Datenschutzrecht und die Klingelschilder an Mietshäusern

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​veröffentlicht am 24. Oktober 2018 / Lesedauer ca.: 5 min; Autoren: Alexander Theusner, Johannes Marco Holz, Maximilian S. Dachlauer

 

Der weite Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) findet in ganz privaten Angelegenheiten seine Grenze1. Dass das jedoch für das heimische Klingelschild an der Wohnungstür nicht unbedingt gelten muss, zeigt eine kürzlich ergangene Entscheidung der Stadt Wien. Die Stadt Wien sieht nämlich in der Anbringung von Mieternamen an Klingelschildern einen Verstoß gegen die DSGVO. Der folgende Beitrag beleuchtet die Entscheidung der Stadt Wien aus rechtlichen Gesichtspunkten und gibt Vermietern in Deutschland eine Hilfestellung, die Rechtslage richtig einzuschätzen.

 

 

Hintergrund

Ein Mieter meldete bei der für Datenschutz zuständigen Magistratsabteilung der Stadt Wien einen vermeintlichen Verstoß gegen die DSGVO und fragte an, ob das Anbringen des Mieternamens am Klingelschild an der Mietshaustüre nach der DSGVO rechtmäßig sei. Die Stadt Wien gelangte daraufhin zur Auffassung, dass die öffentlich einsehbare Verbindung von Nachname und Tür- bzw. Wohnungsnummer gegen die DSGVO verstoße.

 

Die kommunale Hausverwaltung „Wiener Wohnen” kündigte daraufhin an, bis Jahresende die Namensschilder bei allen rund 2.000 Gemeindebauten durch neutrale Bezeichnungen in Form von Wohnungsnummern zu ersetzen und damit zu pseudonymisieren.2

 

Datenschutzrechtliche Relevanz

Jede Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich der DSGVO ist nur dann rechtmäßig, wenn es die DSGVO erlaubt. Das gilt sowohl für die öffentliche Hand als auch für den Privatrechtsverkehr. Bevor sich die Frage nach einem möglichen Erlaubnistatbestand stellt, muss zuerst geprüft werden, ob der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet ist. Gem. Art. 2 Abs. 1 DSGVO gilt die Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten.

 

Zur Annahme einer teilweisen automatisierten Verarbeitung genügt dabei schon, wenn ein Teilschritt der Verarbeitung automatisiert erfolgt. Wenn also der Mietername mit PC geschrieben und vermieterseitig ausgedruckt wird, um das Papier im Sichtfenster des Klingelschildes anzubringen, wäre der Anwendungsbereich eröffnet. Auch Klingelschilder aus Metall werden zumindest teilweise automatisiert hergestellt.

 

Zum anderen gilt die Verordnung aber auch für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Somit wäre auch das handschriftliche vermieterseitige Notieren des Mieternamens auf dem Klingelschild erfasst, wenn es sich denn um ein Dateisystem handelt.

 

Was ein Dateisystem ist, regelt die DSGVO in Art. 4 Nr. 6 DSGVO: Ein Dateisystem ist jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral, oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird. Typischerweise sind Klingelschilder an Mietshäusern so geordnet, dass deren Anreihung mit den Klingelschildern der Wohnungen im Erdgeschoss beginnt und mit denjenigen im obersten Geschoss endet. Somit stehen die Klingelschilder in einem System zueinander, das nach dem Kriterium „Stockwerk” zugänglich ist und nach funktionalen Gesichtspunkten geordnet geführt wird. Anders kann es schließlich sein, wenn die jeweiligen Klingelschilder tatsächlich vollkommen ungeordnet angeordnet sind, was jedoch nur selten der Fall sein dürfte.

 

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass viel für eine Eröffnung des Anwendungsbereiches der DSGVO spricht. Daher fällt auch die Äußerung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit viel zu undifferenziert aus. Sie stellten in einer Mitteilung klar, dass das Ausstatten von Klingelschildern mit Namen in der Regel weder eine automatisierte Verarbeitung noch eine tatsächliche oder beabsichtigte Speicherung in Dateisystemen darstelle.3 Jedoch wir damit – aus unserer Sicht ohne Not - der klare Wortlaut der DSGVO missachtet. Da die DSGVO erst seit kurzem gilt und allseits große Verunsicherung im Hinblick auf einen rechtskonformen Umgang herrscht, kann für mehr Rechtsklarheit nur dann gesorgt werden, wenn möglichst nah am Gesetz eine sowohl rechtskonforme als auch für alle verantwortlichen Stellen praktikable Lösung gesucht wird.

 

Ein Entfernen sämtlicher Klingelschilder mit Mieternamen und Anbringen von pseudonymisierten Schildern mit Wohnungsnummern ist gesetzlich nicht gefordert

Schließlich ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten auch erlaubt, wenn ein Erlaubnistatbestand vorliegt. Gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO ist eine Verarbeitung erlaubt, die für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei der betroffene Mieter ist, erforderlich ist. Zur Erfüllung des Mietvertrages ist das Anbringen eines Klingelschildes i.d.R. nicht per se erforderlich. Anders sieht es dann aus, wenn das Anbringen eines Klingelschildes mit Namen als Pflicht des Vermieters im Vertrag ausgestaltet ist. Daher ist ein gangbarer Weg in der Praxis, in Mietverträgen künftig eine dementsprechende Verpflichtung aufzunehmen. Das kann auch in einer Hausordnung geschehen, die Teil des Mietvertrages wird.

 

Fehlt es an einer solchen Verpflichtung, kommt auch eine Rechtfertigung der Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des verantwortlichen Mieters oder von Dritten gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Frage. Jedoch dürfen dann bei einer Abwägung die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des betroffenen Mieters nicht überwiegen.

 

Als berechtigtes Interesse des Vermieters kommt eine einheitliche Gestaltung des Klingelschildbereiches in Betracht. Hier dürfte die vorzunehmende Interessenabwägung aber ergeben, dass das Interesse des einzelnen Mieters an der Nichtverarbeitung seiner Daten überwiegt.

 

Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erlaubt jedoch auch das Abstellen auf berechtigte Drittinteressen. Hier kommt zum einen als berechtigtes Interesse Dritter das staatliche Interesse an der Gewährleistung der Zustellung amtlicher Schriftstücke in Betracht. Zum anderen hat aber auch der gesamte Rechtsverkehr ein berechtigtes Interesse an Postzustellungen. Zwar könnten sie auch dadurch ermöglicht werden, dass eine Wohnungsnummer angegeben wird. Eine solche ist aber in aller Regel nicht bekannt. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt, da die pseudonymisierte Darstellung von Klingelschildern alles andere als gelebte Praxis in Deutschland ist, wären viele Postzustellungen nicht mehr möglich. Auch Rettungsdiensten würde ihre Arbeit nicht nur bei Notfällen erheblich erschwert. Schließlich dürften auch die Interessen solcher Mieter in Gewicht fallen, die jeweils ihren eigenen Namen gerne an der Haustür angebracht sehen wollen, damit sie z.B. von Besuchern (Verwandte und Freunde, Paketzusteller, Handwerker, etc.) leichter „gefunden” werden können und die daher mit einer pauschal veranlassten Pseudonymisierung ihres Klingelschildes nicht einverstanden sind.

 

Freilich bestünde im Falle von Art. 6 Abs. 1 lit. f ein Widerspruchsrecht des betroffenen Mieters nach Art. 21 DSGVO gegen die weitere Verarbeitung seiner Daten. Dieses Widerspruchsrecht würde aber nur dann durchgreifen, wenn der Verantwortliche nicht seinerseits zwingende schutzwürdige Interessen an der Weiterverarbeitung geltend machen kann. Hier zählen wiederum ebenfalls die soeben genannten Drittinteressen, weshalb viel dafür spricht, dass ein Widerspruch gegen die Verarbeitung keinen Erfolg haben wird.   

 

Das Einholen von Einwilligungen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO ist daher nicht nötig und wegen des Vorliegens anderer Erlaubnistatbestände aus Transparenzgesichtspunkten sogar schädlich.

  

Fazit

Die Diskussion um den richtigen Umgang mit Mieternamen auf Klingelschildern zeigt einmal mehr, welche Rechtsunsicherheit seit der Geltung der DSGVO herrscht. Auch wenn vieles dafür spricht, dass die Stadt Wien mit ihrer Einschätzung im Ergebnis richtig liegt, so ist ein Entfernen der Klingelschilder nicht nötig. In Zukunft hilft eine Aufnahme einer mietvertraglichen Klausel oder eine entsprechend ausgestaltete Hausordnung, um datenschutzrechtlich als Vermieter auf der sicheren Seite zu sein. Doch auch ohne eine solche vertragliche Verpflichtung besteht momentan i.d.R. ein berechtigtes Interesse der Vermieter an der Beibehaltung der momentanen Praxis.

   

Es bewahrheitet sich daher wieder: Beim Umgang mit den neuen Anforderungen der DSGVO ist ein kühler Kopf sowie ein sicherer und genauer Umgang mit den gesetzlichen Vorschriften gefragt.

  

1 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. c DS-GVO

2 Siehe auch http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/datenschutz-verstossen-klingelschilder-gegen-die-dsgvo-15844615.html, zuletzt abgerufen am 22.10.2018.

3 https://www.bfdi.bund.de/DE/Home/Kurzmeldungen/Klingelschilder.html, zuletzt abgerufen am 21.10.2018.

 

Kontakt

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Johannes Marco Holz, LL.M.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Datenschutzbeauftragter (GDDcert.EU), Master of Laws Rechtsinformatik (Universität Passau)

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