Meldepflicht von Steuer­ge­stal­tungen: Eine langwierige politische Entwicklung

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veröffentlicht am 30. Oktober 2019 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Durch die Veröffentlichung der DAC 6-Richtlinie (Änderungsrichtlinie 2018/822/EU) am 25. Juni 2018 im Amtsblatt der EU werden sog. Intermediäre verpflichtet, be­stimmte Steuergestaltungen ab dem 25. Juni 2018 ihren nationalen Steuer­behörden zu melden. Nach­folgend geben wir einen Überblick über die Entstehungs­geschichte und politischen Hintergründe, die zu den neuen Regelungen geführt haben.



Dass die Steuerrechtssysteme verschiedener Staaten unzureichend aufeinander abgestimmt sind und einige Staaten zudem mit niedrigen Steuersätzen und steuerlichen Präferenzregelungen unfairen Steuerwettbewerb betreiben, ist ebenso wenig neu wie der Umstand, dass einige international tätige Unternehmen die ent­ste­hen­den Gestaltungsmöglichkeiten ausnutzen, um ihre Steuerlasten zu minimieren. Daher haben sich die Staaten der OECD und der G20 sowie Schwellen- und Entwicklungsländer im sog. BEPS[1]-Projekt zusammen­getan und bereits im Jahr 2013 einen 15-Punkte-Aktionsplan verabschiedet, um derartiges Verhalten einzuschränken.


Internationale Entwicklung

Der BEPS-Aktionsplan zielte auf die Einführung einheitlicher und verschärfter Regeln für den internationalen Steuerwettbewerb sowie auf eine verbesserte Verzahnung der unterschiedlichen Steuerrechtssysteme. Der Aktionspunkt 12 sieht die Entwicklung von Offenlegungsregelungen für aggressive Steuerplanungen vor. Steuer­pflichtige und Berater sollen dazu verpflichtet werden, ihren Finanzverwaltungen sog. aggressive Steuer­planungen anzuzeigen. Perspektivisch soll so erreicht werden, dass Steuerbehörden frühzeitig über modell­hafte Steuergestaltungen informiert sind und Gegenmaßnahmen ergreifen können.

Ein Diskussionsentwurf zu „Mandatory Disclosure Rules” wurde von der OECD am 31. März 2015 veröffentlicht. Nach einem öffentlichen Hearing und der Diskussion mit der Fachöffentlichkeit am 11. Mai 2015 in Paris (zuvor wurden bereits eingegangene Stellungnahmen aus der Privatwirtschaft gewürdigt) wurde am 5. Oktober 2015 der finale Bericht zum BEPS-Aktionspunkt 12 veröffentlicht.


Die europäische Vorgabe

Im April 2016 wurde die EU-Kommission schließlich vom Rat „Wirtschaft und Finanzen” beauftragt, in Anleh­nung an Aktionspunkt 12 der BEPS-Initiative Vorschriften für Meldepflichten grenzüberschreitender Steuerge­staltungen für die Mitgliedsstaaten zu entwerfen.

Das mündete in der Änderungsrichtlinie 2018/822/EU (DAC 6-Richtlinie), die die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2019 in nationales Recht umzusetzen haben. Trotz einer grundsätzlichen Anwendung der neuen Vorschriften ab dem 1. Juli 2020, besteht bereits eine Meldepflicht für einschlägige Sachverhalte, deren erster Umsetzungsschritt zwischen dem 25. Juni 2018 (Inkrafttreten der Richtlinie) und dem 1. Juli 2020 erfolgt. Es besteht also schon heute Handlungsbedarf, durch die notwendige Dokumentation entsprechender Sachver­halte für eine spätere Meldung Vorsorge zu treffen (die Meldung der Sachverhalte ist bis zum 31. August 2020 vorzunehmen).


Das deutsche Gesetzgebungsverfahren

Die Thematik der Einführung einer Anzeigepflicht von Steuergestaltungen in Deutschland ist bereits deutlich älter als der BEPS-Aktionsplan. So wurde bspw. bereits bei der Diskussion um das Jahressteuergesetz 2008 die Einführung entsprechender Vorschriften in die Abgabenordnung auf Basis eines Referentenentwurfs er­ör­tert. Nach heftigen steuerpolitischen Diskussionen kam es seinerzeit bekanntermaßen letztlich nicht zu der Gesetzesänderung. Durch die DAC 6-Richtlinie und die Verpflichtung zur Umsetzung in nationales Recht bis zum Jahresende 2019 hat der deutsche Gesetzgebungsprozess zu dem Thema allerdings wieder Fahrt aufgenommen.

Auf Länderebene wurde im Juli 2018 die Einführung einer Meldepflicht für nationale Steuergestaltungen mittels eines inoffiziellen Entwurfs diskutiert. Die sollte quasi als Nebenprodukt der Meldepflicht für grenzüber­schreitende Gestaltungen mit eingeführt werden. Der erste (inoffizielle) Referentenentwurf auf Bundesebene, der die DAC 6-Richtlinie aufgreift, datiert auf den 30. Januar 2019. In ihm waren – neben den Regelungen für grenzüberschreitende Gestaltungen – auch zusätzliche Vorschriften für eine Meldepflicht nationaler Steuer­gestaltungen enthalten. Im ersten offiziellen Referentenentwurf vom 26. September 2019 sowie in dem vom Bundeskabinett beschlossenen und in das förmliche Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Gesetzes­entwurf vom 09. Oktober 2019 ist das nicht mehr der Fall. Auch in dem vom Bundesrat am 20. Dezember 2019 angenommenen Gesetz ist die nationale Meldepflicht nicht enthalten. Der von der Partei DIE GRÜNEN eingebrachte Entschließungsantrag vom 11. Dezember 2019 zur Aufnahme einer Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen wurde von der Koalition zwar abgelehnt. Aus der politischen Diskussion ist allerdings bekannt, dass Bundes­finanz­minister Scholz sowie die SPD sich für eine nationale Meldepflicht aussprechen.

In Anbetracht der europarechtlichen Vorgabe, die Regelungen bis Jahresende in nationales Recht umzusetzen, wurde der Gesetzesentwurf zwar im Eiltempo durch das Parlament getrieben. Doch selbst wenn die Regelungen zu zusätzlichen Meldepflichten nationaler Gestaltungen nicht gemeinsam mit denen für grenz­über­schreitende Gestaltungen bis Jahresende verabschiedet wurde, ist keinesfalls sicher, dass das nicht später noch nachgeholt würde. Mit zeitnaher Gewissheit in dem Punkt ist daher nicht zwingend zu rechnen.


Fazit

In einem langwierigen Entstehungsprozess auf multinationaler Ebene wurde – vor dem Hintergrund der Vermeidung aggressiver, grenzüberschreitender Steuergestaltungen – nunmehr ein Gesetzgebungsverfahren zu Ende gebracht, das verbindliche Regeln für Meldepflichten derartiger Gestaltungen schaffen soll. Meldepflichten für rein nationale Steuergestaltungen wurden sinnvollerweise nicht verabschiedet. Es scheint allerdings nur eine Frage der Zeit, bis dieses Thema wieder auf das politische Tapet gebracht wird.

 



[1] BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting, auf Deutsch Gewinn-kürzung und Gewinnverlagerung

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Sven Müller

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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