, dass weder ein BMF-Schreiben noch eine Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses geplant sind. Denn § 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG beinhalten eine Abtretungswirkung an Zahlungs statt, bei der die schutzwürdigen Interessen des leistenden Unternehmers bei Nachforderungen der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer berücksichtigt werden. Auf diese Weise gewährt die Abtretungsregelung einen hinreichenden Vertrauensschutz, der keinen weiteren Handlungsbedarf notwendig macht.
 
Die Finanzämter haben hierbei jeden Fall gesondert zu prüfen. Ihr Ermessen ist aber insoweit eingeschränkt, dass ein Abtretungsverbot i.d.R. angenommen wird, wenn schutzwürdige Interessen des leistenden Unter­nehmers vorliegen und dieser seinen Mitwirkungspflichten nachkommt.
 
Hinzuweisen bleibt, dass der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zu einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines leistenden Unternehmers erging. Das Finanzgericht hatte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids und deshalb nach § 69 FGO die Aussetzung der Vollziehung der Nachforderung angeordnet. Eine endgültige Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG ist jedoch allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Derzeit ist ein Verfahren allerdings noch nicht – auch nicht beim BFH – anhängig.
 
Hinzuweisen war zuletzt aber auch auf die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf sowie des Finanz­gerichts Nürnberg, die den Antrag eines Bauunternehmens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Nachbelastung von Umsatzsteuer im sog. Reverse-Charge-Verfahren abgelehnt haben (FG Düsseldorf: Beschluss vom 31. August 2015 – 1 V 1486/15; FG Nürnberg: Beschluss vom 26. August 2015 – 2 V 1107/15). Mit seiner Entscheidung stellte sich das Finanzgericht Düsseldorf u.a. gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg, das die Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG bezweifelt. Besonders ist, dass das FG Düsseldorf damit grundsätzlich keinen Vertrauensschutz für Bauleistende sieht, das FG Nürnberg sich zu der Frage der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit nicht äußern brauchte, da diese Zweifel bereits vom FG Berlin-Brandenburg geäußert worden seien. 
 

Da bisher also gegenläufige Ansichten bei den Finanzgerichten vorlagen, blieb im Hinblick auf eine rechts­sichere Handhabung zu hoffen, dass dem Bundesfinanzhof zeitnah ein entsprechender Sachverhalt zur Entscheidung vorgelegt wird.
 

Für die Praxis empfehlen wir nach wie vor, je nach Stand der Veranlagung und Diskussions-/­Verständigungs­stand zwischen den Vertragsparteien die Abbildung der umsatzsteuerlichen Behandlung oder eben deren Rückabwicklung jedenfalls offen zu halten oder nach derzeitigem Wortlaut in § 27 Abs. 19 UStG vorzugehen.
   

Aktuelle Hinweise

Der BFH hat die für den 10. Januar 2019 terminierten mündlichen Verhandlungen zu den Bauträgerfällen (Az. V R 7/18, V R 8/18 und V R 3/18) ersatzlos aufgehoben. Scheinbar haben auf Weisung der Oberbehörden die betroffenen Finanzämter die Revisionen zurückgenommen. Damit sind die jeweiligen FG-Urteile der Vorinstanz­en rechtskräftig.
 

Die Verfahren zu Az. V R 3/18 und V R 8/18 behandelten die Frage der Verzinsung der Steuer­erstattungs­forderung auf Ebene des Bauträgers, nicht auf Ebene des (leistungserbringenden) Bauleisters. Die beiden Finanzgerichte (FG München vom 20.12.2017, 2 K 1368/17 und FG Baden-Württemberg vom 17.1.2018, 12 K 2324/17) hatten den Zinsanspruch des Bauträgers bejaht, da insbesondere kein rückwirkendes Ereignis vorläge. Ferner verstoße die Verzinsung nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und auch ein etwaiger Liquiditäts­vorteil sei ohne Bedeutung für den Zins­anspruch.
 

Dies ist wohl ein Schritt in Richtung Realisierung der Zinsansprüche für Bauträger. Die jetzt rechtskräftig gewordenen FG-Urteile binden die Finanz­verwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus jedoch grundsätzlich nicht; auch die etwaigen weiteren verfahrens­rechtlichen Auswirkungen, etwa das Aufheben des Ruhens von Verfahren, sind diesbezüglich zu beachten.
 

Derzeit ist beim BFH noch ein Verfahren anhängig (Az. XI R 4/18), bei dem es ebenfalls um die Verzinsung des vom Bauträger von der Finanz­behörde zurückgeforderten Umsatzsteuerbetrags aus § 13b UStG geht. Es liegt noch keine Information vor, ob auch hier die Revision zurückgenommen wurde. Daher sollte geprüft werden, je nach Verfahrensstand, wie auf Ebene des Bauleisters oder Bauträgers zu verfahren ist.
 

Weiterer aktueller Hinweis

Ferner hat die Finanzverwaltung mit BMF mit Schreiben vom 24. Januar 2019 (Az. III C 3 – S 7279/19/19991 :001) zur Steuerschuld des Leistungsempfängers bei Bauleistungen und der Anwendung von § 27 Abs. 19 UStG nunmehr klargestellt (und insofern ihre vorherige Auffassung aus Juli 2017) geändert, dass eine Korrektur der unzutreffenden Anwendung von § 13b UStG beim Bauträger keine Zahlung oder Abtretung der Umsatzsteuernachforderung durch den leistenden Unternehmer voraussetzt. Die Finanzverwaltung folgt damit der Auffassung des BFH, der dazu mit Urteil vom 27. September 2017 (Az. V R 49/17) entschieden hatte. 
   

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