Kennzeichen ohne Main-Benefit-Test: Es gibt (fast) keinen Exit

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zuletzt aktualisiert am 29. April 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Bei den Kennzeichen ohne Main-Benefit-Test hält sich das deutsche Umsetzungs­gesetz an die Vorgaben der DAC 6-Richtlinie. Das Gesetz kennt in § 138e Abs. 2 AO fünf Gruppen von Kennzeichen, deren bloßes Vorliegen schon eine Meldepflicht auslöst. Daher ist es unbedingt ratsam diese Kennzeichen zu kennen.

  


Gruppe 1: Kennzeichen in Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Zahlungen

Meldepflichtig sind Gestaltungen, die zum Gegenstand haben, dass der Empfänger grenzüberschreitender Zahlungen, die zwischen zwei oder mehr verbundenen Unternehmen erfolgen und beim Zahlenden als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, entweder in keinem Steuerhoheitsgebiet steuerlich ansässig ist (§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa AO) oder in einem Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, das von der EU oder der OECD als nicht-kooperierende Jurisdiktion eingestuft wird (§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Doppel­buchst. bb AO). Damit sollen die Gestaltungen erfasst werden, bei denen Gewinne durch Zahlungen an verbundene Unternehmen (§ 138e Abs. 3 AO) dorthin verschoben werden, wo sie regelmäßig keiner oder nur einer sehr geringen Besteuerung unterliegen.

Zahlungsempfänger können auf mehreren Wegen steuerlich staatenlos sein: Zum einen können sie den Zustand durch ihr tatsächliches Handeln erreichen, zum anderen können sie Qualifikationskonflikte zwischen nationalen Rechtsordnungen ausnutzen oder von einer nicht korrespondierenden Auslegung der steuerlichen Ansässigkeit in DBA-Fällen profitieren.

Die Europäische Kommission veröffentlicht regelmäßig eine Liste nicht kooperativer Steuergebiete. Es sollen nur die Steuergebiete, die sich auf der sog. Schwarzen Liste befinden, davon erfasst sein, nicht aber diejenigen der sog. Grauen Liste. Die OECD erstellt eine Liste anhand ihrer sog. Transparenzstandards, die regelmäßig aktualisiert wird. Der Entwurf des BMF-Schreibens stellt klar, dass eine Zeitpunktbetrachtung vorzunehmen ist, d.h. dass die Voraussetzungen des Kennzeichens im Zeitpunkt der Mitteilung erfüllt sein müssen.


Gruppe 2: Kennzeichen in Zusammenhang mit der Ausnutzung von Qualifikations­konflikten

Bei dieser Gruppe gibt es drei Fallgestaltungen, die unmittelbar eine Meldepflicht auslösen. So ist zu melden, wenn durch eine Gestaltung in mehr als einem Steuergebiet für denselben Vermögenswert Absetzungen für Abnutzungen in Anspruch genommen werden (§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa AO).

Dazu kann es bspw. in bestimmten Leasingfällen kommen: Die inländische Fluggesellschaft (Leasingnehmerin) least bei einem ausländischen Unternehmen (Leasinggeber), das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein Flugzeug. Beiden Unternehmen wird das Flugzeug aufgrund der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen bilanziell zugerechnet, wodurch beide Unternehmen Abschreibungen auf das Flugzeug vornehmen können.

Ferner sind Gestaltungen zu melden, bei denen eine Befreiung von der Doppelbesteuerung in mehr als einem Steuerhoheitsgebiet für dieselben Einkünfte oder dasselbe Vermögen vorgenommen wird und so die Einkünfte oder das Vermögen ganz oder teilweise unversteuert bleiben (§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb AO).

Darunter ist z.B. eine Drei-Staaten-Konstellation zu fassen, in der auf Basis des Doppelbesteuerungs­abkommens (DBA) zwischen den ersten beiden Staaten eine Freistellung der Einkünfte im zweiten Staat beantragt wird und auf Basis des DBA zwischen dem ersten und dem dritten Staat eine Freistellung der Einkünfte im ersten Staat erzielt wird.

Zuletzt zählen solche Gestaltungen zu der Gruppe, die eine Übertragung oder Überführung von Vermögens­gegen­ständen vorsehen, soweit sich die steuerliche Bewertung des Vermögensgegenstandes in den beteiligten Steuerhoheitsgebieten wesentlich unterscheidet (§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO). Als wesentlich gilt laut dem Entwurf des BMF-Schreibens ein unterschiedlicher Wertansatz von mehr als 10 Prozent.

Als Beispiel kann der Fall fungieren, dass bei der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes im Staat der Veräußerung der Buchwert angesetzt wird, während im Staat des Erwerbs der Ansatz mit dem gemeinen Wert erfolgt. Somit entsteht im Staat der Veräußerung kein Veräußerungsgewinn, während im Staat des Erwerbs Abschreibungen auf den höheren gemeinen Wert möglich sind.


Gruppe 3: Kennzeichen in Zusammenhang mit Finanzkonten

Diese Gruppe soll diejenigen Gestaltungen erfassen, die eine unzureichende Umsetzung des gemeinsamen Meldestandards der OECD („Common Reporting Standard” – CRS) hinsichtlich von Finanzkonten oder die Nichtanwendbarkeit der CRS ausnutzen (§ 138e Abs. 2 Nr. 2 AO). Das Gesetz geht dabei auf sechs Konstellationen ein, die in einem Alternativverhältnis zueinanderstehen und nicht abschließend sind.


Der Tatbestand des „Ausnutzens” soll dann verwirklicht sein, wenn ein Informationsaustausch über Finanz­konten nicht, nicht vollständig, nicht verwertbar, nicht mit dem richtigen Endadressaten oder nicht zur richtigen Zeit erfolgt. Das soll allerdings dann nicht der Fall sein, wenn die Gestaltung aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wird und in dem Zusammenhang eine Meldung oder ein Informations­austausch nach CRS unterbleibt. Ferner ist es auch unschädlich, wenn die Informationen zum Finanzkonto gemäß einem FATCA-Abkommen ausgetauscht werden.


Gruppe 4: Kennzeichen in Zusammenhang mit intransparenten Ketten

Die Meldepflicht wird auch dann unmittelbar ausgelöst, wenn grenzüberschreitende Steuergestaltungen das Ziel haben, durch Zwischenschaltung rechtlicher Eigentümer oder wirtschaftlich Berechtigter unter Einbeziehung verschiedener Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen die Identität wirtschaftlich Berechtigter zu verschleiern (§ 138e Abs. 2 Nr. 3 AO). Die in die intransparente Kette einbezogenen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen üben keine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit aus, die mit einer angemessenen Ausstattung, angemessenen personellen Ressourcen, Vermögenswerten und Räumlichkeiten einhergeht. Das trifft regelmäßig auf sog. passive Gesellschaften zu. Ferner sind sie in anderen Steuerhoheits­gebieten eingetragen, ansässig oder niedergelassen bzw. werden in anderen Steuerhoheitsgebieten verwaltet oder kontrolliert als dem Gebiet, in dem ein oder mehrere der wirtschaftlichen Eigentümer der von diesen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen gehaltenen Vermögenswerten ansässig sind. Das Kenn­zeichen ist auf die von der OECD entwickelten „Model Mandatory Disclosure Rules for CRS Avoidance Arrangements and Opaque Offshore Structures” (MDR) zurückzuführen. Zusätzlich ist das Kennzeichen nur dann erfüllt, wenn die wirtschaftlichen Eigentümer der einbezogenen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen nicht nach dem Geldwäschegesetz identifizierbar gemacht werden.


Gruppe 5: Kennzeichen in Zusammenhang mit bestimmten Verrechnungspreisgestaltungen

Für diese Gruppe wurden drei Verrechnungspreisthemen ausgewählt, die immer zu melden sind. Die Mitwirkungs­pflicht nach § 90 Abs. 3 AO (Verpflichtung zur Verrechnungspreisdokumentation) bleibt auch bei einer Meldung im Rahmen der DAC 6 weiterhin bestehen.


Erfasst werden sollen unilaterale Safe-Harbour-Regelungen, sprich Gestaltungen, bei denen eine unilaterale Regelung genutzt wird, die für eine festgelegte Kategorie von Nutzern oder Geschäftsvorfällen gilt und dafür in Betracht kommende Nutzer von bestimmten Verpflichtungen befreit, die aufgrund der allgemeinen Verrechnungspreisvorschriften eines Steuerhoheitsgebiets sonst zu erfüllen wären (§ 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a AO). Ist eine solche Regelung hingegen in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien akzeptiert, wird sie nicht als unilateral angesehen. Somit ist ihre Anwendung unschädlich, d.h. nicht meldepflichtig.

Ein Beispiel für eine nicht von der OECD anerkannte unilaterale Safe-Harbour-Regelung ist, dass bestimmte Schwellenwerte bei der Gewinnmarge vorgegeben werden, d.h. wenn keine eigenständige Ermittlung des angemessenen Verrechnungspreises erfolgt, sondern eine Pauschale angesetzt werden kann.

Eine meldepflichtige Verrechnungspreisgestaltung liegt bei der Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Werten zwischen verbundenen Unternehmen oder der Überführung solcher Werte zwischen Betriebsstätten vor. Um schwer zu bewertende immaterielle Werte handelt es sich bei Werten, für die zum Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung keine ausreichenden Vergleichswerte vorliegen und für die zum Zeitpunkt der Transaktion die Prognosen voraussichtlicher Cashflows oder die vom übertragenen oder überführten immateriellen Wert erwarteten abzuleitenden Einkünfte oder die der Bewertung des immateriellen Werts oder Rechts an immateriellen Werten zugrunde gelegten Annahmen höchst unsicher sind, weswegen der Totalerfolg zum Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung nur schwer absehbar ist (§ 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b AO).

Ein schwer zu bewertender immaterieller Wert kann bspw. laut Gesetzesbegründung dann vorliegen, wenn er zum Zeitpunkt des konzerninternen Transfers nur teilweise entwickelt ist oder seine kommerzielle Verwertung erst zeitversetzt zu erwarten ist. Werden Patente oder Marken übertragen oder überführt, hat sich hingegen bereits ein Marktpreis gebildet, sodass kein schwer zu bewertender immaterieller Wert vorliegen kann. Im Entwurf zum BMF-Schreiben sind diese klarstellenden Ausführungen nicht mehr enthalten.


Zuletzt sollen solche Verrechnungspreisgestaltungen erfasst werden, bei denen innerhalb von verbundenen Unternehmen eine grenzüberschreitende Übertragung oder Verlagerung von Funktionen, Risiken sowie Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen stattfindet und das erwartete jährliche EBIT des übertragenden Unternehmens über einen Zeitraum von drei Jahren nach dem Transfer weniger als 50 Prozent des jährlichen EBIT des übertragenden Unternehmens beträgt, das erwartet worden wäre, wenn die Übertragung nicht stattgefunden hätte. Sinngemäß gilt das auch für Betriebstätten. Von diesem Kennzeichen sollen also Funktionsverlagerungen erfasst werden, die sich erheblich negativ auf den erwarteten jährlichen Gewinn des übertragenden Unternehmens auswirken.


Fazit

Es zeigt sich, dass die Kennzeichen ohne Main-Benefit-Test nur sehr selten eine Möglichkeit zur Exkulpation enthalten, d.h. sie lösen regelmäßig eine Meldepflicht aus, sobald sie vorliegen. Erfasst werden zum einen „exotischere” Sachverhalte wie die Umgehung des Meldestandards zu Finanzkonten oder der Einsatz von intransparenten Ketten. Zum anderen fallen auch häufiger vorkommende Qualifikationskonflikte in diese Kategorie von Kennzeichen.

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