Schutz und Sicherheit: Abfindungsklauseln richtig gestalten

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veröffentlicht am 19. September 2018


Scheidet ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft aus, so ist er grundsätzlich von der Gesellschaft bzw. den übrigen Gesellschaftern abzufinden. Zur Bemessung der Abfindung sind im Handels­gesetzbuch (HGB) keine genauen Vorgaben enthalten. Im Unterschied zum Aktienrecht sieht der Gesetzgeber bei der Bemessung von Abfindungen lediglich grobe Eckpfeiler vor. Der Abfindungsbe­trag muss dem vollen wirtschaftlichen Wert des Anteils entsprechen (Verkehrswert), soweit der Gesellschaftsvertrag keine davon abweichende, der Höhe nach beschränkende Abfindungsklausel enthält. Abfindungsbeschränkenden Bestimmungen in Gesellschaftsverträgen sind jedoch normativ Grenzen gesetzt.


  
Demnach ist sowohl vor dem Hintergrund der Vielzahl möglicher Verfahren zur Ermittlung von Abfindun­gen/Verkehrswerten als auch zur hinreichenden Würdigung der konkreten Situation des Ausscheidens eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Regelung beschränkender Abfindungsklauseln in Gesellschaftsver­trägen empfehlenswert. Abfindungsbeschränkende Klauseln in Gesellschaftsverträgen können von vorn­herein bereits beim Vertragsschluss unwirksam sein oder es erst später im Zeitablauf werden, z.B. durch unter­schiedliche Entwicklungen der gesetzlich und vertraglich zugrunde zu legenden bzw. zu ermittelnden Werte, durch Gesetzesänderungen oder die Rechtsprechungen, und so zu Nachteilen für die Gesellschaft oder die abfindenden Gesellschafter führen.   


Abfindungsanspruch bei Ausscheiden eines Gesellschafters

Ein Gesellschafter kann auf unterschiedliche Weise aus der Gesellschaft ausscheiden, per Austritt oder Aus­schluss oder durch seinen Tod. Beim Austritt gibt der Gesellschafter seine Anteile selbst ab; beim Ausschluss werden die Anteile eines Gesellschafters eingezogen. Der Einzug setzt stets eine Regelung im Gesell­schafts­vertrag voraus (§ 34 Abs. 1 GmbHG). Nach § 34 Abs. 2 GmbHG kann eine Einziehung von Anteilen auch gegen den Willen des ausscheidenden Gesell­schafters erfolgen, wenn die Voraussetzungen dafür im Gesell­schafts­vertrag bereits zum Zeitpunkt seines Anteilserwerbs geregelt waren.

Für den Abfindungsanspruch gelten grundsätzlich die Regelungen des § 105 Abs. 3 HGB i.Z.m. den §§ 738 – 740 BGB, die weitgehend auch für die Rechtsform der GmbH anzuwenden sind. Der Anspruch auf Abfindung ist laut herrschender Meinung ein zwingendes, unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht und besteht zur vollen Höhe des Verkehrswerts des Gesellschaftsanteils (tatsächlicher Wert des Anteils), falls im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes bestimmt ist. Der Verkehrswert ist, mit Ausnahme des § 194 BauG für Zwecke von Immobilien­bewertungen, gesetzlich nicht kodifiziert, sodass regelmäßig eine Vielzahl von Bewertungsmethoden in Betracht kommen kann. Zur Abfindungsregelung im Gesellschaftsvertrag besteht unter Berücksichtigung gesetzlicher Beschränkungen Vertrags- und Gestaltungsfreiheit.


Grenzen der Gestaltungsfreiheit

Die vertragliche Gestaltungsfreiheit hat jedoch gesetzliche Grenzen. Eine Knebelung eines Gesellschafters aufgrund derart unvorteilhafter Beschränkungen der Abfindung, dass der Gesellschafter sein Kündigungs­recht wegen Unwirtschaftlichkeit gar nicht ausüben würde, ist laut § 723 Abs. 3 BGB unzulässig. Die Beschränkungen müssen bestimmt sein, d.h. dass die Beschränkung der Abfindung deutlich erkennbar ist und jeder Gesell­schafter sich auf die Konsequenzen einstellen kann. Außerdem müssen die Beschränkungen den Gleich­behandlungs­grundsätzen entsprechen. Eine Differenzierung nach der Dauer der Mitgliedschaft wäre zulässig, lediglich eine sachlich nicht gerechtfertigte, willkürliche Behandlung ist verboten. Die Klauseln dürfen auch keine gezielte Gläubigerbenachteiligung beinhalten. Das bedeutet, dass eine Abfindungsbeschränkung, die nur in gewissen Fällen – wie z.B. einer Insolvenz – eintritt, nicht zulässig ist, wenn sie in anderen Fällen – wie z.B. bei einer Einziehung aus wichtigem Grund – nicht greift. Zudem ist ein grobes Missverhältnis unzulässig, das entsteht, wenn die Höhe der Abfindung stark vom Verkehrswert abweicht.  Gerade das grobe Missverhältnis ist im Weiteren ein gewichtiger Punkt bei der Ausarbeitung von Abfindungsklauseln. Eine Abfindung, die 1/3 unter dem Verkehrswert liegt, ist regelmäßig zulässig. Liegt der Wert mehr als 50 Prozent unter dem Verkehrswert, ist die Regelung regelmäßig unzulässig. Im Streitfall ist jedoch jeder Einzelfall zu betrachten und nach Anlass der Beendigung zu differenzieren. Unterschieden wird dabei zwischen einem Ausschluss und einem Austritt sowie den Gründen für einen jeweiligen Ausschluss bzw. Austritt. Je nachdem, wer die Beendigung und deren Gründe zu vertreten hat, sind höhere oder niedrigere Abschläge zulässig. Daraus entsteht eine große Anzahl an Gestaltungsmöglichkeiten.

Solche vertraglichen Gestaltungen sind jedoch sittenwidrig gemäß § 138 BGB, falls sie schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu einem groben Missverhältnis geführt haben. Daraus folgt die Nichtigkeit der Regelung von Anfang an. Somit sind die entsprechenden Klauseln nicht anzuwenden und dem ausscheidenden Gesellschafter steht eine Abfindung in voller Höhe des Verkehrswerts zu.

Zum Zeitpunkt des Ausscheidens können ein nachträglicher Verstoß gegen die Gleichbehandlungsgrund­sätze oder ein nachträgliches, grobes Missverhältnis vorliegen. Ein nachträgliches, grobes Missverhältnis liegt vor, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine deutliche Diskrepanz zwischen Verkehrswert und ermittelter Abfindung vorherrschte, es aber im weiteren Zeitverlauf zu einem Auseinanderdriften der beiden Werte kommt. Das ist z.B. der Fall, wenn die Abfindung an den Buchwert gekoppelt ist, aber der Verkehrswert aufgrund einer guten wirtschaftlichen Lage stark gestiegen ist. In solchen Fällen bedarf es einer Anpassung der Anwendung der vereinbarten Abfindungsklauseln.


Vor- und Nachteile gängiger Bewertungsmethoden für die Vertragsgestaltung

In der Praxis lassen sich in Gesellschaftsverträgen, je nach Zeitpunkt deren Abschlusses, nachfolgende Abfindungsklauseln finden.
  • Nennwertklausel: Hier wird lediglich das nicht durch Verlust geminderte Haftkapital als Abfindung zurückgezahlt. Die Klausel vermeidet eine zeitintensive Ermittlung des Verkehrswerts. Aufgrund der fehlenden Nähe zum Verkehrswert besteht jedoch die Gefahr, dass die Klausel von Anfang an nichtig ist oder nachträglich unwirksam wird.
  • Buchwertklausel: Die Abfindung bemisst sich an den Buchwerten des Gesellschaftsvermögens. Auch hier ist das Verfahren zur Bestimmung der Abfindung vereinfacht, jedoch darf regelmäßig vermutet werden, dass der Buchwert ebenfalls nicht dem Verkehrswert entspricht.
  • Wert nach dem Stuttgarter Verfahren: Mittlerweile ersetztes, älteres steuerliches Bewertungsver­fahren mit einer Mischung aus Substanz- und Ertragswertverfahren, mit vielen methodischen Ände­rungen durch Steuerreformen im Zeitverlauf. Das Verfahren ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht als ungeeignet für die Unternehmensbewertung zu erachten. Trotzdem hat es in der Vergangenheit Eingang in eine Vielzahl von Abfindungsklauseln gefunden. Aufgrund der Berechnungsweise kommt es dabei i.d.R. zu einer deutlich niedrigeren Bewertung der Anteile als bei der Ermittlung des Verkehrs­werts über ein reines Ertragswert- oder DCF-Verfahren. Eine unzulässige Beschränkung und damit Nichtigkeit einer solchen Abfindungsklausel lässt sich nicht grundsätzlich feststellen.
  • Multiples: Hier wird ein Vielfaches einer unternehmensinternen Kennzahl als Abfindung vereinbart (z.B. Faktor X auf Umsatzerlöse, EBITDA oder Jahresüberschuss). Soweit die Fundamentaldaten sowie Multiples (z.B. kapitalmarktseitig über eine Peer Group) analytisch und zukunftsbezogen ermittelt werden, kann das Verfahren trotz stark vereinfachter Vorgehensweise im Ergebnis zum Verkehrswert führen.
  • Ertragswert-/ DCF-Verfahren: Diese Bewertungsverfahren sind aufgrund ihrer theoretischen Fun­die­rung, der fundamentalanalytischen und marktnahen Ermittlung sowie der Zukunftsbezogenheit für Zwecke der Ermittlung eines Verkehrswerts am besten geeignet und in Theorie, Praxis und Rechtsprechung aner­kannt. In den Verfahren werden die künftigen finanziellen Überschüsse aus einer integrierten Planungs- bzw. Prognoserechnung abgeleitet und mit einem geeigneten Kapitalkostensatz auf den Bewertungsstichtag abgezinst.


Abhängig davon, welches Bewertungsverfahren zur Ermittlung einer Abfindung vereinbart wurde, ist (auch im Nachgang) zu prüfen, ob die Abfindungsregelung unter Heranziehung der betriebswirtschaftlichen Be­wertungs­gepflogen­heiten überhaupt zum Verkehrswert führen kann. Für vermutbar verkehrswertferne Abfindungs­klauseln im Sinne einer sittenwidrigen Beschränkung des Abfindungsanspruchs wären dann ohnehin zunächst Verfahren heranzuziehen, die geeigneter zur Ermittlung wären, um dann festzustellen, ob die vereinbarte Abfindungsklausel vor dem Hintergrund der vertraglichen Beschränkungen Bestand haben kann. Demnach sollte bei der Gestaltung von Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen eine anerkannte, zum Verkehrs­wert führende Bewertungsmethodik berücksichtigt werden, um eine Überprüfung der Regelung auf die beiden vorstehenden Aspekte im Nachgang zu vermeiden.

In der Praxis hat sich in Deutschland die Anwen­dung des vom Berufs­stand der Wirtschafts­prüfer ent­wickelten Bewer­tungs­standards IDW S1 durchgesetzt, der auch von der Rechtsprechung anerkannt und regelmäßig bestätigt wird. Der IDW S1 bietet ein umfangreiches Instrumentarium für eine Vielzahl von Bewertungs­anlässen. Neben der Funktion als Berater für nur eine Partei (subjektiver Wert) kann der Bewerter auch in der Funktion als neutraler Gutachter tätig werden und sog. objektivierte Werte unter Zuhilfenahme einer Reihe von Typisierungen ermitteln. Zudem können Unternehmensbe­wertungen auch im Sinne von Schiedsgutachten vorgenommen werden, die die widerstreitenden Interessen der Parteien zum Ausgleich bringen.

Soweit ein bestimmtes Vorgehen zur Ermittlung eines rechtssicheren Verkehrswertes nicht in Gesell­schafts­verträgen Eingang gefunden hat, kann es sich anbieten, zumindest einen Streitschlichtungsme­chanismus – z.B. in Form einer Festlegung eines Sachverständigen – zu etablieren, der mögliche Interessenskonflikte der Parteien beilegen soll.

In jedem Fall ist jedoch die Festsetzung einer Auffangklausel empfehlenswert, die den Ansatz des rechtlich mindestens zu wählenden Abfindungs­anspruchs regelt. Ohne eine solche Regelung bemisst sich die Abfindung in Ermangelung einer wirksamen vertraglichen Regelung nach dem vollen Verkehrswert.


Fazit

Bei der Gestaltung von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen empfiehlt sich eine enge Kopplung zwischen der gesellschaftsrechtlichen und der betriebswirtschaftlichen Perspektive im Bereich der Unternehmensbewertung.

Ein hohes Maß an Sicherheit kann nur eine Abfindungsklausel bieten, die direkt an den Verkehrswert gekoppelt ist. Über Ertragswert-/ DCF-Wert bzw. Multiple-nahe Bewertungsverfahren kann dabei kaum hinweggegangen werden. Zu Vereinfachungszwecken und zur Vermeidung streitanfälliger Auslegungen können einzelne Parameter bereits in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Hierfür könnten sich z.B. Bestandteile eines entsprechend disaggregierten Kapitalisierungszinssatzes anbieten. Der vom Berufsstand der Wirtschafts­prüfer in Deutschland entwickelte und in der Rechtsprechung anerkannte Bewertungsstandard IDW S1 kann ein geeignetes Instrument zur Erarbeitung von zweckmäßigen und rechtssicheren Abfindungsklauseln sein. Auf­fang­klauseln oder Streitschlichtungsmechanismen bzw. die Festlegung von Gutachtern können ein gewisses Mindestmaß an Sicherheit bei der Gestaltung von Abfindungsklauseln bieten.

Es ist ratsam, auch alte Gesellschaftsverträge von Zeit zu Zeit auf die Wirksamkeit von Abfindungs­regeln untersuchen zu lassen und sie ggf. neu zu fassen.

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Christian Hellbardt

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Certified Valuation Analyst (CVA)

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