„Über Nacht” vom Händler zum Importeur: Ausweitung der Haftung für fehlerhafte UK-Produkte

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veröffentlicht am 28. Februar 2019


Wird durch den Fehler eines Produkts jemand verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist in erster Linie der Hersteller verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Als Hersteller in dem Sinne gilt aber auch derjenige, der ein Produkt zum Zwecke des Vertriebs erstmalig in den europäischen Wirtschaftsraum einführt. Mit dem Austritt aus der EU wird Großbritannien zum Drittland. Händler, die Produkte aus UK beziehen, müssen sich daher auf eine deutliche Verschär­fung ihres Haftungsrisikos, aber auch ihres Pflichtenkatalogs in Bezug auf die Produktsicherheit einstellen.


 
Um auf EU-Ebene ein einheitliches Sicherheitsniveau verschiedenster Produkte zu erreichen, wurden in der Vergangenheit umfassende Richtlinien und Verordnungen erlassen. Sie enthalten detaillierte Vorgaben zu grundlegenden Sicherheitsstandards, zu verbotenen Inhaltsstoffen sowie zu Kennzeichnungs-, Informa­tions- und Meldepflichten. Erfasst werden nicht nur Produkte aus dem typisch sicherheitsre­levanten Bereich, wie Maschinen und Fahrzeuge, sondern Produkte aller Branchen, angefangen vom Spielzeug über den Mixer bis hin zur Kosmetik. Teilweise gelten diese Bestimmungen unmittelbar, teilweise wurden sie von den Mitgliedstaaten in nationale Vorschriften umgesetzt, wie bspw. in Deutschland das Elektro- und Elektronikgerätegesetz oder auch das Produktsicherheitsgesetz.


Wer künftig mit Produkten handelt, die in Großbritannien hergestellt wurden, wird – rein haftungsrechtlich – nicht anders behandelt, als stammten die Produkte aus China oder aus den USA. Dabei muss es noch gar nicht zum Eintritt eines Schadens gekommen sein. Die Verantwortung eines Importeurs setzt weit vorher an.


Importeur verantwortlich für Konformität, CE-Kennzeichnung und Produktausstattung

Nach dem „Blue Guide” der Europäischen Kommission (2016/C 272/01) ist der Importeur nämlich kein bloßer Wiederkäufer. Ganz im Gegenteil: Er spielt eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung der Rechtskonformität der eingeführten Erzeugnisse. So heißt es z.B. in Artikel 6 der EU-Spielzeugrichtlinie: „Einführer bringen nur konformes Spielzeug in der Gemeinschaft in Verkehr”. Sie müssen daher vor Inverkehrbringen eines Produkts sicherstellen, dass
  • der Hersteller ein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt,
  • er das betreffende Produkt richtig gekennzeichnet und
  • mit geeigneten Bedienungsanleitungen sowie Sicherheitsinformationen ausgestattet hat.


Hat der Importeur Zweifel an der Rechtskonformität eines Produkts, darf er es nicht vertreiben. Gerade in Bezug auf die CE-Kennzeichnung könnte in Kürze die erste Hürde auftauchen: Alle im UK angesiedelten Prüf­institute verlieren mit dem BREXIT ihren EU-Status. D.h., künftig können solche Institute keine gemein­schafts­weiten Konformitätserklärungen mehr abgeben. In der Praxis wird das v.a. für deutsche Auto­mobil­her­steller und Zulieferer relevant, die in Großbritannien fertigen. Nach dem BREXIT können UK-Behörden für Fahrzeuge und Fahrzeugteile keine EU-Typengenehmigungen mehr erteilen. Bisher erstellte Prüfberichte verlieren ihre Gültigkeit, wenn keine Anerkennung derselben verhandelt wird. Der Importeur muss also sicherstellen, dass eine in der Vergangenheit erstellte Konformitätserklärung nicht ab April 2019 ihre Gültigkeit verliert. Viele Hersteller werden sich nach neuen Prüfinstituten umsehen müssen, andernfalls droht ein Verkaufsstopp.


Verantwortung auch für Verpackung und Entsorgung

Die Produktverantwortung des Importeurs hört nicht beim Produkt selbst auf. Sie erfasst u.U. auch dessen Verpackung, Wiederverwendung oder Entsorgung. So muss der Importeur klären, ob ihn Registrierungs- oder Meldepflichten treffen, z.B. nach der REACH-Verordnung oder dem neuen Verpackungsgesetz.

Für bestimmte Produkte, wie z.B. Kosmetik, muss schon die Einfuhr an sich bei einer zuständigen Behörde angezeigt werden. Der Importeur kann auch verpflichtet sein, seinen Namen und seine Kontaktanschrift auf dem Produkt anzugeben. Das gilt insbesondere dann, wenn der im Ausland ansässige Hersteller keine „verantwortliche Person” mit Sitz innerhalb der EU benannt hat.


Auskunfts- und Reaktionspflichten

Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörden muss schließlich auch ein Importeur in der Lage sein, Auskunft darüber zu geben, welche Unternehmen ihn beliefert haben und an welche Abnehmer er die Erzeugnisse weiterverkauft hat. Die Produktsicherheitsvorschriften sehen zudem vor, dass er Konfor­mitätserklärungen nach dem Inverkehrbringen eines Produkts teilweise bis zu 10 Jahre lang aufzubewahren und dafür Sorge zu tragen hat, dass die technischen Unterlagen im Streitfall vorgelegt werden können. Gleiches gilt für die Verpflichtung zur Durchführung von Stichproben für Produkte, die sich bereits im Verkehr befinden.

Importeure, die Grund zu der Annahme haben, dass ein von ihnen in Verkehr gebrachtes Produkt nicht den geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entspricht, sind verpflichtet, unverzüglich zu reagieren, es ggf. zurückzunehmen oder zurückzurufen. Sie können sich nicht darauf beziehen, dass sie „nur” der Importeur und nicht der Hersteller des fehlerhaften Produkts seien.


Fazit

Unternehmen, die mit Produkten aus UK handeln, müssen klären, ob sie die Produkte nach dem BREXIT wie bisher vertreiben können und wie sich ihr Pflichtenkreis und damit ihre Verantwortlichkeit für die Sicherheit solcher Produkte erweitert hat. Hersteller müssen indessen klären, ob sie das Prüfinstitut wechseln und neue Konformitätserklärungen einholen müssen. Zudem sollten alle Beteiligten aufmerksam beobachten, ob Großbritannien künftig eigene, womöglich schärfere Anforderungen an solche Produkte stellt, die wiederum aus der EU in ihr Hoheitsgebiet eingeführt werden.

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Ines Maier, LL.M.

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